Elvira

»Kapitalismus? Keine Zukunft!«

Tolle Aussichten! Den endgültigen Zusammenbruch des Kapitalismus haben die Linken zwar mit schöner Regelmäßigkeit, viel Theorie, aber umso weniger Erfolg prognostiziert, doch im nächsten Millennium wird es wirklich Ernst. Spaß macht auch der Untersuchungsausschuss, Helmut Kohl muss sich keine Sorgen machen. Die Feuerwehr in Bonn allerdings schon.

Bereits mit 20 Jahren empfing die heute 42jährige Elvira Visionen aus der Zukunft. Die Wahrsagerin, die unter dem bürgerlichen Namen Elvira Neske in Berlin lebt, arbeitete als Verkäuferin, bevor sie sich entschloss, hauptberuflich hellzusehen. Für Jungle World hat sie das Pendel bewegt und die Karten befragt.

Was erwartet uns im Jahr 2000?

Im März wird sehr viel Eis vom Himmel fallen. Das wird nicht nur Schnee, sondern es werden richtig große Brocken sein. Die Temperatur wird im Juni bei ungefähr 26 Grad liegen, im Juli um die 30 und im August um die 31 Grad. Außerdem wird es in Deutschland ein großes Unglück geben, verursacht durch die Wissenschaft.

Können Sie da schon Genaueres sehen?

Es könnte sich dabei um einen Kernreaktor oder sowas in der Richtung handeln. Ich habe natürlich versucht herauszufinden, wo sich das abspielen wird. Aber zu dem Ort des Unglücks kriege ich keine konkrete Antwort. Es wird ein großes Feuer entstehen, das bis Bonn reichen wird.

Da wird es Helmut Kohl ja nicht mehr treffen, weil der in der neuen Hauptstadt sitzt. Muss er sich trotzdem Sorgen machen über die Folgen der Spenden-Affäre? Wird der CDU-Ehrenvorsitzende gar wegen Untreue für ein paar Jahre ins Gefängnis müssen?

Nein, davon bleibt er verschont. Das versuchen zwar einige Leute, die was gegen ihn haben. Aber deren Plan klappt nicht. Wie es mit der Spenden-Affäre weitergehen wird, kann ich nicht sagen. Ich habe mit meinem Pendel gesprochen, aber da kommen nur konfuse Dinge raus. Bevor ich was Falsches sage, sage ich dann lieber gar nichts.

Gab es bereits große Ereignisse, die Sie erfolgreich voraussagen konnten?

Ja, 1994, als ich noch in Spandau wohnte, habe ich dem Bezirksbürgermeister vorausgesagt, dass er nicht wieder gewählt wird. Damals hat die Presse noch über mich gelacht. Ein Jahr später wurde der Bürgermeister abgewählt.

Sie stellen also auch politische Prognosen?

Ungern, die Politik ist eigentlich nicht so mein Fall. Für den Tagesspiegel habe ich jetzt die Wahlen vorausgesagt. Aber die wollen immer gleich Zahlen haben. Zahlen sind aber leider etwas schwierig vorherzusehen. Aber ich wusste, dass Eberhard Diepgen Berlins Regierender Bürgermeister bleiben wird.

Was tut sich in der Wirtschaft? Kommt es 2000 zum großen Börsenkrach, platzt die Finanzblase, und übersteht der Kapitalismus das nächste Millennium?

Auch zum Kapitalismus habe ich mein Pendel befragt. Dabei habe ich als Antwort nur zwei Wörter erhalten: Keine Zukunft! Mehr nicht.

Diesen Blick in die Zukunft haben Sie mit vielen unserer politischen Visionäre gemein. Wie haben Sie eigentlich herausgefunden, dass Sie über hellseherische Fähigkeiten verfügen?

Ungefähr mit 20 habe ich da ein Interesse entwickelt. Ein paar Jahre später habe ich bei einer Geisterbeschwörung eine Vision gehabt. Alle anderen haben nur etwas gehört, aber ich habe auch was gesehen. Da wusste ich, dass ich diese Fähigkeit weiter ausbauen muss.

Sicher hat diese Gabe auch was mit Erbanlagen zu tun. Meine Oma konnte mit Verstorbenen reden. Und nicht nur das: Sie konnte sogar mit der Stimme von Verstorbenen reden. Das kann ich allerdings nicht.

Sie arbeiten vor allem als Kartenlegerin. Wie spielt sich denn eine typische Sitzung bei Ihnen ab?

