Fanny Müller über alles

Im Osten

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Die Kusine ist aus Südamerika zurückgekehrt und hat eine Menge zu erzählen.

Da ging es jedenfalls hoch her!

Mit dem Schulleiter ihrer Kinder an der deutschen Schule allerdings waren sie nicht so ganz zufrieden. Der hat als Erstes einen Mercedes gekauft und für drei Jahre in die Garage gestellt. Danach durfte er den im Lande verkaufen; bis dahin waren da 400 Prozent Zoll drauf. Da hat er dann einen schönen Schnitt gemacht, aber wenn man im Ausland ist, möchte man sich ja auch mal was gönnen.

Was sie nicht so gut fanden: Im Winter hat er alle Öfen aus den Klassenzimmern entfernt - in Südchile ist es manchmal sehr kalt, aber ich sage immer, es ist einem nicht kalt, wenn man nur die richtige Kleidung anhat - und hat sie in seinem Bootshaus wieder aufgestellt, damit seine frischgestrichene Yacht trocknen konnte. Es ist sehr wichtig, dass eine Yacht gleichmäßig trocknen kann, sonst verzieht sich alles, und das sieht nicht schön aus, das konnten letztlich auch die Eltern einsehen. Dass er die Schulbediensteten dazu gebracht hat, sein Wohnhaus zu renovieren und einen Bach mitten durch sein Wohnzimmer fließen zu lassen, konnten sie auch noch gerade tolerieren, immerhin war das ja eine gute Idee und fast schon ökologisch oder was. Und es war zwar traurig, dass einer der Schuldiener, die er dazu abgestellt hatte, seine Pferde einzureiten, dabei zu Tode gestürzt war, aber das waren erwachsene Männer, die wahrscheinlich recht wild mit den Pferden umgegangen waren.

Kurz und gut, er hätte sicher noch endlos so weitergemacht, wenn er nicht blöderweise ein Verhältnis mit der Frau des Schulpräsidenten angefangen hätte. Da ging es ihm an den Kragen. »... und aus dem Chaos sprach eine Stimme zu mir: Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen ... und ich lächelte und war froh und es kam schlimmer.«

Kam es aber nicht wirklich, denn er wurde zurück nach Deutschland versetzt und wurde dort Schulrat. Im Osten.

»Das ist ja noch gar nichts«, sagt Torsten, er sagt immer, wenn ich was Interessantes erzähle: »Das ist ja noch gar nichts« und fängt dann selber an: »In K. ...« Die Geschichte kenne ich schon, von dem Oberbrandmeister, der eine private Öl-Feuerwehr hatte, also, das ging alles auf sein Sparbuch, was die so machten, z.B. umgestürzte Tanklaster, ausgeflossenes Benzin ... der hatte diverse Feuerwehrleute mit gefährlichen Übungsaufgaben betraut, und einer ist dabei abgestürzt ... der Brandmeister hatte Verbindungen in allen Parteien, dem konnte man nichts, aber diesmal doch, und da kam er eben auch in den Osten. (Wo haben wir eigentlich all diese Leute hingesteckt, als wir noch keinen Osten hatten?)

Da hat er wieder dasselbe gemacht, Oberbrandmeister, eigene Öl-Feuerwehr und so weiter. Bloß dass ihm eines Tages eine Frau mit ihrem Fahrrad ins Auto gebrettert ist, die war dann tot. Er hat davon nichts gemerkt, hat aber vorsichtshalber den Wagen ein halbes Jahr lang in der Garage stehen gelassen.

Irgendwie ist es dann doch rausgekommen, und er hat ein Jahr auf Bewährung gekriegt.

So kann es im Leben zugehen, man macht diesen oder jenen Fehler, bereut ihn vielleicht sogar, aber zum Schluss wird alles gut. Oder beinahe. Im Osten.