Lamento aus dem Mittelbau, Teil II

Das können wir so nicht bearbeiten

Zwischen Master und Professor, zwischen Sekretariat und Dekanat, zwischen Seminar und Gremiensitzung wird auf hohem Niveau gejammert. Lamento aus dem Mittelbau, Teil II

Die Semesterferien haben begonnen und damit jene Wochen, in denen die Studierenden spontan in die Welt hinausziehen und dort so genannte Feldforschungen absolvieren können. Auch Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter – kurz Wimis genannt – haben in dieser Zeit die Gelegenheit, im Dienste der Forschung ins Ausland zu reisen.
Dabei besteht für den Wimi, der im Gegensatz zum Professor nicht über eine Sekretärin oder ­einen Sekretär verfügt, die größte Herausforderung darin, zuvor den Dienstreiseantrag, kurz DR-Antrag genannt, erfolgreich auszufüllen. Seit die Universität ihren Verwaltungsapparat »verschlankt« hat, kann das entsprechende DR-Antragsformular nur von einer speziellen Website heruntergeladen, allerdings nicht gespeichert werden. Wenn also, wie so oft, der Gemeinschaftsdrucker des Instituts nicht funktioniert oder der Toner aus ist und der neue wegen des ebenfalls »verschlankten« Haushalts voraussichtlich erst Ende der Woche wieder eintrifft, hat der Wimi entweder die Möglichkeit, bis zum Eintreffen des Toners vor dem am Bildschirm ausgefüllten Formular zu verweilen oder den Vorgang auf die kommende Woche zu verschieben.
Er könnte auch einen jener privilegierten Kollegen, dem die wissenschaftliche Mitarbeit in einem mit Drittmitteln finanzierten Projekt einen eigenen Drucker beschert hat, fragen: »Du, kann ich mal an deinem Computer ein DR-Antragsformular downloaden, ausfüllen und an deinem Drucker ausdrucken?« Kein noch so hilfsbereiter Kollege bei Verstand würde diese Frage mit »Ja« beantworten. Denn das Ausfüllen eines DR-Antragsformulars ist ein langwieriger Prozess. Nachdem Name, Anschrift, Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse des entsprechenden Fachbereichs, des Instituts, des vorgesetzten Professors oder Projektleiters und des ausfüllenden Wimis eingetragen sind, folgen Kästchen zur Status- und Besoldungsgruppe sowie zur Personalnummer, bevor es an die alles entscheidende Rubrik geht: Wer zahlt den Spaß? Hier gibt es Kästchen für Dienstreisen »ohne Vergütung«, »mit Reisekostenzuschuss« oder mit »Reisekostenvergütung«, wobei zwischen Zuschüssen und Vergütungen aus diversen Fonds unterschieden wird. Konnte der Wimi etwa eine Stiftung überzeugen, als Förderer der geplanten Forschungsreise einzutreten, klickt er das Kästchen »ohne Vergütung« an. Es folgen Angaben zu Ziel, Zweck und Zeitraum der Dienstreise, und diesen folgt die Rubrik »Transportmittel«. Der Wimi möchte in ein Land reisen, das von Europa durch einen Ozean getrennt ist, also übergeht er die Möglichkeiten »Bahn« und »Personen-KFZ« und klickt »Flugzeug« an. Daraufhin ist eine Begründung für die Wahl des Transportmittels anzugeben. Die übergeht der Wimi, weil sich die Begründung aus dem Reiseziel ergibt. In diesem Fall allerdings blinkt der Hinweis auf: »Bitte Begründung angeben«, bevor es weitergehen kann. Und so möchte er am liebsten schreiben: »Weil mein Auto nicht schwimmen kann«, schreibt aber statt dessen widerwillig: »siehe Ziel der Dienstreise«. Als die Kolleginnen zum Mittagessen aufbrechen, erreicht der Wimi die dritte Seite des DR-Antrags. Nun sind dezidierte Angaben zur Unterkunfts- und Verpflegungssituation während der Reise zu machen. Als die Kolleginnen aus der Mittagspause zurückkommen, hat der Wimi alles ausgefüllt und drückt auf »drucken«, läuft zum Gemeinschaftsdrucker und hat großes Glück: Er funktioniert und verfügt über Toner. Da liegt nun das fertig ausgefüllte DR-Antragsformular, das der Wimi an die Verwaltung abschickt. Dann heißt es warten.
Zwei Wochen später wird der Wimi von der zustän­digen Sachbearbeiterin angerufen. Sie fragt, ob es richtig sei, dass weder ein Zuschuss noch eine Vergütung für die Dienstreise beantragt werden soll. Der Wimi antwortet: »Richtig, ohne Zuschuss und ohne Vergütung«, und fügt hinzu: »Eine Stif­tung übernimmt die Kosten.« Rückfrage: »Dann ist es also eine durch Drittmittel finanzierte Reise?« »Richtig«, sagt der Wimi. »Aber dafür müssen Sie ein ganz anderes DR-Antragsformular verwenden, das hier können wir so nicht bearbeiten.«