Der fleißige Michel

Prometheus' teutonische Erben

Im Antisemitismus zeigt die Jagd nach der »verlorenen Ehre der Arbeit« ihre mörderische Konsequenz.

Nichts als Arbeit III: Gegen die Diktatur der Arbeit wandten sich die Dossiers der Ausgaben 19/01 (»Zerlegte Existenzen«) und 23/01 (»Deutsche Arbeitswoche«). Diesmal geht es um die Genese und Gegenwart, die Ideologie und Praxis, die Ein- und Ausschlüsse der deutschen Arbeit. In unregelmäßigen Abständen werden weitere Beiträge zum Thema Arbeit folgen.

»Arbeit ist immer auch destruktiv.« Diese Einsicht ist längst zum gefälligen Accessoire der vielfältigen Feuilleton-Debatten um Arbeit geworden, in denen offen auf die Schattenseiten eines verengten Arbeitsbegriffs hingewiesen wird: die ökologischen Folgen, die Missachtung patriarchal zugewiesener Tätigkeit oder die gesellschaftliche Geringschätzung derer, die arbeiten wollen, aber nicht (mehr) dürfen. Unterbelichtet bleibt dabei jedoch jene Subgeschichte der abstrakten Arbeit (1), in der der verdrängte Hass auf die Arbeit als Hass auf die »jüdische Nicht-Arbeit«, wie er von Daniel J. Goldhagen dargestellt wurde, wiederkehrt und verschlüsselt im deutschen Motto »Arbeit macht frei» seine eliminatorische Potenz offenbart (2). Die Irrationalität der Arbeit und damit des Kapitalverhältnisses, dessen notwendige Basis sie darstellt, hat in Deutschland in Gestalt der antisemitischen Projektion in der als deutsch mythologisierten Arbeit ihren schrecklichen Ausdruck gefunden.

Kinder des Teufels

Bis zum Ende des Spätmittelalters wurde die Ordnung der Welt als eine direkt von Gott verfügte begriffen. Arbeit sollte deshalb zum Lobpreis des Herrn und zur ständigen Erinnerung an den Sündenfall des Menschen als Knechtschaft, Entsagung, Opfer und Mühsal erfahren werden. Zugleich hatte die Nicht-Arbeit innerhalb dieser sozialen Ordnung noch ihren festen Platz. Dafür stand der Bettler als pauper Christ.

Im Zuge der Warenvergesellschaftung wurde die Arbeit seit dem 16. Jahrhundert zur allgemeinen Pflicht erhoben. Die Reformation lieferte der »Marktvergesellschaftung« (Max Weber) die ideologischen Grundlagen des notwendig gewordenen »Geistes der Arbeit« (Weber). Der unmittelbare Zwang des Feudalherren wich der freien Verfügung über die Arbeitskraft, die damit zur Ware werden konnte. Um diesem neuen Prinzip zur Allgemeingültigkeit zu verhelfen, sollte das von den Reformationsbewegungen propagierte Ideal der rastlosen und disziplinierenden Berufsarbeit den Menschen durch zahlreiche Verordnungen sowie mit Hilfe der entstehenden Arbeits- und Zuchthäuser anerzogen werden. Diese Form der Erziehung zur Sittlichkeit wurde deshalb auch weniger als Strafe denn als Disziplinierungsmaßnahme, als notwendig zur Verinnerlichung der Berufsarbeit, verstanden.

Der Reformator Martin Luther stilisierte die Arbeit zu einer Verpflichtung, die mit Freude von einer imaginierten deutschen Gemeinschaft ausgeübt werden solle. Allein durch Arbeit könne der Mensch seine Daseinsberechtigung vor Gott begründen und damit seiner sittlichen Pflicht nachkommen. Arbeit sollte Luther zufolge durch Gehorsam gegenüber der Obrigkeit und durch Berufstreue charakterisiert sein.

Der deutsche Volkscharakter, der sich insbesondere durch Traditionsgebundenheit, Sittlichkeit, Gemütlichkeit, Einfalt, Natürlichkeit und durch die Freude an der Arbeit auszeichne, galt ihm als Vorraussetzung zur Erfüllung der göttlichen Berufung. Diese Vorstellung einer spezifisch deutschen Arbeit wurde von Luther explizit antisemitisch aufgeladen. So stellte er der »deutschen ehrlichen Arbeit« als Antinomie das »jüdische Schmarotzertum und den jüdischen Wucher« entgegen. Er behauptete, dass Juden generell nicht zur Arbeit erziehbar seien. Das Phantasma der jüdischen Nicht-Arbeit im Gegensatz zur als deutsch gedachten Arbeit gründete nicht originär auf Luthers Idee; jedoch war er der erste, der diese Vorstellungen systematisierte und popularisierte.

Der lutherische Protestantismus wertete die Arbeit um ihrer selbst willen auf. Er beschrieb sie als Vergnügen an sich und Trieb nach Tätigkeit, der, bliebe er unbefriedigt, zur Langeweile führe. Die ständige körperliche Tätigkeit und weniger das Ergebnis der Arbeit rückte in den Mittelpunkt der Betrachtung.

