Was machst du in Schwerte?

Fragen auf Zehn-Meter-Niveau - Hugo-Egon Balders "Wüste Orient Show"

Eine entwicklungspsychologische Theorie besagt, daß Kinder in ihrer Entwicklung alle Stufen der Menschheitsgeschiche durchlaufen. Fernsehshow-Erfindern geht es ähnlich; immer wieder tauchen in Unterhaltungssendungen leicht modifizierte Elemente auf, mit denen vor Jahrzehnten Einschaltquotenrenner bestritten wurden. Quizshows wie "Einer wird gewinnen", die vor 20 Jahren ungemein erfolgreich waren, gibt es heute gleich bei mehreren Sendern täglich am späten Nachmittag - trotzdem kommen auch die neuen Shows nicht ganz ohne das Wissenabfragen aus.

"Wir bieten die ganze Palette: Spiele, Wünsche, Bauchtanz", erklärte Hugo-Egon Balder bei der Premiere seiner "Wüste Orient Show", während im Hintergrund die RTL-Variante des Fernsehballetts, vier GoGo-Tänzerinnen in den geschmacklosesten Kostümen seit "Alles nichts, oder", gleichermaßen ekstatisch wie unrhythmisch auf den Showtreppenstufen herumhampelten. Wichtiger Bestandteil seiner Samstagabend-Sendung: Der "Dschinn", ein bunter Nebel-Geist, der als moderner Walter Sparbier fungiert.

Die körperlose Stimme erzählt Zoten und macht Witze wie weiland Kulenkampffs Butler Martin Jente und begeistert damit das kreischende Publikum. Und verrät die geheimen Wünsche der nichtsahnend im Publikum Sitzenden, die mit einer Computer-Hand ausgewählt werden.

So erfährt man Herzenswünsche deutscher Polizisten: Kandidat Patrick Frank wünscht sich, einmal in New York auf dem Time Square den Verkehr zu regeln, muß dafür aber etwas tun. "New York, das sind hohe Häuser", erklärt Balder das Spiel: Frank muß mit verbundenen Augen zehn Meter hoch auf einer Strickleiter auf ein Gerüst klettern, um sich dann in ein Feuerwehr-Sprungtuch fallen zu lassen. Wo bei "Wünsch Dir was" solche Geschichten noch erbarmungslos durchgezogen und Kandidaten tatsächlich mit dem Auto im Wasserbassin versenkt wurden, gibt es bei der Balder-Show die Light-Variante: Während der Kandidat klettert, wird gleichzeitig das Gerüst abgesenkt, so daß er am Ende aus einem Meter Höhe springt. Solche Spiele sind auf Teenie-Partys der absolute Brüller, bei RTL auch.

Heike, Melanie-Kim und Anja wollen Mode vorführen, davor steht jedoch das unvermeidliche Kandidatengespräch: "Was machst du in Schwerte?" - "Ich wohne dort." So was ist seit Jahrzehnten traditionell die Gelegenheit, einen Sachverständigen zu präsentieren, hier: Talkshow-Zombie Rudolf Moshammer, der anläßlich jeden Themas in der Lage ist, über sich selbst zu sprechen. Das Gefühl, einmal Kate Moss zu sein, dürfen die Frauen dann jedoch nicht erleben: Sie müssen, in blöde Kostüme gehüllt, Badezimmer-Accessoires über den Laufsteg schleppen und gewinnen dafür noch blödere Preise. Die Drittplazierte erhält, in Anlehnung an die von Hape Kerkeling in der "Total normal"-Show verliehene Mitropa-Duschhaube einen von Moshammer signierten Duschvorhang, die zweite Gewinnerin einen mit mehreren Autogrammen drauf und die Siegerin, Besitzerin eines "sehr kleinen Badezimmers", einen Whirlpool.

Aber auch das Wissenabfragen kommt bei Balder nicht zu kurz: Wer übers Wochenende einen Ferrari fahren möchte - und das sind viele -, muß Fragen beantworten. Deren Antwort ist fast immer dieselbe wie bei der Frage: Was für einem Rennwagen hat Niki Lauda seine Ohren zu verdanken? Ferrari, lautet die Antwort. Manchmal jedoch, den Trick kennt man noch aus der Schule, lautet die richtige Antwort nicht Ferrari, und das ist dann sehr lustig.

Wie der Wunsch von Uschi und Stefan, die sich sehnlichst eine Tortenschlacht wünschen. Das könnte schnell erledigt sein, aber in eine Anleihe an Mike Krügers Achtziger-Jahre-Show "4 gegen Willy" ist eine Gemeinheit eingebaut: Die Möbel der beiden wurden auf einer Bühne aufgebaut, und die gilt es vor den anfliegenden Torten mit dem Körper zu schützen: Gewinn hier: Ein Nacktputzer bzw. eine Nacktputzerin.

Man gewinnt aber nicht immer, was man sich gewünscht hat: Kandidatin Daniela, die einmal zur Oscar-Verleihung nach Hollywood möchte, muß dafür die Orgasmus-Vortäusch-Szene aus "Harry & Sally" nachspielen. Ihr gegenüber sitzt Jürgen Drews, ein unvermeidlicher TV-Gast. Nach Gequieke und Gestöhne ist es dann soweit und die Kandidatin glücklich, bis sie erfährt, daß sie sich umsonst angestrengt hat: Sie erhält Karten für die deutsche "Venus 98", die Erotik-Oscar-Verleihung.

Es folgen Reminiszenzen an "Spiel ohne Grenzen", verschiedene Quizshows und der Auftritt von Werner Reichinger, der eigentlich einmal im Leben vor großem Publikum Schlager singen wollte, aber mit der "Rocky Horror Picture Show" ein Rockstück einstudieren mußte. "Schon ziemlich Scheiße sind wir hier", erklärt Balder, und das ist das Gute an seiner Show: Sie nimmt niemanden ernst, nicht mal sich selber.