Die meisten Wahrsager berechnen einen Stundenlohn. Aber ich nehme mir die Zeit für meine Klienten, die nötig ist, um ihre Probleme zu lösen. Ich lege die Karten für einen Festpreis von 150 Mark, egal, wie lange es dauert, egal, wie viele Fragen der Klient an mich hat. Ich lege so lange, bis es keine Fragen mehr gibt. Das kann 20 Minuten oder fünf Stunden dauern.

Welche Leute wenden sich mit welchen Fragen an eine Hellseherin?

Das geht durch alle Schichten, vom Sozialhilfeempfänger bis zum Millionär. Die kommen mit all ihren Sorgen zu mir, ob es nun Partnerschaftsprobleme, Geldprobleme oder gesundheitliche Probleme sind. Jeder, der wissen will, was auf ihn zukommt, ruft mich einfach an. Wir machen einen Termin, und dann wird die Sache geregelt.

Indem Sie den Leuten die Zukunft voraussagen?

Ich versuche zu helfen. Man kann das so erklären: Wenn ich sehe, dass von rechts ein Auto kommt, sage ich zu meinem Klienten, er soll links gehen. Geht er dann trotzdem rechts, dann muss er damit rechnen, dass er eventuell einen Unfall hat.

Ohne Ihre Karten sehen Sie aber nichts.

Manchmal habe ich auch meine Visionen. Ansonsten mache ich auch Pendel-Diagnosen. Das geht entweder über einem Brett mit Buchstaben. Da lässt man das Pendel von Buchstabe zu Buchstabe wandern, bis man ein ganzes Wort hat. Man kann aber auch über dem Körper pendeln und auf diese Weise gesundheitliche Probleme finden. Ich habe schon bei komplett angezogenen Patienten Stellen gefunden, wo diese mal operiert worden waren. Mitunter habe ich auch schon bei der Polizei angerufen und konnte da weiterhelfen. Nur leider wird man auch dort als Wahrsager oder Hellseher oft belächelt.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie eine bestimmte Frage an die Zukunft haben?

Das mache ich entweder mit dem Pendel, oder ich habe meine Visionen. Dazu braucht man vor allem sehr viel Ruhe und Konzentration. Da darf man nicht im Hinterkopf auch noch den Einkaufszettel haben. Man muss absolut abschalten und ein Vakuum im Kopf erzeugen. Dann muss ich mich auf die Frage konzentrieren.

Manchmal kommen auch einfach kurze Bilder, die ich dann mit dem Pendel hinterfrage. Oder ich gehe in eine Art Trance, um die Bedeutung dieser Bilder zu begreifen.

Haben Sie eine Ahnung, wo die Infos herkommen? Wer oder was ist das, der Ihnen da was mitteilt?

Das weiss ich auch nicht so genau. Im Pendel habe ich einen Schutzgeist. Jeder hat ja so ein Geistchen bei sich. Der eine hat Angst davor, der andere nicht. Aber wenn man da etwas Gutes bei sich hat, dann kann man damit auch kommunizieren.

Sie kennen also Ihre weitere Zukunft.

Eine Wahrsagerin ist meistens auch nicht ehrlich zu sich selbst. Und wenn sie sich selbst die Karten legt, dann sieht sie nur lauter bunte Bilder und sonst überhaupt nichts. Deswegen gehe ich in solchen Fällen zu meinem neuen Ehemann. Den habe ich damals selber angelernt. Ansonsten würde ich natürlich auch zur Konkurrenz gehen, wenn ich vor irgendetwas Angst hätte. Aber Angst braucht man eigentlich nicht zu haben, wenn man genug Schutzgeister bei sich hat.

Was ist schief gelaufen, wenn sich eine Wahrsagerin mal irren sollte?

Es kann auch von meinen Vorhersagen das eine oder andere mal nicht eingetroffen sein. Das liegt dann aber daran, dass jemand nach meinen Prognosen gehandelt hat. Denn, wenn man die Zukunft kennt, dann kann man sie ja auch verändern. Das ist mein Leitsatz.

Und was machen Sie sonst so, außer Hellsehen?

Ich lebe ein ganz normales Leben. Stehe morgens auf, trinke Kaffee, bringe das Kind in die Schule. Meinen Beruf als Verkäuferin habe ich aufgegeben, als ich mich dazu entschieden habe, hauptberuflich als Kartenlegerin zu arbeiten.

Ist es nicht manchmal auch unangenehm, alles schon vorhersehen zu können?

Mitunter ist es auch eine große Last. Ich habe einmal meinem Bruder gesagt, dass er nicht in den Urlaub fahren soll. Er hat mich nur als Hexe verlacht und ist trotzdem verreist. Aus dem Urlaub kam er tot zurück. So ist das mit den Leuten, die nicht glauben wollen.