Die deutschen Pietisten übernahmen dieses Arbeitsethos. Sie sahen jedoch davon ab, die Juden derart zu verteufeln wie Luther. Dennoch legten auch sie dem jüdischen Volk immer wieder nahe, sich zumindest »vom Mammon abzuwenden«. Gleichzeitig forderten sie die Christenheit auf, die Juden dabei zu unterstützen, »dem geizigen Schacherwesen« abzuschwören, damit diese sich endlich dem »ordentlichen Arbeiten« widmen könnten.

Im Calvinismus und im Puritanismus dagegen erfuhr nicht nur die Arbeit an sich eine Anerkennung, sondern ebenso der Handel. Der Erfolg des Einzelnen definierte sich über seine Nützlichkeit und seinen Verdienst. So konnte das als abstrakt identifizierte Prinzip des Geldes durchaus positiv konnotiert werden. Der geforderte asketische Sparzwang brachte zudem eine rasche Kapitalakkumulation mit sich. Denn im Gegensatz zum lutherischen Protestantismus beharrte der Puritanismus nicht auf der Vorstellung eines gegebenen Ortes der Vorsehung, sondern war gegenüber jeglicher Berufsarbeit offen, solange diese nur zum Erfolg führte.

Die Gemeinschaft der fröhlich Schaffenden

Im Preußen des 18. Jahrhunderts wurde das Wort »fritzisch« zum Synonym für ein ständig fleißiges, aufopferungsvolles und genügsames Arbeitsverständnis. Der Blickwinkel veränderte sich jedoch gegen Ende des Jahrhunderts. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stand nun nicht mehr das Arbeitsethos der friderizianischen Könige, sondern immer mehr der deutsche, rastlos schaffende Mensch.

Insbesondere die deutsche Romantik stellte, in Abgrenzung zur Aufklärung und zur französischen Revolution, der Pflicht ohne inneres Selbstgefühl das Ideal eines innerlich-ästhetischen Arbeitsethos gegenüber. Nur vermittels des gesamten physischen und geistigen Reichtums, des gesamten inneren und äußeren Lebens einer Nation könne sich diese zu einem »energischen, unendlich bewegten und lebendigen Ganzen« entwickeln, proklamierte Adam Müller, der Gründer der deutschen Volkswirtschaftslehre. Wobei die Arbeit zur Möglichkeit stilisiert wurde, die organische Ordnung der Welt zu bestätigen, welche die »Gemeinschaft der Schaffenden« erst »zu sich selbst kommen« lasse, unvereinbar mit dem als egoistisch und materialistisch imaginierten Arbeitsverständnis der Juden.

Diese Betrachtung der Arbeit war in den deutschen Staaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch von der noch existierenden feudalen Landwirtschaft und dem noch merkantilistisch organisierten Güter- und Arbeitsmarkt sowie vom großen Einfluss der Zünfte bestimmt. Diese eher an konkreter Herrschaft ausgerichteten Strukturen prägten wohl ebenfalls die Vorstellung der Arbeit als einer Ware in Deutschland.

So konnten sich deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen, da sie selbst nicht in die Zirkulationssphäre eingebunden waren, kaum als handelnde Marktsubjekte begreifen, sondern sie fanden sich vielmehr in der konkreten Arbeitstätigkeit in einer hierarchisch gegliederten Betriebsgemeinschaft wieder.

In England hingegen waren der Lehensbesitz und die feudale Zwangsarbeit bereits abgeschafft, die Gilden besaßen kaum noch Einfluss, der Gütermarkt unterlag wesentlich früher als der Arbeitsmarkt keinerlei staatlicher Regulation mehr. So orientierte sich die entstehende Vorstellung von der Ware Arbeitskraft an dem schon bestehenden Konzept des Gütermarktes. Deshalb konnten sich die britischen und darauf aufbauend die US-amerikanischen Arbeiter und Arbeiterinnen viel stärker auf das Marktgeschehen beziehen. Sie nahmen daher die Zirkulationssphäre zwar als ungerecht, nicht aber als derart unheimlich und mysteriös wahr wie die deutschen Arbeiter.

In England und den USA trug diese Auffassung von Arbeit offenbar dazu bei, dass eine nüchternere Rezeption des Kapitalismus in die Ideologiebildung einfloss.

Wenngleich zumindest der strukturelle Antisemitismus zwangsläufiger Ausdruck jenes notwendig falschen Bewusstseins ist, welches sich das staatlichkeitsdenkende und kapitalproduktive Subjekt von den gesellschaftlichen Verhältnissen macht, so findet er doch durchaus unterschiedliche Ausdrucksformen. Innerhalb einer romantisierenden Kapitalismusinterpretation, welche bis heute noch in Deutschland großen Anklang findet, wird das als konkret Identifizierte als das natürliche und das eigentlich menschliche verewigt.

