Schlechte Zeiten für die oberen Schichten in Peru

Limas Plagen

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Eigentlich reicht es ja schon, daß man sich in den eleganten Einkaufszentren von Lima kaum noch in Ruhe dem Shopping widmen kann. Immer wieder betteln einen verlumpte Indios an. Kaum hat der Wachdienst die Hungerleider aus der Eingangstür rausgeworfen, kommen sie schon durch den Lieferanteneingang wieder rein, um einem noch lästiger zu fallen.

Das Betteln war ja schon fast zur Normalität geworden. Aber wenigstens am Strand im Süden der peruanischen Hauptstadt konnte man unter sich sein - ohne den widerlichen Anblick von Armut. Und jetzt ist man sich da auch nicht mehr sicher. Was aber viel schlimmer ist: Die Hungerleider bitten nicht und betteln - die haben die besseren Argumente. Täglich bestätigen sich sozialrevolutionäre Weisheiten: Die Macht kommt aus den Gewehrläufen. Korrekt. Aber eine 38er stimmt einen auch nachgiebig.

Limas Unterweltler haben sich auf das kurzfristige Entführen von begüterteren Peruanern kapriziert, aber auch vor Ausländern machen sie nicht halt - man ist halt nirgendwo mehr für sich, auch nicht im Fujimori-Land.

Du stehst also an der Ampel in deinem klimatisierten Jeep und sinnierst darüber, ob du dem kleinen schmutzigen Jungen, der mit stinkendem Wasser die Frontscheibe putzt, ein paar Céntimos geben sollst oder nicht, und da spürst du schon den kalten Stahl einer Kanone im Nacken. Es ist einfach eine Plage. Darüber sind sich auch Perus Zeitungen einig und bezeichnen die Welle der Entführungen als "plagios". 198 Personen wurde allein im vergangenen Monat - im Januar des Vorjahres waren es noch 110 Fälle - vorübergehend entführt und wie eine Zitrone ausgequetscht.

Das Ritual ist fast immer gleich: Die Gauner nehmen einem die Scheckkarte weg, entlocken mit reichlich Drohungen und oft auch brutaler Gewalt den Pin-Code, leeren die Brieftasche mit den sauer verdienten Penunzen und Dollars, fahren einen kreuz und quer durch die Vororte von Lima, die nun alles andere als touristische Attraktionen sind. Derweil hebt ein Komplize alles Geld vom Konto ab und zum Schluß wird man irgendwo aus dem Auto geschmissen - wenn man nicht mit einem häßlichen Loch im Kopf auf einer Müllkippe landet.

Sechs "Plagen" registriert die Polizei täglich. Die Statistik wird fein säuberlich geführt und in den Zeitungen der Sechs-Millionen-Stadt vermeldet. Allein hilft das jenen wenig, die täglich Opfer dieser Plagegeister werden: Vier Männer überfielen Luis Maiyashiro Tuvaru. Sie raubten dem 48jährigen 400 Soles, 50 Dollar und seine Kreditkarten. Und zum Schluß auch noch seinen Volvo. Enrique Saettone Pusio erwischte es in der Avenida Javier Prado in San Borja. Zuerst nahmen sie ihm Schmuckstücke und die 500 Soles ab, die er in seinem Portemonnaie trug. Dann fuhren sie mit ihm zu einem Drive-In-Geldautomaten - die Moderne kann auch Nachteile haben -, zwangen ihn, sämtliche "Peanuts" vom Konto abzuheben und warfen ihn in der Nähe der Pferderennbahn aus dem Wagen.

Schlechte Zeiten wie gesagt - für Wohlhabende. Wenn die Polizei endlich mal was unternimmt und durch Zufall einige der Plagegeister zum Showdown auf offener Straße zwingt - dann stellt sich zum Schluß auch noch heraus, daß es sich um einen Kollegen handelte. Der Kopf der Bande, ein Hauptmann der Polizei, fand sein Einkommen nicht auskömmlich genug.