Malaysia als Global Player

Asienpfanne XII: Premier Mahathirs eigener Weg der Krisen-Verwaltung brachte keine größeren Erfolge als die Patentrezepte des IWF.

Weiter wie bisher: Knapp zweieinhalb Jahre nach Ausbruch der schwersten Währungs- und Wirtschaftskrise in Malaysia seit der Unabhängigkeit hat sich die Regierungskoalition bei den Wahlen Ende November erneut eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Mandate im Parlament gesichert, unter Führung ihres seit 18 Jahren amtierenden Premierministers Mahathir Mohamad. Weit reichende politische Konsequenzen mit einem Machtwechsel, wie sie die am schwersten von der Währungskrise betroffenen Nachbarländer Thailand und Indonesien erlebten, bleiben der herrschenden Elite des Landes somit vorerst erspart.

Das politische System Malaysias beruht quasi-feudalen Klientelbeziehungen zwischen Politikern und Bevölkerung, auf Spaltung nach so genannten Ethnien - chinesisch, indisch und malaiisch -, auf legalisierter Einschränkung der Grundrechte, auf Korruption und Vetternwirtschaft in Staat und Wirtschaft sowie weitgehender Kontrolle der Medien. Trotz wachsender Forderungen nach mehr Demokratie und Gerechtigkeit gegen Korruption und Vetternwirtschaft hat sich das System wieder einmal legitimiert.

Malaysia, ein föderaler Staat in Südostasien mit 21 Millionen Bewohnern und einer Wahlmonarchie, erlebte in der zweiten Jahreshälfte 1997 einen Währungsverfall der Landeswährung Ringgit gegenüber dem US-Dollar um fast 100 Prozent. Massenhaft in den Vorjahren im Ausland gemachte kurz- und mittelfristige Anleihen in US-Dollar hatten sich damit entsprechend verteuert.

Noch im Herbst 1998 war bei 33 Prozent der Anleihen - im Gesamtvolumen von 35 Milliarden US-Dollar - unklar, ob sie jemals zurückgezahlt werden können. Einige Banken mussten schließen bzw. Zwangsfusionen zustimmen, viele Großunternehmen standen vor dem Bankrott und konnten ohne staatliche Unterstützung und Garantien nicht mehr überleben. Wegen des starken Zinsanstiegs waren auch wirtschaftlich »gesunde« Unternehmen betroffen, denn sie konnten sich keine kurzfristigen Zwischenfinanzierungen zur Aufrechterhaltung des Betriebes mehr leisten.

Schlimmer noch erging es den Nachbarländern Thailand und Indonesien, wie auch Hongkong und Südkorea. Weniger stark betroffen waren Singapur und die Philippinen. Deshalb hierzulande aus eurozentrischer Sicht von Asien-Krise zu sprechen, geht an der Sache vorbei. Es gibt weder etwas spezifisch »Asiatisches« an den Wirtschaftskrisen dieser Länder - so wenig wie es vorher ein asiatisches Wirtschaftswunder gegeben hat -, noch steckt etwa der größte Teil Asiens in einer Krise. Die betroffenen Länder und mit ihnen Malaysia tragen die Konsequenzen der Übernahme des kapitalistischen Wachstumsmodells und insbesondere ihrer erfolgreichen Integration in die internationalen Finanzmärkte. Diese erwiesen sich als überaus krisenanfällig, nachdem der massive Kapitalüberschuss in den entwickelten Industrieländern, vor allem Japan, seit den achtziger Jahren sie erheblich vergrößerte.

Die Konsequenzen dieser Entwicklung machten sich in Malaysia am stärksten in Bau- und Finanzwirtschaft bemerkbar. Eine große Anzahl der Beschäftigten in der Bauwirtschaft musste entlassen werden, insbesondere ausländische Arbeitskräfte aus Indonesien, Bangladesch, Indien und anderen Ländern, von denen über zwei Millionen legal und illegal im Land leben. Viele wurden inzwischen ausgewiesen.

Mit der Verteuerung der Importe konnten Investitionsgüter aus dem Ausland sowie Zulieferungen für die weiterverarbeitende Industrie nicht mehr finanziert werden, und nur noch wenige konnten sich importierte Konsumgüter leisten.

