Diktatur der Moral

In den USA versuchen "Theokonservative" die Republikaner auf Linie zu bringen

Weil er schwul war, mußte er sterben - so die Begründung der Täter gegenüber der Polizei. Im Bundesstaat Wyoming hatten sie Mitte Oktober einen Studenten ermordet. Offenbar hielten sie ihn nicht mehr für "bekehrbar".

Dabei hat es in den vergangenen Monaten vermehrt Berichte in den Medien gegeben, wie reuige Schwule zu "heilen" seien. Mit etwas spiritueller Therapie könnten sie der "Gesundung" zugeführt werden. Gleichzeitig denunzierte die religiöse Rechte in einer Anzeigenserie Homosexuelle als Kranke, die keine Moral besäßen - es sei denn, sie ließen sich "heilen". Die Republikaner unterstützen solche Kampagnen. So verzögerten sie die Nominierung des US-Botschafters für Luxemburg. Der Grund: Der Mann ist schwul.

Aber nicht nur Homosexualität und - wie im Falle der Lewinsky-Affäre - eheliche Untreue werden zum politisch-religiösen Thema gemacht, auch die Abtreibung stößt noch immer auf wütende und einflußreiche Gegner. Anfang Oktober scheiterte ein Gesetzesentwurf zur Kostenübernahme für empfängnisverhütende Mittel durch staatliche Krankenversicherungen an der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus.

Eine junge Frau wurde kurz darauf im Bundesstaat Ohio wegen eines kleinen Betrugsdeliktes zu sechs Monate Haft ohne Bewährung verurteilt. Die Richterin begründete das ungewöhnlich harte Urteil damit, daß die Angeklagte schwanger sei und eine Abtreibung plane. Mit dem Urteil werde diese nun verhindert.

Die konservativ-religiösen Eiferer sind in den USA also durchaus erfolgreich: Seit September ist das vierbändige Werk Left Behind schon drei Millionen mal verkauft worden und damit zum Bestseller geworden. Darin wird versucht, die US-Bevölkerung zum Christentum zu bekehren. Die sich auf das Neue Testament berufende Story gipfelt im Kommen von Jesus Christus, der nur "wahre Christen" in den Himmel holt. Der Rest der Menschheit würde sieben Jahre lang von sozialem Chaos, Krieg, Erdbeben und dem Antichristen geplagt. Der wird übrigens durch einen aus Rumänien stammender Uno-Generalsekretär verkörpert.

Hinter den religiösen und politischen Moralaposteln steht eine kleine, aber mächtige Elite konservativer Intellektueller. Theologisch gestützt werden sie durch meist katholische Intellektuelle, die sich auf die Lehren des Thomas von Aquin berufen.

Revolution gegen das jetzige System, und zwar mit allen Mitteln, ist das erklärte Ziel der Fundamentalisten. Angriffsziele sind der Oberste Gerichtshof und die Verfassung der USA. Ihr wichtigstes Publikationsorgan ist die Zeitschrift First Things. Besonders eifrig treten in den Diskussionen Robert Bork, John Neuhaus und Robert George hervor. Neuhaus ist ein ehemaliger Linker und heutiger katholischer Priester, für den das politische System der USA nur perverser Pluralismus ist. Bork hingegen setzt in seinen Schriften Liberalismus mit Faschismus gleich und fordert eine Gedankenkontrolle, da nur der Geist positive oder negative Richtungen einschlage.

Detailierte Analysen über diese "Theokonservativen" gibt es kaum. Lediglich in der kritischen Zeitschrift The New Republic findet diese Entwicklung einigermaßen kontinuierlich Beachtung - meist von den beiden Journalisten Jacob Heilbrunn und Andrew Sullivan. Die neue konservative Intelligenz sei, meint beispielsweise Sullivan, von Pessimismus, Moralismus, Angst vor kulturellem Niedergang und von dem Bedürfnis nach mehr sozialer Kontrolle geprägt. Für die einst isolierten Parlamentarier der religiösen Rechten wie den Republikaner Pat Buchanan sei so mittlerweile ein intellektueller Rahmen geschaffen worden.

Daß die "Theokonservativen" nun sogar die US-Außenpolitik beeinflussen können, wurde jüngst deutlich, als die Republikaner versuchten, die US-Zahlungen an die Uno zu unterbinden. Begründung: Die Uno trete für Geburtenkontrolle ein. Die "Theokonservativen" Bill Kristol und Robert Kagan hatten bereits vor zwei Jahren in einem Artikel gefordert, daß "Remoralisierung von Amerika letztlich die Remoralisierung von amerikanischer Außenpolitik" bedeute. Deswegen fordert Kristol seit Anfang des Jahres in seiner Zeitschrift Weekly Standard von republikanischen Abgeordneten, sich im Wahlkampf nur auf das Thema Moral zu konzentrieren.

Schon 1997 hatte Kristol auf einer Tagung Konservativer in Washington scharfe Töne gegen Homosexuelle angeschlagen. Er unterstützte die Bemerkung eines anderen Sprechers, legale Empfängnisverhütung und Abtreibung seien die Homosexualisierung von heterosexuellem Geschlechtsverkehr. Diese "nichtproduktiven Trends unter Weißen" werde zum Tod ihrer "Rasse" führen.