Abstrakte Prinzipien wie Vernunft oder kapitalistische Vergesellschaftung hingegen wurden abgelehnt. Diese spezifische Form des Verständnisses von Kapitalismus tendiert dazu, den Kapitalismus auf seine abstrakte Seite zu reduzieren, wobei das Geld als Wurzel allen Übels betrachtet wird, das letztlich im Juden personifiziert erscheint.

Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in den deutschen Staaten die abstrakte Seite der Warenproduktion mit dem »wuchernden Juden« identifiziert. Diese Konkretion wandelte sich in den nächsten fünfzig Jahren zur Vorstellung vom »raffenden Kapital« oder vom »internationalen Finanzjudentum«. Dabei ließ es sich leicht verdrängen, dass während der so genannten Gründerjahre das Spekulieren im aufkommenden Wertpapierhandel quasi zum Volkssport für alle wurde, die über liquide Geldmittel verfügten.

Spätestens nach dem Börsenkrach von 1873 wurde in der allgemeinen Imagination zwischen einem guten industriellen Kapital und dem schlechten jüdisch-materialistischen Finanzkapital, das mit dem Kapitalismus schlechthin identifiziert wurde, unterschieden. Das Finanzkapital erschien den Antisemiten dabei wie das Glück ohne Arbeit.

Die Veredelung des Arbeiters

Basierend auf diesen Projektionen lassen sich in Deutschland seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts vermehrt Auffassungen finden, die einen vorgeblich eigenständigen Dritten Weg und zwar den des »nationalen Sozialismus« propagierten. Die ideologische Grundlage bildete ein expliziter Antiliberalismus bei gleichzeitiger Betonung einer eigenständigen, zwar marktwirtschaftlichen, aber eben im Gegensatz zu allen anderen Ländern und insbesondere zur »jüdischen Ökonomie« vorgeblich nicht kapitalistischen Entwicklung.

Trotz aller Unterschiede lag diesen Theorien eine autoritäre und organische Staatsauffassung zugrunde, sowie das Ideal der »schöpferischen Arbeit«, welche durchdrungen von einem »gemeinsamen Plan« vermittels der »Einschiebung des Einzel-Ichs in das Gesamt-Ich«. Der Politiker Friedrich Naumann war ein eifriger Verfechter dieses nationalen Sozialismus und propagierte »die Notwendigkeit der kulturellen Durchdringung der Welt mittels des deutschen Arbeitsverständnisses«.

Doch auch die Arbeiterbewegung setzte diesem ideologischen Prozess der Nationalisierung der Arbeit nichts entgegen. Vom Gothaer Programm über August Bebels Rede von der Arbeitspflicht bis hin zu nationalistischen Vorstellungen einer Organisation der Arbeit, zog sich ein Arbeitsbegriff, der nicht nur Ordnung und Disziplin als Notwendigkeiten betrachtete, sondern desgleichen eine als konkret gedachte Arbeit überhöhte und die Veredelung des Arbeiters einklagte.

In dieser Naturalisierung der Arbeit tauchten immer häufiger die Metaphern »gesund«, »kraftvoll« und »produktiv« für den deutschen Arbeiter sowie »pathologisch«, »schwächlich« und »zersetzend« zum Beispiel für den Intellektuellen auf. In den stark personalisierenden und subjektivistischen antikapitalistischen Anschauungen der Arbeiterbewegung geriet die Abstraktionsform der Arbeit zumeist aus dem Blick. Das Klassenbewusstsein als gerechter Zorn des um seinen Lohn und sein gutes Leben Betrogenen wurde zum Antrieb des Kampfes für die »Privilegien« der als unproduktiv wahrgenommenen. Die Verklärung von Arbeit und Produktivität konnte deshalb nicht zur Forderung nach der Aufhebung von Arbeit und Staat führen.

In diesem Zusammenhang schlug man das Produktivkapital vorwiegend der »schaffenden Seite« zu und griff insbesondere die »Herrschaft des Finanzkapitals« an. Insofern sprach der Sozialdemokrat Rudolf Hilferding vielen aus dem Herzen, als er »den vom Proletarier eroberten Staat« als »bewusstes Vollzugsorgan« der Gesellschaft gegen die weltweite Herrschaft des »Finanzkapitals« beschrieb.

