Die Verfilmung des Comics »Watchmen«

Was sind schon ein paar Millionen Menschenleben?

Alan Moores und Dave Gibbons’ Comic »Watchmen« gab den Faschismus der Lächerlichkeit preis. Zack Snyders zynische Verfilmung macht eine Lightshow daraus.

Das ehemalige Mitglied der Comedytruppe Monty Python, Terry Gilliam, bemerkte einmal, dass es unmöglich sei, den Comic »Watchmen« von Alan Moore zu verfilmen, es sei denn, der Film würde dreieinhalb Stunden lang. Zack Snyders »Watchmen«-Verfilmung ist immerhin 164 Minuten lang. Gelungen ist sie deshalb noch lange nicht.
Ziemlich deutlich zeigt der Film, dass »Watchmen« ein Kind der desillusionierten achtziger Jahre und ein Abgesang auf den amerikanischen Traum ist. Zu den Hauptfiguren gehört der »Comedian«, ein maskierter Vigilant, der sich selbst zur miesen Parodie Amerikas erklärt. Dieser reaktionäre Schurke mordet und vergewaltigt – gern auch mal im Auftrag der Regierung und unter anderem in Vietnam – nach Lust und Laune. Das kaputte Amerika, das der atomaren Apokalypse entgegensieht, stellt Snyder in seiner Filmfassung bestens dar.
Aber fucked up-Amerika zu zeigen, ist einfach, dazu braucht es nur eine gehörige Portion Zynismus, ein bisschen Punk, ein bisschen Melancholie und zur Untermalung ein paar Songs an den richtigen Stellen. Genau so funktioniert auch die rundum gelungene Titelsequenz des Films, die zu den Klängen von Bob Dylans »The Times They Are A-Changin’« vom Aufstieg und Niedergang des maskierten Heldentums im Amerika der Dreißiger bis Achtziger erzählt.
Doch beim schwierigsten und wichtigsten Aspekt seines Films versagt Regisseur Snyder leider. Denn der Comedian ist vielleicht ein ­übler Schurke, keinesfalls aber der größte. Diese Rolle bleibt seinem ehemaligen Mitstreiter Ozymandias vorbehalten, der unter seinem bürgerlichen Namen Adrian Veidt zum Multimilliardär aufgestiegen ist. Sunnyboy Veidt wünscht sich nichts mehr als den Weltfrieden, und um ihn herbeizuführen, braucht es lediglich eine Riesenlüge und einen Massenmord. Moore und Gibbons machen in ihrem Comic keinen Hehl daraus, dass Veidt ein wohlgesinnter ­Faschist ist, ein Verbrecher, der die schlimmsten Eigenschaften des Visionärs und des Rea­listen in sich vereint. Er ist zugleich pragmatischer Modernisierer und begeisterter Fan der Antike, ein Typ wie aus einem Leni-Riefenstahl-Film.
Der Comic geht sicher, dass die Leser Veidt auch wirklich als Faschisten erkennen: »Krystallnacht« heißt beispielsweise eine Band, deren Name ganz zufällig über dem von Veidt ­angerichteten Massaker in New York prangt. Im Comic ist diese Referenz auf den Holocaust ­legitim – der Massenmord wird in einer so dissonanten Mischung aus grellblutiger Gewalt und nüchternem Entsetzen zu Papier gebracht, dass ihm tatsächlich ein Moment des Unbegreiflichen innewohnt. Er ist ein schlechter Witz ohne Pointe.
Überhaupt haftet schon dem Comic eine ­gewisse Lust am Spektakel des Faschismus an. Der geistige und körperliche »Übermensch« Veidt in seinem modern-antiken Utopia erregt unweigerlich auch Bewunderung, seine Vision erhält einen Hauch Legitimität. Seine Grund­überlegung lautet: Sind ein paar Millionen Menschenleben nicht ein kleines Opfer für den Weltfrieden?
Zack Snyder findet nicht die rechten Bilder, um die monströsen Allmachtsphantasien Veidts zu verdeutlichen. Er ersetzt Veidts dreckiges Massaker am Ende des Films kurzerhand durch eine saubere, weißblaue Energieentladung. Die Opfer werden dadurch nicht abgeschlachtet, sie werden regelrecht entrückt, und mit ihnen verpufft die verstörende Wirkung, die Gibbons mit seinen Comicbildern erzeugte.
So gesehen ist es wahrscheinlich ein Glücksfall, dass Matthew Goode, der im Film den Veidt gibt, als einziger Hauptdarsteller eine Fehlbesetzung ist und nicht mehr Charisma hat als ein dahergelaufener Bond-Schurke aus der Pierce-Brosnan-Generation – andernfalls wäre der Film glatt zum Massenmord-Werbe­spot geraten.
Zu allem Überfluss garniert Snyder die Schlusssequenzen, bei denen in der Comic­vorlage Eiseskälte herrscht, mit melodrama­tischem Getöse. Sogar ein lautes »Neeeeiiiiin!« wird dort geschrien, wo es nun wirklich nicht hingehört.
Die Kritiken der Comic-Fans am Film, die bereits im Netz kursieren, treffen deshalb in gewisser Weise den Kern, wenn sie sich an vermeintlichen Oberflächlichkeiten und Kleinigkeiten abarbeiten. Das im Vergleich zum Co­mic veränderte Ende lässt den Film endgültig scheitern. Nicht, weil es anders ist als im Comic, sondern weil es eine zynische Bereinigung des Massenmords und eine Verklärung seines absurd hässlichen Gesichts darstellt. Und selbst der Umstand, dass Snyder die im Comic recht bodenständigen Kampfsequenzen mit Kung-Fu-Akrobatik »aufgematrixt« hat, läuft den Figuren völlig zuwider und zeigt, dass der Regisseur für »Übermenschen« doch mehr übrig hat als für Menschen.
Was soll’s. Letztlich will die »Watchmen«-Verfilmung das, was Superheldenfilme für gewöhnlich eben wollen: beeindrucken. Snyders Interesse gilt dem Spektakelwert des Faschismus und nicht der Erzeugung von Unbehagen am Spektakel. Alan Moore hat seinen Namen von bislang allen Filmadaptionen seiner Comics zurückgezogen, und er hat auch diesmal gut daran getan.

»Watchmen«. USA 2008. R: Zack Snyder. Im Kino ab 5. März