Gefährliche Orte: Ost-Timor

Suhartos 27. Provinz

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Wahlzettel statt Waffen - der Versuch, Ost-Timor zu befrieden, ist von den pro-indonesischen Milizen auf ihre Art beantwortet worden: Euch die Wahlzettel, uns die Waffen. Und die gehören in der ehemaligen portugiesischen Kolonie zur Tagesordnung.

Im Jahr 1520 fielen die Portugiesen auf der nördlich Australiens gelegenen Insel Timor ein; ihnen folgten rund 80 Jahre später die ersten niederländischen Handelsschiffe, die an der Westküste ihre Stützpunkte ausbauten. Nach zahlreichen Aufständen gegen die Kolonisatoren wurde Timor schließlich 1904 in zwei Hälften aufgeteilt. Der westliche Teil der Insel fiel an die Niederlande, die ihre Vormacht im indonesischen Archipel längst etabliert hatten. Der Osten hingegen wurde unter die Herrschaft Portugals gestellt.

Nach den Japanern, die Timor 1942 überfielen, kehrten 1945 die Portugiesen zurück. Die West-Timoresen hingegen wurden am 17. August 1945 mit der indonesischen Unabhängigkeitserklärung von der niederländischen Kolonialherrschaft befreit - um sich fortan als Teil des neuen Staates Indonesien wiederzufinden.

Die sogenannte Nelkenrevolution in Portugal (1974) stärkte auch die anwachsende antikoloniale Bewegung in Ost-Timor. Im Mai 1975 kam es erstmals zu Wahlen auf Dorfebene, die die Revolutionäre Front für die Unabhängigkeit Ost-Timors (ASDT, später umbenannt in Fretilin) vor der Demokratischen Union von Timor (UDT), die sich für eine Föderation mit Portugal einsetzte, gewann. Drei Monate später putschte die UDT gegen Fretilin, während des folgenden dreiwöchigen Bürgerkriegs zog sich die portugiesische Kolonialverwaltung zurück. Fretilin ging im September als Sieger aus den Auseinandersetzungen hervor und beherrschte de facto das Territorium.

Ende 1975 jedoch marschierten indonesische Truppen in Ost-Timor ein. Entgegen einer Aufforderung des Uno-Sicherheitsrats, die Einheiten abzuziehen, erklärte die indonesische Regierung am 17. Juli 1976 Ost-Timor zur 27. Provinz des Inselreichs. Fretilin rüstete sich für einen Guerilla-Krieg gegen Indonesien, der nur von März bis Juli 1983 durch einen Waffenstillstand unterbrochen wurde. Im August 1983 startete die indonesische Armee eine neue Offensive. Die Fretilin nahm den Guerilla-Krieg wieder auf und vereinigte sich 1986 mit allen gegen die Annexion arbeitenden Parteien im Nationalen Rat des Maubere-Widerstandes (CNRM).

Mindestens 200 000 Menschen, in der überwiegenden Mehrzahl Ost-Timoresen, gelten als Opfer des nun seit 1975 andauernden Krieges. Die meisten von ihnen starben an indirekten, aber wohlkalkulierten Kriegsfolgen wie Hunger und Krankheiten. Aber auch bei Massakern der indonesischen Armee kamen Tausende Bewohner Ost-Timors zu Tode. Allein am 12. November 1991 wurden auf dem Santa-Cruz-Friedhof in der ost-timoresischen Hauptstadt Dili mehr als 270 Menschen ermordet.

Erst die Aufstände während der ökonomischen Krise, die Indonesien 1997/98 erfaßte, führten schließlich zum Sturz des damaligen indonesischen Präsidenten und Diktators Suharto. Sein Nachfolger Habibie kündigte im Mai dieses Jahres an, in Ost-Timor ein Referendum über Unabhängigkeit oder Autonomie innerhalb Indonesiens zuzulassen. Nach den Wahlzetteln folgen nun wieder die Waffen.