Österreichische Neonazis außerhalb der FPÖ und des BZÖ

Verbieten gehört verboten

Auch außerhalb der FPÖ und des BZÖ gibt es Neonazis in Österreich. Sie wettern gegen die EU-Mitgliedschaft des Landes und fordern anlässlich eines Prozesses die Abschaffung des Gesetzes zur nationalsozialistischen Wiederbetätigung.

»Großartigster Landeshauptmann«, »außerordent­liches Talent«, »Riesenverlust für die Republik« – in Österreich wird derzeit nicht an Lob für den verstorbenen Jörg Haider gespart. 1995 kam der Oberste Gerichtshof zu einer anderen Einsicht: Er entschied damals, dass es legitim sei, Haider als »geistigen Ziehvater und Ideologen des rechtsextremen Terrorismus« in Österreich zu bezeichnen. Manche Ziehkinder haben sich von den von Haider geprägten Parteien auch heutzutage nicht allzu weit entfernt.
Die rechtsextreme Szene ist seit Jahren auch in den etablierten Parteien FPÖ und BZÖ tätig. Inhaltliche und personelle Überschneidungen zwischen Neonazis und den beiden ehemaligen Regierungsparteien sind in Österreich keine Seltenheit. Insbesondere Personen aus deutsch­natio­na­len, burschenschaftlichen Kreisen werden immer wieder mit wichtigen Funktionen bedacht. So wurde etwa vor kurzem Martin Graf von der FPÖ als Dritter Nationalratspräsident nominiert. Graf ist Mitglied der schlagenden Burschenschaft Olympia, die in den sechziger Jahren wegen na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Wiederbetätigung verboten wurde und sich 1973 neu gründete.
Der FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache kommt selbst aus dem Milieu der Neonazis und findet nichts Anrüchiges daran, früher an Wehrsportübungen im Wald oder an Aktionen der deutschen Wiking-Jugend teilgenommen zu haben. Da verwundert es auch nicht weiter, dass szenetypisch gekleidete Rechtsextreme auf FPÖ-Wahlveranstaltungen in etwa so viel Empörung hervorrufen wie Mitglieder eines Trachtenvereins auf einem CSU-Parteitag.

Dennoch existiert eine Reihe von Gruppen, die die etablierten rechten Parteien nur als das geringste Übel im verhassten System ansehen. Derzeit richten diese rechtsextremen Organisationen ihre Propaganda vor allem gegen das so genannte Verbotsgesetz, das seit 1947 die nationalsozialistische Wiederbetätigung in Österreich unter Strafe stellt, und gegen Österreichs Mitgliedschaft in der EU. Das vermeintliche Eintreten für die Meinungsfreiheit, als das die Neonazis ihren Kampf gegen das Verbotsgesetz ausgeben, hat ganz praktische Gründe. Derzeit stehen z.B. vier mutmaßliche Mitglieder des »Bundes freier Jugend« (BfJ) und der Vorsitzende der »Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik« (AfP) wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung vor Gericht. Vorgeworfen wird ihnen der Aufbau einer nationalsozialistischen Organisation. Das Programm des BfJ sei »vielfach deckungsgleich mit dem der NSDAP«, die Organisation stelle eine »direkte Neuschöpfung der Hitlerjugend« dar, sagt die Staatsanwaltschaft. Im Gesetz ist im Falle einer Verurteilung eine Haftstrafe von zehn bis zwanzig Jahren, in besonders schweren Fällen sogar lebens­länglich vorgesehen.
Der BfJ ist die Jugendorganisation der AfP und trat 2003 erstmals unter diesem Namen in Erscheinung. Von Anfang an setzten die Mitglieder auf öffentlichkeitswirksame Aktionen, hielten Kundgebungen und Demonstrationen ab oder ver­teilten Flugblätter. Des Weiteren organisierten sie regelmäßig Veranstaltungen mit bekannten Revisionisten und Neonazis aus ganz Europa. Immer wieder zieht es die »freie Jugend« auch in die Natur. Auf Sonnwendfeiern oder Sommerfesten können sich die Jungnazis an völkischem Liedgut erfreuen oder beim »germanischen Raufball« ihre Körper ertüchtigen.
Seit der Verhaftung dreier BfJ-Kader im März 2007 und dem darauf folgenden Prozess ist die Gruppe zwar etwas vorsichtiger geworden. So erfolgen Auftritte nicht mehr unter dem Namen BfJ. Die Beteiligten treten lieber ganz allgemein für »Meinungsfreiheit und Patriotismus« ein. Die Neonazis sind allerdings immer noch äußerst umtriebig und haben einen erstaunlich gut funktionierenden Propagandaapparat in Gang gesetzt. Tausende Flugblätter und Plakate wurden in den vergangenen Monaten in Umlauf gebracht, eine beinahe täglich auf den neuesten Stand gebrachte Homepage informiert über den »Patrioten-Prozess«.

