Nazis verbreiten rassistische Stimmung in Potsdam

Ein Pakt gegen den Brandherd

In Potsdam sollen Asylbewerber in einen anderen Stadtteil umziehen. Einige zukünftige Anwohner stören sich daran. DVU, NPD und Kameradschaften versuchen, die rassistische Stimmung zu nutzen.

Der Schlaatz in Potsdam ist ein typisches im Rahmen des »industriellen Wohnungsbaus« der achtziger Jahre errichtetes Neubauviertel. Dort leben vor allem Menschen, die sich Wohnungen in der sanierten barocken Innenstadt und in Vierteln wie Potsdam-West oder Babelsberg nicht mehr leisten können, darunter viele Arbeitslose, Russlanddeutsche, Rentner und Studierende. Mit einem »Ausländeranteil« von acht Prozent erreicht der Schlaatz fast den bundesdeutschen Durchschnitt und ist das Viertel in Potsdam, in dem die meisten Migranten leben.
Dorthin, in ein ehemaliges Lehrlingswohnheim, soll im Sommer das Potsdamer Asylbewerberheim umziehen. Bisher befindet es sich am Lerchensteig, weitab der Stadt in einem ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieb neben einem Klärwerk. Der Vertrag mit dem bisherigen Heimbetreiber, der Arbeiterwohlfahrt, endet im Juni. Statt dieser will die Stadt ab Juli das Diakonische Werk mit dem Betrieb einer »Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber« beauftragen. Der Wechsel zur Diakonie ermöglicht den Umzug der Asylbewerber in einen Stadtteil, der gut an den Nahverkehr angeschlossen ist und in dem es soziale Einrichtungen eigens für Migranten gibt. Der Umzug ist das Ergebnis des langjährigen Kampfes von Flüchtlingen und antirassistischen Gruppen gegen die Unterbringung am Lerchensteig und für ein Heim in der Stadt sowie die zunehmende Unterbringung in Wohnungen. Aber er ist auch die Folge einer restrik­tiven Asylpolitik: Angesichts der stetig sinkenden Zahl von Asylantragstellern erschien den Behörden das Heim am Lerchensteig als unwirtschaftlich.

Dass der Umzug auch auf Ablehnung stoßen würde, war abzusehen. Die DVU hatte am Schlaatz in den Kommunalwahlen 2008 zwischen fünf und sieben Prozent erreicht, ihr bestes Ergebnis in der Stadt. Zunächst sorgte jedoch die Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft (PBG) für die rassistische Stimmungsmache. In einer Anzeige in Potsdamer Lokalzeitungen drohte sie damit, ihre Investitionen am Schlaatz »neu zu prüfen«, da Schwierigkeiten bei der künftigen Vermietung von Wohnungen und negative Auswirkungen auf den Ruf des Wohngebietes zu befürchten seien. Was die PBG verklausuliert in ihrer Anzeige andeutete, wurde auf einer Bürgerversammlung am Schlaatz in der vorvergangenen Woche von manchen Anwohnern deutlich ausgesprochen: Das Boot sei voll, die Asylbewerber brächten Schmutz und Kriminalität in das Viertel, ein neuer »Brandherd« würde geschaffen. Die Rede vom Brandherd könnte nicht nur metaphorisch gemeint sein: Ein vor allem von Spätaussiedlern genutzter »Integrationsgarten« am Schlaatz war in den vergangenen Jahren mehrfach das Ziel von Brandanschlägen.
Eine ähnliche Diskussion gab es bereits im Jahr 2002. Damals erzwang im zu Potsdam gehörenden, gutbürgerlich-dörflichen Bornstedt eine Bürgerinitiative, dass ein Heim nur als Übergangslösung für zwei Jahre genutzt werden konnte. »Neger, Juden und Obdachlose« seien unerwünscht, äußerte sich ein Bornstedter unter großem Applaus auf einer Bürgerversammlung. Der Oberbürgermeister verwahrte sich damals dagegen, die Dorfbewohner als Rassisten zu bezeichnen. Doch während in Bornstedt die Rassisten aus der Mittelschicht unter sich waren, meldeten sich am Schlaatz auch Anwohner zu Wort, die sich deutlich für den Umzug des Asylbewerberheims aussprachen. Auch die Stadtverwaltung bekundet diesmal ihren Willen, den Umzug durchzusetzen.