Vor allem nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Neugründung Deutschlands durch das gemeinsam schaffende Volk beschworen: »Wo such ich dich heute / Antlitz meines Volkes / da ich zuletzt dich sah / in Wirbel und Wut der Waffen / (...) / Wo ich dich immer fand, / bist du auch heute zu treffen: / bei deiner Arbeit, Volk!« (3)

Nicht nur für den Verfasser dieser Zeilen, den Sozialisten Karl Bröger, sondern auch für viele andere war der Ruf nach einem neuen Sinn der Arbeit, welcher nur »aus dem einfachen, unverbildeten Empfinden des Volkes« (4) erwachsen könne, charakteristisch. Bröger begriff Arbeit »als Kraft zur Freude«, die eine gewachsene Kultur in Abgrenzung zur unechten Zivilisation erschaffe. So sollte die wesentliche »Andersheit des Deutschseins« damit zum Ausdruck gebracht werden, dass Kultur und Gemeinschaft als dem »eigentlich Lebendigen, Schöpferischen und Ursprünglichen« die Gesellschaft und Zivilisation als das »Entmenschlichte« und »das Fremde« gegenüber gestellt wurden. (5)

Die Ablehnung von Freiheit und Individualität, ebenso wie der Hass auf den Universalismus und die Emanzipation, bei dem der Antisemitismus stets mitschwang, trat in der Heroisierung der Arbeit am Ende der Weimarer Republik immer deutlicher zutage. Die Naturalisierung der Arbeit als solcher ging mit einer Fetischisierung des Staats und einer rigiden Ablehnung der Zirkulationssphäre eine enge Verbindung ein. Dieses bereits strukturell antisemitische Bewusstsein wurde somit im Gefolge der konsequenten völkischen Umwertung des Staats- und Nationenbegriffs in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft zum Bindemittel der noch zu schaffenden ersatzrevolutionären nationalsozialistischen Volksgemeinschaft. In dieser sollte dann die Produktion »zu sich selbst kommen« vermittels des Ausschlusses und der Vernichtung derer, die scheinbar das Produktionsverhältnis besitzen und beherrschen.

Deutsche Arbeit

Auch heute noch wird die Thematisierung der Arbeit seitens der Nationalsozialisten als diffuse Propaganda belächelt, ihre Wirkung habe sie allein der künstlichen Arbeitsbeschaffung infolge der Kriegsmobilmachung verdankt. Die kritische Analyse nationalsozialistischer Texte und Reden (6) zeigt jedoch, dass die Unzufriedenheit mit der kapitalistischen Lohnarbeit geschürt wurde, indem nicht nur die materielle Seite der Ausbeutung in Form geringer Löhne oder Arbeitslosigkeit, sondern insbesondere der Sinn der Arbeit und der Warencharakter der Arbeitskraft thematisiert wurde.

Die Rede von der egalitären, nicht durch das Geld vermittelten Volks- und Arbeitsgemeinschaft sowie die Behauptung, durch diese die Friktionen der kapitalistischen Arbeit zu überwinden, fand breite Zustimmung. Hier knüpfte die NS- Ideologie an jenes Unbehagen an, das sich aus der realen Tendenz der Reduktion gesellschaftlicher Beziehungen auf warenförmige Austauschbeziehungen speiste.

Somit setzte die Propaganda auf der Grundlage des unangetasteten Kapitalverhältnisses der Abstraktheit der Wertvergesellschaftung die Abstraktheit des Wagnerschen Diktums entgegen: »Deutschsein heißt, eine Sache um ihrer Selbst willen zu tun.« Kaum propagiert, wurde die Besonderheit des arischen Menschen durch seine Verpflichtung auf die Sache, die Arbeit um ihrer selbst willen und das Volksganze wieder aufgehoben.

Ihre klassenübergreifende integrative Kraft bezog diese Klage über die kapitalistische Totalität jedoch deshalb, weil sich vor allem anhand der »deutschen Arbeit« die bürgerliche Vergesellschaftung spiegelbildlich und biologistisch wahrnehmen ließ. Die Integration war untrennbar verbunden mit dem Ausschluss, der Verfolgung und letztlich der Vernichtung der vermeintlichen Nicht-Arbeit, personifiziert vor allem von den Juden, aber auch von den Sinti und Roma und den so genannten Arbeitsscheuen (7). Dieser Ausschluss ist allerdings nicht als ein der inneren Integration äußerliches, also funktional »von oben« gesteuertes Moment zu betrachten, sondern gewissermaßen die Voraussetzung einer völkischen Homogenisierung, welche in Deutschland gerade über die Arbeit »von unten« gewünscht wurde.

Die Radikalisierung des deutschen Arbeitsbegriffs durch die Nationalsozialisten gründete somit wesentlich auf der Dynamisierung jenes Projektionsmechanismus, der in der »Dialektik der Aufklärung« als zentrales Moment des antisemitischen Wahns ausgewiesen wurde.

Demnach neigt das bürgerliche Subjekt und vor allem der autoritäre Charaktertypus, der sich ein Leben ohne die Entsagungen der modernen Arbeitsgesellschaft nicht vorstellen kann, zu einer übermäßigen Verherrlichung der bestehenden Autorität, welche in diesem Kontext der Arbeit entspricht. Das verdrängte Unbehagen gegenüber den Anmaßungen und Zumutungen der herrschenden Verhältnisse wird dann mithilfe der Projektion und der Aggression verarbeitet.

Doch der Antisemitismus in Deutschland hätte seine zerstörerische Kraft kaum erreicht, wäre er nicht mit jenem Glücksversprechen verknüpft worden, das als deutsche Arbeit strukturell mit der antisemitischen Projektion kompatibel war.

