Streit um die Richtung der NPD in Bayern

Watschen unter Kameraden

Nach der Landtagswahl in Bayern gibt es Streit beim Landesverband der NPD um die Richtung in der Partei. Auch in anderen Bundesländern kracht es.

Unter konspirativen Umständen fuhren am Sonn­tag, dem 9. November, gut 150 Funktionärinnen und Funktionäre der NPD zum Landesparteitag ins niederbayerische Simbach bei Landau. Beim Fahneneinzug saßen sie noch friedlich beieinander. Aber danach entwickelte sich das Treffen zu dem, was die NPD später in einer Pressemittei­lung schönzureden versuchte, indem sie es einen »kontroversen Parteitag« nannte.

Dem Ordnungsdienst unter Manfred Börm war es offenbar zu verdanken, dass es im Saal nicht zu Prügeleien kam. Der vor allem von der ober­pfäl­zi­schen Kameradschaft »Urd & Skuld« gestellten Truppe gelang es jedoch nicht, die zornig abziehenden NPD-Delegierten außerhalb des Gebäudes zu kontrollieren. In den einschlägigen Internetforen wurde entrüstet vom »Reifenaufstechen« auf dem Parkplatz berichtet.
Vor allem bei aus Franken angereisten extremen Rechten rief das Scheitern eines kleinen Putschversuchs Enttäuschung hervor. Der Würzburger Internet-Antiquar Uwe Meenen war zum wiederholten Mal gegen Amtsinhaber Ralf Ollert bei der Wahl des NPD-Landesvorsitzenden angetreten und knapp gescheitert. Meenen, bisher als stellvertretender Landesvorsitzender und unterfränkischer Bezirks­vorsitzender tätig, fiel in den vergangenen Jahren vor allem aufgrund seiner Zusammenarbeit mit dem Holocaustleugner Horst Mahler im »Deut­schen Kolleg« sowie als Käufer von Immobilien im ganzen Bundesgebiet auf.
Auch der Plan des mittelfränkischen NPD-Bezirksvorsitzenden Matthias Fischer, sich zum stellvertretenden Landesvorsitzenden wählen zu lassen, schlug fehl. Fischer kommt aus den Reihen der »Freien Kameradschaften« und trat im Jahr 2004 in die Partei ein. »Aryan hope« hat sich der gelernte Maler, der aktiv in der Rechtsrock- und NS-Black-Metal-Szene ist, in die Kopfhaut tätowieren lassen. Auf einem Konzert des internationalen Netzwerks »Blood & Honour« im vorigen Jahr in Budapest filmten Journalisten mit versteckter Kamera, wie Fischer mit erhobenem rechten Arm vor der Bühne stand. Der oberbayerische »Liedermacher« Manfred »Edei« Edelmann sang dort Coverversionen der Neonaziband »Kommando Freisler« mit Textzeilen wie »In Majdanek, in Majdanek, da machen wir aus Juden Speck«. Im NPD-Landesvorstand musste sich Fischer damals recht­fertigen, dem Vernehmen nach soll ihn nur Uwe Meenen verteidigt haben. Der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt sprach gegen »Edei« ein Auftrittsverbot bei NPD-Veranstaltungen aus. Matthias Fischer ließ den Sänger dennoch beim »Eu­ropa-Tag« der Jungen Nationaldemokraten (JN) erneut auftreten.
In diesem Jahr wurde Fischer zum Landesvorsitzenden der NPD-Jugendorganisation gewählt. Mit dem Vorstand der bayerischen NPD liegen er und Meenen schon länger im Clinch: Im Juni organisierten sie in Konkurrenz zum »Bayerntag« den »Frankentag«, der gleichzeitig stattfand.

Die NPD, gebeutelt durch den Unterschlagungsskandal um ihren ehemaligen Bundesschatzmeister Erwin Kemna, wird trotz oder wegen ihrer Erfolge auch andernorts von parteiinternen Auseinandersetzungen erschüttert. Der Streit zwi­schen dem Fraktionsmitarbeiter Peter Naumann und dem Abgeordneten Jürgen Gansel darum, wer im Kreisverband Mittelsachsen das Sagen hat, eskalierte im Dresdner Landtag. Naumann soll Gansel mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Das Gerangel um Posten und Plätze ist vor der Landtagswahl im nächsten Jahr offensichtlich in vollem Gange.
Beim Parteitag in Simbach manifestierte sich dagegen der Grundkonflikt, der die NPD seit ihrer Gründung im Jahr 1964 immer wieder beschäftigt hat. Tritt die Partei als rechtspopulistische »Kümmererpartei« auf, die versucht, unter Konservativen um Sympathisantinnen und Sympathisanten zu werben – oder organisiert man sich als nationalsozialistischer Kampfbund und agitiert völkisch und vermeintlich antikapitalistisch für die »nationale Revolution«?
Ralf Ollert und der stellvertretende Landes- und Bundesvorsitzende Sascha Roßmüller folgen in Bayern mittlerweile offensichtlich der erstgenann­ten Variante. Im zurückliegenden bayerischen Landtagswahlkampf (Jungle World, 36/08) hoffte das Duo auf die von der CSU enttäuschten Wählerinnen und Wähler und versuch­te, die NPD als »Heimatpartei« darzustellen. »Gesunde Ernährung statt Gen-Food« propagierte man auf den Wahlkampfmaterialien. Das Wahlergebnis blieb mit 1,2 Prozent der Erst- und Zweit­stimmen weit hinter den eigenen Erwartungen zurück.
Matthias Fischer und seine Jungen National­demokraten unterstützten den NPD-Wahlkampf allenfalls mäßig, marschierten in Nürnberg mit T-Shirts auf, auf denen ein Zitat Adolf Hitlers zu lesen war, und starteten die Kampagne »Süd­tirol bleibt deutsch!«

Im Landesvorstand hätten sich solche Aktionen wohl nicht so ohne weiteres durchsetzen lassen. Sascha Roßmüller, der aus dem verbotenen nationalrevolutionären »Nationalen Block« stammt, gilt bei vielen Neonazis wegen seines neuerdings eher zurückhaltenden Auftretens in der Öffentlichkeit und wegen seiner Festanstellung als parlamentarischer Berater bei der NPD-Landtagsfraktion längst als »verbonzt«. Der Plan der fränkischen Putschisten, die extremistischer auftretenden Parteimitglieder zu Beisitzern zu wählen und auf diese Weise Roßmüller seine ­sichere Position im bayerischen Landesvorstand mit einer mehrheitsfähigen Opposition zu nehmen, scheiterte.
Versucht hatte es unter anderem Tony Gentsch aus Oberfranken. Der aus Sachsen stammende Metzger und Bassist der Rechtsrockband »Braune Brüder« gilt als Bindeglied zu den dortigen Neonazis des »Freien Netzes«. Fischer, Gentsch und zahlreiche NPD-Mitglieder aus Mittel- und Unterfranken sind mittlerweile aus der Partei ausgetre­ten und arbeiten an einer neuen, überregionalen Kameradschaft. Matthias Fischer war der Kopf der im Jahr 2004 verbotenen nationalsozialistischen »Fränkischen Aktionsfront« (FAF). Die Sicher­heit einer großen legalen Mutterpartei fällt nun weg. Ein neuer Verband, in dem Fischer eine entscheidende Rolle spielt, könnte als potenzielle Nachfolgeorganisation der FAF schnell von einem Verbot bedroht sein.