Anders als viele Beobachter befürchtet hatten, war es seit Ausbruch der Krise nicht zu verschärften Spannungen zwischen Malaien und Nicht-Malaien gekommen. Dafür wuchsen die schon seit längerer Zeit schwelenden politischen Spannungen innerhalb der malaiischen Partei Umno, die die Regierungskoalition Barisan Nasional (Nationale Front) anführt. Zwischen Mahathir und seinem - ehemals von ihm protegierten - Stellvertreter und Finanzminister, Anwar Ibrahim, kam es über die richtige Strategie zur Krisen-Bewältigung zu einem Zerwürfnis. Obgleich der malaysische Staat keine Kredite vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bekam und die Zahlungsfähigkeit aus eigenen Mitteln aufrechterhalten konnte, orientierte sich Anwar an den vom IWF empfohlenen Maßnahmen, u.a. Liberalisierung und Öffnung der einheimischen Märkte, Abbau staatlicher Investitionen.

Aber Mahathir änderte den Kurs: Mit der Kontrolle der Kapitalbewegungen und der Festschreibung des Wechselkurses zum US-Dollar am 2. September 1998 entließ er Anwar aus der Regierung und veranlasste als Parteichef seinen Ausschluss aus der Umno. Vierzehn Tage später wurde Anwar nach dem Gesetz zur Inneren Sicherheit verhaftet und später wegen Hochverrats und Homosexualität angeklagt.

In den folgenden Monaten bis weit in dieses Jahr hinein erlebte Malaysia unter der Losung reformasi die wohl größten Demonstrationen gegen die Regierung, die vor allem von der Bevölkerungsmehrheit der Malaien getragen wurden. Trotz Repressionen, Verhaftungen, Einschüchterungsversuchen und Diffamierungen durch die Medien formierte sich erstmals auch ein organisiertes Oppositionsbündnis. Drei Oppositionsparteien, die islamisch orientierte, malaiische PAS, die chinesisch dominierte DAP und die kleine Volkspartei PRM schlossen sich mit der neu gegründeten Partei der Anhänger von Anwar Ibrahim zusammen. Noch rechtzeitig vor den Wahlen am 29. November trat das Bündnis, Barisan Alternatif, mit einem recht umfangreichen, gemeinsamen Manifest an die Öffentlichkeit.

Mahathirs Weg zur Bewältigung der Wirtschaftskrise hat keine größeren Erfolge gezeitigt als die vom IWF verschriebenen Maßnahmen in den anderen betroffenen Länder. Die Festschreibung des Wechselkurses hat 14 Monate nach Beginn der Talfahrt des Ringgit nichts mehr gebracht, denn das spekulative Kapital war längst außer Landes, und es wurden lediglich diejenigen ausländischen Investoren getroffen, welche langfristig Geld in Malaysia investiert hatten oder anlegen wollten. Kapital aus dem Ausland will die Regierung aber eigentlich anlocken.

Die Währungen aller anderen betroffenen Länder haben sich inzwischen stabilisiert und sind heute stärker gegenüber dem US-Dollar als im September 1998. Mit der Festschreibung des Wechselkurses hat sich für Malaysia seitdem nichts verändert. Beobachter sprechen inzwischen von einer Unterbewertung des Ringgit. Durch den Wechselkurs sind die Exporte Malaysias allerdings günstiger geworden. Sie konnten für Rohstoffe wie Öl und Holz gesteigert werden, während die Importe stark abnahmen, was zu einen Außenhandelsüberschuss führte.

Gemessen an der Entwicklung der Wirtschaftswachstumsrate und des Börsenindexes von Sommer 1997 über September 1998 bis heute schneidet Malaysia keineswegs besser ab als die anderen betroffenen Länder. Noch im ersten Quartal 1999 schrumpfte die Wirtschaft um 1,5 Prozent und erst im zweiten Quartal wuchs sie um 4,1 Prozent.

Manche »Anti-Imperialisten« mögen die Maßnahmen der Regierung Malaysias in Abgrenzung zur vom IWF empfohlenen Politik als fortschrittliche und mutige Haltung gegen die Unterwerfung aller Länder unter das neoliberale kapitalistische Weltwirtschaftssystem missverstanden haben. Mahathir versteht es schon lange, mit einer »antikolonialen« Rhetorik die Stellung des Landes als global player auszubauen. Es handelt sich hierbei aber nicht etwa um - zweifelhafte - taktische Manöver einer »Volksregierung«, sondern um die Absicherung der eigenen transnationalen Konzerne.

Die organisierte Formierung der politischen Opposition verzeichnet durch den Zuwachs von 30 auf 45 Mandate im Parlament zwar kleine Erfolge, was ihr vielleicht ein wenig mehr Gehör in der Gesellschaft verschaffen könnte. Aber auch sie hat, wie weltweit viele Oppositionsparteien, über Forderungen nach mehr Demokratie hinaus keine weiter reichenden »alternativen« Vorstellungen, die realistisch eine Subsumierung ihres Landes unter die Kapitallogik zurückdrängen könnten.