Allerdings, und das ist wiederum entscheidend für den Wahn, war das, was als konkret und wesenhaft gegen die als abstrakt und künstlich identifizierten Momente der Wertvergesellschaftung in Anschlag gebracht wurde, untrennbar mit der anderen Seite verbunden. Denn die als konkret idealisierte und enthistorisierte deutsche Arbeit ist nichts anderes als eine Abstraktion und letztlich der Prototyp einer »Arbeit an sich«, die in keinem Widerspruch zum Kapitalverhältnis steht, gegen welches sich der deutsche Faschismus auch niemals stellen wollte und konnte.

In dieser Hinsicht sprachen die Protagonisten der deutschen Arbeit stets Klartext: Nicht was, sondern wie einer arbeitet, zählt! Dieser Spruch verbreitete sich um so mehr, da Arbeit als ein dem Kapitalismus gewissermaßen äußerliches oder gar entgegengesetztes Moment verdinglicht wurde. Je schneller die tatsächliche Entwertung der Arbeit gerade durch die nationalsozialistische Forcierung der fordistischen Produktionsweise voranschritt, desto stärker vollzog sich die affektive Wendung zur Arbeit an sich. Das geschah sowohl in Form propagandistischer Reden von der Arbeitsschlacht und mit Hilfe von Repressalien, als auch durch die Bevölkerung selbst vermittels des antisemitischen Wahns.

Der dynamisierende Effekt dieser Projektionen zeigt sich auch anhand der viel beschworenen deutschen »warmen Gemeinschaft«, die der »kalten jüdisch-angelsächsischen« Gesellschaft entgegengesetzt wurde. »Militarismus, Nationalismus, martialisch-kraftmeierisches Gebaren, Gemeinschafts'geist' setzen dort ein, wo Aufhebung von Vereinzelung zum Bedürfnis wird, ohne wirklich zu werden. Kollektives Verhalten auf Basis der Individualität kompensiert sich im barbarischen Kollektiv, in Selbstnegation durch Hingabe an 'die Sache'.« (8)

Das durch diese Form der vorgeblichen Kapitalismuskritik erneuerte Heilsversprechen ließ bei gleichzeitiger Festschreibung seiner Uneinlösbarkeit und dem Bruch mit der christlichen Jenseitshoffnung eine Dynamik entstehen, die nur noch in der Hingabe an die Sache, an die Arbeit um ihrer selbst willen, und schließlich in der Hingabe an den Krieg und die Vernichtung um ihrer selbst willen Erlösung versprechen konnte.

Die scheinbare Widersprüchlichkeit des deutschen Arbeitsbegriffs, das heißt die Mobilisierung des Ressentiments gegen die Arbeit und gegen die jede Gemeinschaft zersetzende Abstraktheit der Geldbeziehungen bei gleichzeitiger Forcierung derselben, ist indes kein Indiz für die Inkompatibilität von Faschismus und Liberalismus, sondern ein Ausdruck der damaligen Paria-Situation der kapitalistischen Entwicklung in Deutschland.

»Gerade das hervorstechende Merkmal des Faschismus, die auf Gleichschritt marschierende Masse«, charakterisiere ihn, wie Ernst Lohoff meint, nicht als historische Regression, »sondern als Übergangsphänomen zu höheren Formen bürgerlicher Vergesellschaftung«. Tatsächlich standen der Herausbildung und der Verallgemeinerung des abstrakten Staatsbürgers noch immer feudal-ständische Reste im Weg. Da der Faschismus »das abstrakte Ware-Geld-Individuum« noch nicht voraussetzen konnte, musste »die fehlende empirische Gleichnamigkeit aller Individuen (...) erst einmal ideologisch jenseits der geld-individuellen Sinnstiftung« (9) hergestellt werden.

Das Phantasma von der jüdischen Nicht-Arbeit, welches ein Bedürfnis nach vermeintlich antikapitalistischer Sinnstiftung ausdrückte, nahm vor dem Hintergrund der sich beschleunigenden Totalisierung des Wertverhältnisses den Charakter einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung an. Der ohnehin virulente Antisemitismus erhielt durch den Modernisierungsprozess die materielle Basis für seine Dynamisierung.

Kein Recht auf Faulheit?

Tatsächlich mutet die Frage nach dem Fortwirken einer nach innen wie außen regressiven Wahrnehmung der Arbeit im Sinne des deutschen Arbeitsbegriffs etwas anachronistisch an, zumal neben dem Arbeitsethos auch der völkische Nationalismus als Leitideologie scheinbar abgedankt hat. Ein kurzer Blick in die jüngste deutsche Geschichte nach 1945 soll diese Annahme relativieren.

