Serie über Serien: »Family Guy«

Kampf mit dem Riesenhuhn

Serie über Serien. Zuerst war »Family Guy« nur ein billiger »Simpsons«-Ersatz. Aber wer braucht schon das Original, wenn die Kopie so gut ist.

Als »Family Guy« 2002 im deutschen Fernsehen anlief, echauffierte sich unsereins, die alte Garde der »Simpsons«- Jünger, bei jeder neuen Folge über diese offensichtliche Springfield-Kopie. Gleichwohl wurde geschaut und heimlich gelacht. Ziemlich bald hatte man die Familie Griffin mitsamt ihren Abenteuern in der amerikanischen Kleinstadt Quahog dann auch ins Herz geschlossen. Gewiss, der fette, trottelige Familienvater Peter orientiert sich in seiner Peinlichkeit und Liebens­würdigkeit an Homer, während seine vernünftige Frau namens Lois als gewissenhafte Mutter eine Wiederkehr der guten Seele Marge zu sein scheint. Auch das Grundkonzept – »sarkastisch überspitzte Darstellung des Alltags der amerikanischen Durchschnittsfamilie« – ist nicht neu, ebenso wenig die simpel animierte Szenerie mit ihren glubsch­äugigen Charakteren. Doch »Fa­mily Guy« zieht seine Legitimation aus einem unglaublichen Ideenreichtum und zahlreichen ironischen Absurditäten.
Es gibt wunderbar überzeichnete Figuren, wie Tochter Megan, die so hässlich ist, dass Serienfiguren sich bei ihrem Anblick schon mit Benzin übergossen, anzündeten und aus dem Fenster sprangen. Großartig auch ihr herrlich verblödeter, aber bemitleidenswerter Bruder Chris, der unglaublich schwer von Begriff ist. Die Intelligenz im ansonsten eher stumpfen Griffin-Clan verkörpern das genialische Baby Stewie und der klu­ge sprechende Hund Brian. Das Kleinkind mit dem footballförmigen Kopf strebt entweder nach der Weltherrschaft oder sexuellen Erfahrungen. Brian gibt den alkohol- und tabaksüchtigen Bohemien und taugt über weite Strecken als Identifikationsfigur – außer vielleicht, wenn seine tierischen Triebe hervorbrechen, die ihn dazu verleiten, Afro­amerikaner wütend anzubellen.
»Family Guy« ist politisch inkorrekt. So wird Hitlers Judenhass mit dessen Minderwertigkeitskomplex erklärt, der sich herausgebildet hat, weil ein orthodoxer jüdischer Bodybuilder den deutschen Schwächling einst im Fitnessstudio auslachte. Oder wie Peter sagen würde: »Ihr kennt doch die Deutschen, wenn man nicht zu ihrer Party kommt, holen sie dich mit Gewalt.« Legendär auch der Song »I need a jew«, in dem sich der Vater einen Juden als Finanzberater wünscht und ihn prompt in Gestalt des Mr. Weinstein bekommt. Und wussten Sie, dass Gott das Universum durch seinen Furz schuf, den sein Mitbewohner anzündete? Wer stereotype Darstellungen und Blasphemie nicht komisch findet, ist hier definitiv falsch.
Amüsant sind auch die fast schon dadaistischen Übersteigerungen, wie der aus heiterem Himmel ausbrechende Kampf zwischen Peter und einem Riesenhuhn, der ganze zwei Minuten andauert, bevor die Szene weitergeht, als wäre nichts gewesen.
Zu den besten Momenten der Serie gehören die äußerst skurrilen backflashs. Während der Flucht vor der Polizei etwa sagt Peter zu seiner Frau Lois: »Das ist noch härter als damals, als ich vergessen hatte, wie man sich hinsetzt.« Es folgt eine Szene, in der Peter grübelnd vor einem Sessel steht, zögert und plötzlich voller Wucht bäuchlings von der Seite den Sessel anspringt und umwirft. Subtil switcht die Geschich­te zwischen Slapstick und Meta-Witz hin und her, und genau deshalb ist »Family Guy« immer auf mehreren Ebenen rezipierbar.
Als man hierzulande von der geplanten Einstellung der Serie erfuhr, hatte in Amerika längst eine Protestbewegung mit Petitionen und DVD-Käufen die Produktion neuer Staffeln erkämpft. Das ist schön für uns alle, denn die Kom­bi­na­tion aus abstruser Sinnlosigkeit und hochironischen Referenzen macht »Family Guy« zur gegenwärtig unterhaltsamsten Zeichentrickserie. Die postmodern-inhaltsleere Aus­tausch­bar­keit der Gags, die bei der Konkurrenz von »South Park« mit Seekühen illustriert wurde, die willkürlich Bälle mit Schlagworten für Witze kombinieren, ist die große Stärke der Serie. Mittlerweile hat »Family Guy« wohl sogar die »Simp­sons« als unerschöpfliche Zitatenquelle abgelöst, und der Satzbeginn »Kennt ihr die ›Family-Guy‹-Folge, wo … « ist zum Grundelement zwischenmenschlicher Kommunikation geworden.
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