Die derzeitige Kampagne rund um den Prozess zielt nicht nur auf einen erhofften Freispruch. Das Verbotsgesetz als solches soll abgeschafft werden. Der Anwalt der Angeklagten, Herbert Schaller, gilt als einer der prominentesten Gegner dieses Gesetzes innerhalb der rechtsextremen Szene. Nahezu immer wenn in Österreich ein Prozess wegen Wiederbetätigung geführt wird, tritt er als Strafverteidiger an. 2006 nahm der 86jährige auch an Mahmoud Ahmadinejads Holocaustleugner-Konferenz in Teheran teil. Er vertrat dort den österreichischen Neonazi Gerd Honsik, der sich nach einer Verurteilung nach Spanien abgesetzt hatte und deshalb nicht selbst in den Iran reisen konnte. Mitt­ler­weile wurde Honsik von Spanien ausgeliefert und sitzt in Österreich eine 18 Monate dauernde Haftstrafe ab.
Neben Schaller und der AfP widmen sich noch weitere Gruppen dem Kampf gegen das Gesetz. Insbesondere Burschenschafter beklagen sich immer wieder über den »Gesinnungsterror«, der ihrer Ansicht nach von dem Gesetz ausgeht. Auch die im Frühling gegründete Nationale Volkspartei (NVP), eine Kleinstpartei, die sich an der NPD orientiert, tritt gegen das Verbotsgesetz auf. Wichtig ist ihr auch der sofortige Austritt Österreichs aus der EU. Diese Forderung wird auch von nahezu allen anderen rechtsextremen Gruppierungen erhoben.
Die Ablehnung der EU stellt einen wichtigen Anknüpfungspunkt zur bürgerlichen Rechten dar. Im März zeigte sich diese Verbindung deutlich. Auf Einladung des nationalistischen Bündnisses »Neutralität retten: Nein zum EU-Vertrag!« versammelten sich mehr als 5 000 Menschen in der Wiener Innenstadt. Unter die Demonstranten mischten sich etwa 300 erkennbare Rechtsextreme, darunter einige Szenegrößen wie Gottfried Küssel, der 1993 wegen Wiederbetätigung zu zehn Jahren Haft verurteilt und 1999 vorzeitig entlassen worden war.

Für österreichische Verhältnisse war die Zahl der teilnehmenden Neonazis außergewöhnlich hoch. Diese traten in zwei Gruppen in Erscheinung. Die eine sammelte sich hinter dem Banner der NVP, die andere marschierte als »schwarzer Block« mit Parolen wie »Wir sind das Volk« oder »Freiheit für Gerd Honsik«. Einschlägige rechtsextreme Internetseiten hatten angeblich auf ausdrücklichen Wunsch des Bündnisses für die Demonstration aufgerufen und werteten sie im Nachhinein als großen Erfolg. Die größte Tageszeitung, die Krone, war sich in der Nachbetrachtung mit den Neonazis einig und jubelte ebenfalls über die Kundgebung der EU-Gegner. Es wäre nicht Österreich, wenn sich nicht auch die Funktionäre von FPÖ und BZÖ in den obskuren Aufmarsch eingereiht hätten. Mit den Mitstreitern aus der NVP und »national-autonomen« Kreisen hatte man dabei erwartungsgemäß kein Problem.