Michael Jackson war schon immer tot

The Return of the Living Dead

Während andere Künstler ihr Comeback als Neuerfindung inszenieren, kann Michael Jackson gar nicht wiederkehren. Er war schon immer tot.

Was heißt hier eigentlich Comeback? Michael Jackson war ja gar nicht vom öffentlichen Pop-Boulevard verschwunden. Andererseits sollte man sich auch ernsthaft fragen, ob Michael Jackson jemals »da« war – ob er überhaupt einen Ort hatte, zu dem er jetzt zurückkehren könnte.
Zwar bietet seine Geschichte (die Jackson 5, die Solokarriere des 13jährigen, »Thriller«, Moon­walk, Kindesmissbrauchs-Vorwürfe, Heirat mit Lisa Marie Presley, Kind aus dem Fenster hängen, Drogen und Tabletten, Neverland-Ranch, die Beatles-Song-Rechte, die echte falsche Nase, das Kind-Bleiben und das Weiß-Werden, der vermeint­liche finanzielle Zusammenbruch) genügend Stoff, um Michael Jackson seit 1965 eine mediale Dauerpräsenz zu sichern.
Aber andererseits hat Jackson mit seinem angeblich meistverkauften Album der Musikgeschichte, »Thriller« (1982), keineswegs etwa den Höhepunkt einer großartigen bizarren Karriere erreicht, sondern doch nur den Status eines One-Hit-Wonder. Michael Jackson ist eine popkulturindustrielle Eintagsfliege – jedenfalls, wenn man ihn und seine Musik künstlerisch ernst nimmt und sich nicht auf das ewige Spektakel eines verzweifelten Pseudoindividuums namens »Jacko« einlässt. Mithin: Michael Jacksons Ort, zu dem er zurückkehren könnte, ist gleichsam ein U-Topos, eine Utopie, er existiert nur als Fantasia (»Neverland«) oder als Mythos (Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood).
Wie hier ein Comeback allein aussehen könnte, ist bereits im »Thriller«-Video von 1983 eloquent und brillant vorgestellt: die Unheimlichkeit des Friedhofs, die nicht nur die Toten auferstehen lässt, sondern sich als wahre Kulisse einer Welt geriert, in der dem Star kein normales Leben vergönnt ist (Michael mit seinem Mädchen im Ki­no, einen Vincent-Price-Film sehend; Michael als Jugendlicher, der er niemals war, der sein Mäd­chen beschützen möchte). Nur die ewige Existenz eines Untoten und folglich auch Unlebendigen kann hier wiederkehren, schließlich ist Jackson seither mit jedem seiner Skandale einmal mehr als Zombie, als Monster wiedergekommen. Der Song »Thriller« endet mit der Regieanweisung: »Into maniacal laugh, in deep echo« – dieses Echo ist ein Widerhall in jenem kahlen Raum, der Michael Jackson zeit seines Lebens gefangen hält und aus dem es kein Entrinnen, keine Um- oder Rückkehr und daher auch kein Comeback geben kann.

Erst die vollends entwickelte Popkultur kennt das Comeback: Für Buxtehude, Beethoven, Brahms oder Bartók wäre ein Comeback unmöglich gewe­sen. Vielleicht ist Duchamp der erste Künstler, dem ein Comeback gelungen ist. Andere Künstler, allen voran Madonna, haben ihre ganze Karriere als Comeback inszeniert. Sie kehrten zurück, ohne sich zu wiederholen, ihr Comeback ist Neuerfindung. Oder aber nahtlose Fortsetzung – man denke an Sylvester Stallone oder AC/DC. Wichtig für das Comeback ist allerdings der – sei’s auch nur fiktive – biografische oder historische Moment, auf den sich der Künstler mit seinem Come­backversuch beziehen kann. Aber Michael Jackson hat keinen solchen. Was bei den anderen fröh­liche Spielerei war, war bei ihm schon immer trauriger Ernst: ein postmodernes, erfundenes Un­wesen, ein Antisubjekt, eine der permanenten Dekonstruktion überantwortete Oberfläche. Der »King of Pop« ist eben nicht der popnietzscheanische Übermensch, der Superman, sondern der Zombie: ein Alptraumtänzer, der sich in seinen apparatenhaften Moonwalk-Schritten rückwärts, aber richtungslos bewegt.

Michael Jackson ist insofern nicht mehr als seine eigene Standardisierung, vollständig zur Ware verdinglicht. Für kaum jemand gelten die Prinzipien eindringlicher, die Adorno bereits 1941 in seinem Essay »On Popular Music« explizierte: minimaler Aufwand des Arrangements und Glamour-Orientierung, Babytalk und Pseudo-Kinderlieder, schließlich die Fixierung auf die Medien und das, was Adorno »Plugging« nannte – eine hermetische Verdichtung der Kulturware in Hinblick auf »Persönlichkeit«, »Skandalisierung« und »Entertainment«. Heraus kommt dabei das, was Jackson nun in Reinform ankündigt: ein »Comeback«, das nichts Neues bieten wird, sondern lediglich eine performative Wiederholung, die ins Absurde übersteigerte Präsentation. (40 Konzerte in London!) Übrigens: Kein Zombie tritt alleine auf, und so folgt dem Popungeheuer jetzt schon die Multitude der von überall auferstehenden Fans. Schon jetzt gibt es Engpässe beim Ticketverkauf. Alles dafür, um in ewiger Wiederkehr des Gleichen ab dem 8. Juli Michael Jacksons Comeback als seine eigene Imitation zu erleben – ein Revival als Mortifikation eines Sterns, der niemals wirklich strahlte.