Das Bedürfnis nach Verdrängung und Schuldabwehr reproduzierte das deutsche Arbeitsverständnis in den Nachkriegsjahren. Die rastlose Trümmer- und Aufbauarbeit ist gleichsam ein Versuch, sich erneut als Opfer zu gerieren und sich eine nationale Identität wieder anzueignen. Begünstigt von einer verkürzten Analyse der Charakteristika des Nationalsozialismus konnte die Arbeit als unschuldige und gewissermaßen vorpolitische Quelle von Identität fungieren und in Ostdeutschland sogar als Beleg für die antifaschistische Gesinnung.

Entscheidend war jedoch, dass sich diese Disposition mit einer ebenfalls ungebrochenen Gemeinschaftsideologie im Sinne von »Gemeinnutz geht vor Eigennutz« verband und im Westen als so genannte Sozialpartnerschaft institutionalisiert wurde.

Ebenso wenig wie die Arbeit wurde der Gemeinsinn in ein kritisches Verhältnis zur NS-Ideologie gesetzt. Mithilfe des fortlebenden sehr deutschen Ideologems, welches sich mit dem vielzitierten Ausspruch, »wir sitzen alle in einem Boot«, zusammenfassen lässt, konnte die Lebenslüge vom Nationalsozialismus als Folge der gesellschaftlichen Zersplitterung zum antifaschistischen Verfassungsgut erhoben werden. Der Stolz auf die geleistete Arbeit und auf das so genannte Wirtschaftswunder reproduzierte zugleich den Mythos einer produktiven deutschen Arbeit, der nicht selten mit Elementen des sekundären Antisemitismus angereichert war, etwa mit Klagen über Reparationszahlungen, die als Bedrohung der eigenen Arbeit wahrgenommen wurden.

Diese nationalen Besonderheiten müssen auch heute noch als Folie über die allgemeinen, national unspezifischen Voraussetzungen einer regressiven Bildung von Subjektivität gelegt werden. Zu nennen wären hier zunächst jene Fakten, die aktuell die Arbeitskraft bestimmen: der Zwang zum individuellen Arbeitskraftmanagement und die Refeudalisierung der Arbeitskraft durch den Zugriff auf den ganzen Menschen. Dies sind Tatsachen, die entgegen mancher idealistischen Interpretation von einer Erosion des Arbeitsethos zugunsten neuer Chancen der Selbstverwirklichung, tatsächlich auf die Verdichtung der Arbeitsethik in Form von gesteigerter Selbstkontrolle hinweisen. (10)

Mit dem historischen Voranschreiten der Verinnerlichung von Arbeit als einem Naturgesetz ist entsprechend davon auszugehen, dass jener bereits skizzierte Projektionsmechanismus im Unbewussten heute noch hartnäckig fortwirkt. Deshalb kann die strukturelle Neigung zum autoritären Charakter auch im postmodernen Subjekt keineswegs als aufgehoben gelten.

Gleichzeitig trifft diese Disposition auf jene anhand der Postulate der Modernisierungseliten belegbare Diskursverschiebung zu, in deren Folge das kapitalistisch-sozialdarwinistische Menschenbild auch wieder offen propagiert wird. Dabei stellt sich die Frage, wie die neoliberale Anthropologie, das Update des Spruchs, »ein jeder ist seines eigenen Glückes Schmied«, von der Gesellschaft reproduziert wird und ob das Individuum jenen Narzissmus aufzeigt, der soziale Kategorien wie Erfolg oder Scheitern als individuell genetisch angelegt deutet. Doch selbst dann bleibt offen, ob und wodurch diese Disposition als Projektion auf die jenen Zwängen vermeintlich sich entziehenden »Fremden« nationalisiert wird.

Während das Arbeitsethos keineswegs an Bedeutung verliert, scheinen die Bedingungen zu zerfallen, die es nationalistisch-völkisch verallgemeinern könnten. So deutet beispielsweise auf der Ebene der sozialstaatlichen Regulation, einer der wichtigen Säulen der Nationalisierung von Arbeit beziehungsweise des Arbeitswahns, vieles darauf hin, dass die spezifisch deutschen Elemente des wohlfahrtsstaatlichen Nationalismus wie Konsens, Sozialpartnerschaft und die relative Angleichung der Lebensverhältnisse innerhalb der deutschen Gesamtgesellschaft obsolet geworden sind.

Doch so wenig wie das Modell des rheinischen Kapitalismus die Modernisierung der Kapitalverwertungsbedingungen vernachlässigen konnte und wollte, so wenig kann und muss im Rahmen der neoliberalen Modernisierung in Deutschland das ideologische Erbe verworfen werden. Denn die Rhetorik der neuen Mitte zeichnet sich ja gerade durch das Vermögen aus, die Reaktivierung deutscher Arbeits-, Verzichts- und Gemeinschaftsrhetorik mit den Anforderungen der Deregulierung zu verbinden. Und es sieht ganz danach aus, als fiele die neoliberale Propaganda in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Diese Ideologie wird von allen gesellschaftlichen Schichten getragen, was ein wichtiges Kennzeichen des deutschen Korporatismus darstellt.

