Militante Rechte als VS-Spitzel

Versiegende Quellen

In Ostdeutschland sind erneut militante Rechte als VS-Spitzel enttarnt worden.

Was war er denn nun? Eine Topquelle des Verfassungsschutzes oder doch der Doppelspieler mit Wissen seiner Gesinnungsgenossen? Soviel ist klar: Der Neonazikader Carsten Szczepanski aus Königs Wusterhausen bei Berlin hat jahrelang für den brandenburgischen Verfassungschutz gearbeitet. Seit 1994 lieferte er der Behörde Informationen über regionale wie bundesweite rechtsextreme Zusammenhänge. Vor zwei Wochen dann schaltete der VS seine Quelle »Piato« offiziell ab, einige Tage später machte er das öffentlich bekannt. Doch viele Fragen, die sich um Szczepanskis Spitzeldienste drehen, bleiben weiter offen.

Immer wieder hatte der Verfassungsschutz betont, wie wichtig direkte Informanten innerhalb des rechtsmilitanten Spektrums seien. Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) versicherte, dass die Parlamentarische Kontrollkommission bereits 1997 über »Piatos« Tätigkeit informiert wurde. Jetzt suchen die Beamten nach Gründen, um die jahrelange Zusammenarbeit mit dem Neonazi-Kader plausibel erscheinen zu lassen.

Das dürfte schwer werden. Denn der heute 29jährige war seit Jahren in militanten Neonazikreisen aktiv und verfügt zudem über beste internationale Kontakte. Auch Antifas ist er nicht unbekannt: Anfang der neunziger Jahre wohnte der Westberliner mit Andreas Pohl, einem früheren Spitzenkader der mittlerweile verbotenen Nationalistischen Front (NF), bevor er nach Königs Wusterhausen zog. In der Nähe der brandenburgischen Kleinstadt inszenierte er im September 1991, zusammen mit Dennis Mahon, dem damaligen Anführer der US-amerikanischen Knights of the Ku-Klux-Klan, eine Kreuzverbrennung vor laufenden RTL-Fernsehkameras. Szczepanskis Versuch, sich als Führer einer deutschen KKK-Struktur zu etablieren, scheiterte, doch beim Aufbau der NF in Königs Wusterhausen und Umgebung war er um so erfolgreicher: Bis heute gilt der Ort als Hochburg militanter Neonazis.

Im Mai 1992 führte Szczepanski rund 20 Nazi-Skins an, die in einer Diskothek bei Wendisch-Rietz den nigerianischen Asylbewerber Steve Erenhi vor den Augen der DiskobesucherInnen unter »Sieg Heil« und »Ku-Klux-Klan»-Rufen zunächst zusammenschlugen und schließlich in einem nahegelegenen See warfen. Erenhi überlebte nur, weil ihn der Türsteher rechtzeitig aus dem Wasser ziehen konnte. Die Ermittlungsbehörden hatten es nicht eilig bei der Suche nach den Tätern: Szczepanski wurde erst im Frühjahr 1994 festgenommen und im Februar 1995 vom Landgericht Frankfurt/Oder wegen »versuchten Mordes« zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt.

Schon vor seiner Verurteilung hat Szczepanski monatlich bis zu 1 000 Mark vom brandenburgischen VS erhalten. Die Gegenleistung: »Piato« lieferte regelmäßige Lageberichte aus der Szene. Um den Kontakt zu den Kameraden weiterhin halten zu können, erhielt der Nazi-Schläger schon nach kurzer Haftzeit einen Status als Freigänger. Dadurch wurde ihm ermöglicht, das von ihm herausgegebene Skinzine United Skins weiterhin kontinuierlich herstellen und vertreiben zu können.

»Piatos« Informationen waren für die Justiz allerdings nicht immer verwertbar: In dem Prozess wegen des Brandanschlags auf das Asylbewerberheim in Dolgenbrodt sollte »Piato« gegen den Hauptverdächtigen Silvio Jankowski aus seiner alten NF-Clique aussagen. Doch die Staatsanwältin musste vor Gericht einräumen, dass sie Szczepanski für seine Aussagebereitschaft Straferlaß angeboten hatte.

Nach der Prozess-Panne tauchte Szczepanski kaum mehr öffentlich auf. Doch nach dem Ende seiner Haft 1999 nahm er in Königs Wusterhausen erneut eine Führungsrolle in seinem alten Umfeld ein - jenen militanten Neonazikreisen, die inzwischen bei der NPD untergeschlüpft waren. Der V-Mann schaffte es bis zum Kreisvorsitzenden. Parallel dazu mischte Szczepanski offenbar beim Aufbau rechtsterroristischer Strukturen mit: Er soll zum Umfeld der Nationalrevolutionären Zellen gehören, die im vergangenen Jahr in der Neonazi-Zeitung Hamburger Sturm den Aufbau von terroristischen Untergrundstrukturen propagierten. Auch soll Szczepanski intensive Kontakte zu neonazistischen Terrororganisationen in Schweden und Großbritannien gepflegt haben.

Kenner der Szene fragen sich nun, ob »Piato« - mit dem Wissen seiner Kameraden - ein Doppelspiel getrieben hat. Abwegig ist das nicht, obwohl die rechtsextreme »Gefangenenorganisation« HNG und die Nationalen Infotelefone zunächst mit Fahndungsaufrufen reagierten. Erst vorige Woche wurde bekannt, dass auch der ehemalige Stralsunder NPD-Kreisvorsitzende Matthias Meier über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren Informationen an den mecklenburgischen Verfassungsschutz geliefert hatte, abgesegnet von führenden NPD-Kadern.

Szczepanski hingegen könnte schon vor 1994 im Dienst des Bundesamtes für Verfassungschutz gestanden haben. Anfang der neunziger Jahre hatte die Bundesbehörde noch wenig Vertrauen in die gerade aufgebauten Landesämter, in Brandenburger Gefängnissen versuchten sie sich an der direkten Anwerbung von Aktivisten, um Zugang zur Szene zu erhalten.

Das Ende der Quelle »Piato« sorgt aber nicht nur innerhalb des brandenburgischen Staatsschutzes für Nachbeben: Neben der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen hochrangigen Polizeibeamten, der die Identität »Piatos« angeblich enthüllt haben soll, wurden letzte Woche die Wohnungen mehrerer nicht-rechter Jugendlicher in Königs-Wusterhausen von der Polizei durchsucht. Und nachdem die Märkische Allgemeine Zeitung berichtete, dass sich ein Polizeibeamter gegenüber einer Frau aus der linken Szene »verquatscht« habe, wurde diese am darauffolgenden Tag von bisher unbekannten Tätern angegriffen und verletzt.