Patriotismus in Zimbabwe

Der Prinz legt auf

Musikquoten und patriotische Kurse sollen Zimbabwes Staatspartei helfen, sich an der Macht zu halten.

Eine stabile Struktur staatlicher Politik entstand in den letzten zwölf Jahren in Zimbabwe nicht. Die Nation ist in einem Zustand, der als machiavellischer Moment bezeichnet werden könnte, (...) doch immer noch auf der Suche nach einem Prinzen.« Als Jonathan N. Moyo 1992 mit diesen Worten die politische Krise in Zimbabwe charakterisierte, galt er als einer der schärfsten Kritiker der Zanu PF-Regierung. Acht Jahre später rieben sich seine damaligen Kollegen an der Universität von Harare ungläubig die Augen. Moyo ist inzwischen als Minister für Information direkt dem Präsidenten Robert Mugabe unterstellt.

Der Politologe und Kommunikationswissenschaftler zählt zu den einflussreichsten Beratern des Präsidenten und verantwortet eine Reihe von nationalistischen Kampagnen, mit denen sich die ehemalige Befreiungsbewegung an der Macht halten will. In den Nachrichtensendungen des staatlichen Rundfunks holt Moyo beinahe täglich zum Rundumschlag gegen vermeintliche Verräter, Rassisten und Imperialisten aus. Den südafrikanischen Gewerkschaftsverband Cosatu bezeichnete er vor kurzem als »opportunistisch und unafrikanisch«, weil er sich mit einer Streikaktion der Gewerkschaften in Zim-babwe solidarisiert hatte.

Zimbabwe wird seit der Unabhängigkeit 1980 von der Zanu PF regiert. Konnte sie anfangs auf die breite Unterstützung der Bevölkerung für ein Programm der sozialen Wohlfahrt bauen, hat die Staatspartei heute vor allem in den Städten des Landes stark an Popularität eingebüßt. Die Kritik am postkolonialen Staat beschränkte sich noch Anfang der neunziger Jahre auf akademische und kirchliche Kreise. Doch je mehr soziale Verbesserungen im Zuge der Strukturanpassung seit 1990 wieder zurückgenommen wurden, desto mehr suchten auch Arbeiter und Angestellte mit Streiks und Demonstrationen die Konfrontation mit den Machthabern.

Die nur knapp und mit Gewalt verhinderte Niederlage bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr riss die Zanu PF aus ihrem Dornröschenschlaf. Die staatlich protegierten Landbesetzungen am Anfang des letzten Jahres erwiesen sich als hervorragendes Mittel, ein wichtiges Thema des antikolonialen Guerrillakrieges mit der Bekämpfung des politischen Gegners zu verknüpfen (Jungle World, 19 und 28/00). Mehr als 30 Anhänger der Opposition wurden dabei von Unterstützern der Zanu PF getötet. Repressionen gegen staatsunabhängige Medien sind an der Tagesordnung. Bereits zwei Mal wurde die private Tageszeitung Daily News zum Ziel von Bombenanschlägen, dem letzten Attentat gingen eindeutige Drohungen des Informationsministers Moyo voraus.

Doch die zunehmende Gewalt des Staates gegen Oppositionelle unterschiedlicher Coleur ist nur ein Teil der Strategie, mit der die Zanu PF ihre Macht sichern will. Die Repression geht einher mit einer grotesken Neuauflage der nationalistischen Rhetorik der frühen Jahre. Um gegen die Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) - ein heterogenes Bündnis von Gewerkschaften bis zur weißen Geschäftswelt - zu punkten, greifen Moyo und seine Mitarbeiter tief in die Requisitenkiste des antikolonialen Kampfes. Nicht die strukturelle Wirtschaftskrise, internationale Isolation und veränderte regionale Bedingungen seit dem Ende der Apartheid in Südafrika, sondern fehlender Patriotismus und die schädliche Wirkung westlicher Kultureinflüsse vor allem auf die Jugend seien die eigentlichen Probleme, die es zu beheben gelte.

Die Einschränkung der Berichterstattung ausländischer Korrespondenten, die Zentralisierung des staatlichen Rundfunks und die Festlegung von Quoten für Musik und journalistische Beiträge - 75 Prozent sollen aus Zimbabwe stammen - waren nur erste Schritte in dieser Kampagne. Ende Juli lief der Nationale Jugenddienst an, den in Zukunft alle Anwärter auf Staatsposten oder einen Studienplatz an staatlichen Hochschulen zu durchlaufen haben. Damit soll der konstatierten Dekadenz unter Jugendlichen vorgebeugt werden.

Bislang trainieren Armee, Polizei und staatstreue Kriegsveteranen 1 000 junge Menschen. »In der Orientierungsphase bildet der Stolz auf die Nation den Schwerpunkt. Der Jugend wird beigebracht, die Nationalfahne, die Nationalhymne und die Helden der Nation zu respektieren«, zitierte die Wochenzeitung Zimbabwe Independent einen Sekretär des Ministeriums für Jugend, Gender und Beschäftigung. »Wir wollen, dass sie sich mit Zimbabwe identifizieren (...). Wenn für sie die Zeit kommt, die Nation zu verteidigen, sollten sie wissen, wofür sie sterben.«

Auch in den Dancehall-Discos wird demnächst, geht es nach den Wünschen des Informationsministeriums, zu patriotischen Beats getanzt. Schon seit langem sind die kritischen Texte einheimischer Reggae-Stars wie Thomas Mapfumo, Oliver Mutukudzi und einer neuen Generation von Musikern den Machthabern suspekt. Pünktlich zum Heroes' Day Mitte August erschien eine CD, auf der Landenteignungen und Umsiedlungen als Vollendung des nationalen Befreiungskampfes abgefeiert werden. Jonathan Moyo betätigte sich dabei als Songwriter und komponierte den Titel »All Proud Zimbabweans«.

Der Mythos der antikolonialen Befreiungsbewegung - in der Version der Zanu PF, versteht sich - ist das einzige Thema, das der Staatsklasse in diesem Ringen um die kulturelle Hegemonie verblieben ist. Fast ausschließlich reduziert sie den Inhalt des Guerrillakampfes auf die Landfrage. »Das Niederhalten von sozialen Kräften mit potenziell linken Tendenzen war die einzige Aufgabe der sozialistischen Rhetorik der Zanu«, konstatierte Patrick Bond 1998 in seiner bedeutenden Studie »Uneven Zimbabwe«. Heute gilt das mehr denn je.

Im April des nächsten Jahres sollen in Zimbabwe Präsidentschaftswahlen abgehalten werden. Alles spricht dafür, dass die Schraube der staatlichen Gewalt weiter angezogen wird; die einheimische Presse berichtet bereits über die angeblich bevorstehende Verhängung des Ausnahmezustandes.