Gegen die Annahme einer Kontinuität deutscher Arbeit könnte man nun immerhin einwenden, dass im Kontext des normativen Postulats, das sich an dem Ausspruch »Hauptsache Arbeit« festmacht, heute zumindest nicht mehr zwischen anrüchiger und ehrlicher Arbeit unterschieden wird. Gerade die neue deutsche Unbefangenheit gegenüber der Börse könnte als beruhigender Beleg dafür gelten, dass die Gesellschaft inzwischen gegen Projektionen wie die vom »raffenden, jüdischen Finanzkapital« immunisiert ist.

Doch ebenso wenig wie der nationalsozialistische Hass auf die »jüdische Spekulation« keineswegs die reale Denunziation und die Abschaffung der tatsächlichen Finanzzirkulation bezweckte, bewirkt der aktuelle Aktienhype eine Immunisierung gegenüber den Mystifikationen der Geldsphäre. Denn die Faszination des Kleinaktionärs für das schnelle Geld, das sich scheinbar ohne Arbeit aus sich selbst vermehrt, fußt auf den gleichen Annahmen, die beispielsweise im Falle eines nachhaltig wirkenden Finanzcrashs das beschriebene antisemitische Ressentiment erneut wecken könnten.

An den Debatten um die als faul stigmatisierten Arbeitslosen ließe sich schließlich zeigen, wie die allgemeine neoliberale Tendenz einer aggressiven Mobilmachung von Arbeitskraft zur Schaffung eines neofeudalen Dienstleistungssektors von niedriger Produktivität gerade angesichts der fortschreitenden ökonomischen Entwertung der Arbeit um ideologische Effekte angereichert wird. Insbesondere dort, wo das Ergebnis der Arbeit im Schatten der gefeierten New Economy und ihres glamourös erscheinenden Verhältnisses von Arbeit und geldwertem Resultat liegt und daher kaum mehr marktideologisch verkauft werden kann. Die weltweit zu verzeichnende Simulation von Arbeit als Dienst, eine Antwort des Neoliberalismus auf die Krise der Arbeit, belegt die keineswegs überholte Funktionalität der gerade in Deutschland sakrosankten Arbeitsdoktrin.

Diese allgegenwärtige und gerade auch von »unten« erhobene Forderung nach Arbeit führt oftmals dazu, dass die gefährliche Dynamik des Arbeitswahns im Hinblick auf den sehr manifesten Rassismus und Antisemitismus, analog zur vorher aufgezeigten Erklärung des Nationalsozialismus, als eine Folge des Arbeitsmangels interpretiert wird.

In diesem Kontext wäre jedoch gerade in Deutschland von einer zwanghaften Allgegenwart der Arbeit im Sinne eines Alltagsdiskurses zu sprechen. Vor dem Hintergrund sich weiter verschlechternder Arbeitsbedingungen ist also zu befürchten, dass die populäre Neigung, das eigene Unbehagen an der Arbeit zu verdrängen, erneut eine nach außen gerichtete aggressive Dynamik entfachen könnte.

Hauptsache Arbeit

Die historische Entwicklung des deutschen Arbeitsverständnisses macht deutlich, dass der moderne deutsche Antisemitismus eine extreme Konsequenz der Paradoxien bürgerlich-kapitalistischer Vergesellschaftung darstellt. Konkret wäre die vormodern erscheinende, selbstzweckhafte deutsche Arbeit als ein besonders drastischer Ausdruck der Irrationalität der hegemonialen, kapitalistischen Arbeit zu werten. Denn die etwas schematisch erscheinende Dichotomie der »deutschen Arbeit an sich« einerseits und der angelsächsischen, utilitaristischen Auffassung, die die Arbeit nach ihrem Ergebnis bewertet, existiert streng genommen nur auf der Ebene der Ideologie.

Das Paradigma, »nicht was, sondern wie einer arbeitet«, erweckt den Anschein, als wäre die Arbeit hier »ganz bei sich«. Dabei bedeutet das Postulat, nur die »Arbeit an sich« zähle, innerhalb einer kapitalistischen Ökonomie real die Fokussierung auf das Arbeiten für etwas anderes, den Profit - was ideologisch von der Behauptung verschleiert wird, die Abstraktion Arbeit und damit die kapitalistische Logik sei hier überwunden worden.

Auf der anderen Seite suggeriert das Ideologem, »Hauptsache, das Ergebnis stimmt«, das absurde Dogma »Hauptsache Arbeit« gelte hier nicht. Je mehr aber die Ergebnisorientierung die erklärte Maxime darstellt, desto mehr muss in der Warengesellschaft auch »Arbeit an sich« verausgabt werden, da nur so der Profit entsteht. Auch hier bedeutet Arbeit die »Arbeit um der Arbeit willen« - um des Profits willen.