An der Bürgerversammlung nahmen auch Mitglieder von NPD, DVU und »freien Kräften« teil. Der Versuch eines DVU-Funktionärs, eine vorbereitete Rede zu verlesen, wurde von anwesenden Antifaschisten allerdings lautstark unterbunden. DVU, NPD und Kameradschaften, die in Brandenburg seit einiger Zeit erstaunlich gut zusammenarbeiten, versuchen nun die Stimmung zu nutzen. Wie gut ihr »Deutschlandpakt« in Potsdam funktioniert, wird an der vom DVU-Kreisverband initiierten Unterschriftensammlung »Nein zum Asylbewerberheim am Schlaatz« deutlich. Als verantwortlich im Sinne des Presserechts wird der Potsdamer DVU-Stadtverordnete Günther Schwemmer angegeben, der gleichzeitig auch NPD-Mitglied ist und für die Deutsche Stimme schreibt. Die Unterschriftenliste trägt nicht das Parteilogo der DVU, sondern die Zeile »Eine Aktion der national-freiheitlichen Parteien und Kameradschaften aus Brandenburg«. Hier könnte sich eine enge Kooperation im diesjährigen Landtagswahlkampf andeuten, in dem die DVU versuchen wird, zum dritten Mal in Folge in das Landesparlament einzuziehen. Im Gegensatz zu den Vorgängen in Born­stedt vor sieben Jahren leiteten die Behörden Schritte gegen die rassistische Propaganda am Schlaatz ein. Wegen eines NPD-Flugblattes, auf dem die übliche Rhetorik vom »Asylanten-Stopp« den örtlichen Gegebenheiten angepasst wurde, ermittelt nun der polizeiliche Staatsschutz wegen Volksverhetzung.
Eine wichtige Rolle in der Diskussion spielt der Ruf des Stadtteils als so genanntes Problemviertel und die Tatsache, dass die regierende Koalition im Rathaus eher die gehobene Mittelschicht als den Schlaatz repräsentiert. Die NPD verweist in ihrem Flugblatt darauf, dass das Viertel »ohnehin schon als Asozialenghetto verschrien« sei und sich die Lage durch den Zuzug noch verschlimmern werde. Kirchenvertreter und einige Anwohner setzten diesen Behauptungen auf der Bürgerversammlung den »Lokalstolz« auf die im Stadtteil »bisher schon vollbrachte Integrationsleistung« und einen Appell an eine Solidarität unter Unterprivilegierten entgegen. Die Stadtverwaltung wirbt damit, die 65000 Euro, die als Folge des Umzugs eingespart würden, für Integrationsprojekte im Stadtteil bereitzustellen.

Allerdings sprachen sich auch betroffene Asylbewerber gegen den Umzug aus. Dies dürfte nicht nur eine Folge der durch die Bürgerversammlung geschürten Angst vor rassistischen Angriffen sein. Die Arbeiterwohlfahrt hat den Verlust des lukrativen Betreibervertrages offensichtlich nicht völlig verschmerzt. Mit falschen und unvollständigen Informationen versuchte sie, Vorbehalte der Heim­bewohner gegen den anstehenden Umzug zu wecken. Doch dieser ist nicht mehr aufzuhalten: In der vergangenen Woche beschloss der Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung einstimmig, das Heim an den Schlaatz zu verlegen. Die DVU will sich anscheinend nicht geschlagen geben. »Die DVU-Potsdam wird am Ball bleiben und ruft hiermit nochmals alle volkstreuen Aktivisten zu einem gemeinsamen Handeln auf«, steht nach wie vor auf ihrer Homepage.