Ausgehend von dem Verständnis, dass das Wesen der abstrakten Arbeit überall dasselbe ist und lediglich ihre sozialpsychologische Verarbeitung variiert, ist es sinnvoll, die allgemeinen Tendenzen der Arbeitsvergesellschaftung auf spezifisch deutsche Elemente zu untersuchen. Denn es wäre fatal und zynisch, die strukturellen Analogien und Verbindungen des deutschen zum westlich geprägten Rassismus und Nationalismus zu ignorieren und zu verkennen, dass verschiedene Elemente des deutschen Arbeitsbegriffes gerade im Kontext der weltweiten neoliberalen Zuspitzung der Widersprüche kapitalistischer Arbeit gewissermaßen als Modell im Allgemeinen aufgehen könnten.

Von den AutorInnen ist zum Thema ein Buch erschienen: Freiheit und Wahn deutscher Arbeit. Zur historischen Aktualität einer folgenreichen antisemitischen Projektion. Münster/Hamburg 2001. Reihe antifaschistischer Texte. 208 S., DM 29,80.

Anmerkungen

(1) Dieser von Marx entlehnte Terminus soll die gesellschaftlich gültig gewordene Produktionsleistung konkreter Arbeit, welche sich in der Warenform materialisiert, kennzeichnen. Es ist deshalb auch von Arbeit im Gegensatz zu Tätigkeit die Rede.

(2) Ausgehend von dem antisemitischen Wahn einer jüdischen Nicht-Arbeit, welche eine spezifisch deutsch verstandene Arbeit auspresse, wie er von Daniel J. Goldhagen beschrieben wurde, versuchten wir der Frage vom Verständnis der Deutschen von »ihrer« Arbeit nachzugehen. Dabei kann die deutsche Arbeit nur auf der Ebene der Ideologie existieren. Es handelt sich hierbei um die Mythologisierung der eigenen gesellschaftlichen Tätigkeit, die so als quasi natürlicher Zustand erscheint. Allerdings darf die Beschreibung des Zusammenhanges von deutscher Arbeit und dem mörderischen antisemitischen Wahn nicht dazu dienen, die »Vernichtung um der Vernichtung willen« auch nur im Geringsten zu rationalisieren.

(3) Karl Bröger: Das Deutsche Gesicht, zitiert nach: Heinz Kindermann (Hg.): Ruf der Arbeit. Berlin 1942. S.111. Dieses Buch verdeutlicht, mit welcher Leichtigkeit die Nationalsozialisten auf das Arbeitsverständnis nahezu der gesamten deutschen Prosa rekurrieren konnten.

(4) Karl Bröger, zitiert nach: Frank Trommler: »Die Nationalisierung der Arbeit.« In: Reinhold Grimm/Jost Hermand (Hg.): Arbeit als Thema in der deutschen Literatur vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Königstein 1979. S.119.

(5) Mit dem »Gründungswerk« der deutschen Soziologie von Ferdinand Tönnies gewann dieser von ihm selbst so bezeichnete »Gegensatz von Gesellschaft und Gemeinschaft« auch als wissenschaftliche Kategorie großen Einfluss. Ferdinand Tönnies: Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie. Darmstadt 1979. (Erstveröffentlichung 1887, 1935 erschien dieses Werk schon in der 8. Auflage)

(6) Selbstkritisch ist an dieser Stelle ein Problem unseres Buches anzumerken. Bei der Analyse dieser Texte vermischen sich des öfteren Ideologietheorie und Ideologiekritik, ebenso wie Beschreibung und Erklärung, sodass manche Stellen derart verstanden werden können, als verträten wir selbst einen affirmativen Arbeitsbegriff.

(7) Die »Arbeitsscheu« galt als »undeutsch«; so konnte die Vorstellung, Müßiggang existiere nur außerhalb des arischen Volkskörpers, aufrechterhalten werden. Ein arischer Arbeitsscheuer galt als von außen verdorben und war somit die ideale Verkörperung der halluzinierten Infektion durch die Juden. Die rassistische Ideologie erhielt so den Schein von Plausibilität ähnlich wie das Konstrukt »Verjudung« bzw. »Verjudaisierung« zur Rationalisierung des antisemitischen Phantasmas vom Gegensatz des »schaffenden« deutschen und des »raffenden jüdischen« Kapitals herangezogen wurde.

(8) Rotermundt, Rainer: Verkehrte Utopien. Nationalsozialismus - Neonazismus - Neue Barbarei. Frankfurt/M. 1980. S.82.

(9) Lohoff, Ernst: Die Wechseljahre der Republik. In: Marxistische Kritik. Erlangen 1989. S.52.

(10) Diese Ausdehnung der Anforderungen auf vormals »abgespaltene« menschliche Bedürfnisse und Fähigkeiten, also die Entgrenzung von Arbeit durch die zunehmende »Aneignung unbezahlter Mehrarbeit«, zeigt deutlich: Was der fordistischen Ökonomie heilig sein musste - die Versachlichung der Ware Arbeitskraft - ist der postfordistischen vielfach zum Hemmnis geworden.