Jetzt hammas gschlagn!

Das 20. Jubiläum des 3:2 von C-rdoba wird gebührend gefeiert

Wenn ich Deutschland höre, werd ich zum Rasenmäher. Johannes Krankl

Ein historisches und fußballerisches Großereignis, von dem hierzulande niemand sprechen mag und das im WM-Trubel unterging, jährte sich diesen Sommer zum zwanzigsten Mal. C-rdoba, 21. Juli 1978: 47 Jahre nach dem letzten Triumph über eine deutsche Fußballauswahl besiegt das österreichische WM-Team den Titelverteidiger mit 3:2.

Nach dem Spiel, schreibt der Fußballdichter Ror Wolf, weinte Vorstopper Rolf Rüßmann "die ganze Nacht". Der Torschütze zum 1:1 für Österreich, Berti Vogts, wollte sich vor Gram das vermaledeite Eigentorbein abhacken, verzichtete dann aber leider doch darauf. Nur Helmut Schön, den nach Wembley 1966 und Belgrad 1976 zum dritten Mal in seiner langen Bundestrainerlaufbahn das Glück verlassen hatte, reagierte wie gewohnt gefaßt: "Es war kein nationales Unglück, nur eine sportliche Niederlage."

In Österreich sah man das anders. Epochale Schadenfreude erfaßte an jenem Tag, als sich der argentinische Himmel "in seinem wunderbarsten Postkartenblau" wölbte (Armin Hauffe), nicht nur die Grantler und Knurrer in den Wiener Beisln. Sobald das magische Wort fällt, blüht und dreht der gemeine Österreicher noch heute auf - zwanzig Jahre danach.

C-rdoba: Für Michael Häupl, den Wiener Bürgermeister, bleibt es "die Rache für Königgrätz"; Bundeskanzler Klima verspürt, den klangvollen Namen im Ohr, "eine gewisse Genugtuung"; und der Kaberettist und Sportjournalist Werner Schneyder fordert, "die 'Schlacht von C-rdoba' muß in die Geschichtsbücher", auf daß auch der Spätgeborene lerne, worauf es im Leben ankomme: "den Deutschen Tore zu schießen".

Doch Michael Wassermair und Lukas Wieselberg, die Herausgeber der Festschrift "3:2 - 20 Jahre C-rdoba", erteilten nicht nur denen das Wort, die überall ihren Senf dazugeben, wenn es gilt, ein Jubiläum angemessen zu würdigen. Selbstverständlich parlieren sowohl die Sieger, "Schneckerl" Prohaska, Hans Krankl und Willi Kreuz, als auch die Verlierer, Berti Vogts und Hansi Müller, über das historische Ereignis.

Abgründiges und Tiefschürfendes haben sie zu berichten: Robert Sara verweigerte Rummenigge nach neunzig Minuten den Hemdentausch, weil "das österreichische Trikot nun genauso viel wert ist wie ein deutsches". Der "Flankengott aus dem Kohlenpott", Rüdiger Abramczik schalt Hansi Müller in Erwartung der Niederlage einen "Scheißer", was der wiederum "nicht vergessen" will und kann. Vogts wimmerte noch zehn Minuten vor Ende der Partie verwirrt: "Was wollt ihr überhaupt?!", fühlt sich zwanzig Jahre danach trotz seines Eigentors aber "sehr relaxt".

Der Erkenntniswert des Buches ist dennoch nicht zu unterschätzen. Zum Beispiel erfährt man, daß zu Gijon vier Jahre nach C-rdoba beim abgekarterten 1:0 zwischen der BRD und Österreich einzig Walter Schachner ernsthaften Einsatz zeigte. "Der Schachner", so der ORF-Reporter Edi Finger jun., "hat es nicht gewußt. Der Schachner ist hinauf- und hinunterglaufen, der Briegel hat ihn hundert Mal niedergehauen" und verzweifelt gschrien: "Klärt ihn auf, erzählt es ihm endlich, wie es geht." Der Nichtangriffspakt funktionierte trotz Schachners Alleingängen, und Algerien mußte die Heimreise antreten.

Einer Sensation gleich kommt das Geständnis von Edi Finger dem Jüngeren, sein Vater sei mitnichten am 21. Juni 1978 zum ersten Mal "narrisch" geworden, sondern habe vielmehr bereits an jenem Abend, "als der Hubert Baumgartner in Wien mit der Wiener Austria im Europacup einen Elfer gehalten hat", das Bekenntnis herausgeschrien, das ihn und C-rdoba unsterblich machte. Denn nicht das Ereignis des 3:2 beförderte den Mythos C-rdoba, sondern der Live-Bericht im Radio, der Gesang des Reporters, jenes "Toor!! Toor!! Toor!! Toor!! Tor! I werd narrisch!! Krankl schießt ein! Drei zu zwei! für Österreich - drei zu zwei für Österreich!" Kein Wunder, daß die Attraktion des wundersamen Sammelbandes, der befreiungsnationalistisch verbrämten Suada vom Underdog, der "dem großen Bruder ein Haxl" stellte, Ror Wolfs Radiocollage "C-rdoba Juni 13 Uhr 45" ist.

Doch Wolfs Zusammenschnitt der Live-Reportagen Fingers und seines deutschen Kollegen Armin Hauffe muß man hören und nicht lesen. Die Möglichkeit dazu besteht. Pünktlich zum Jubiläum liegt die von Wolf arrangierte Parallelaktion der beiden Radiomänner erstmals auf CD vor.

Hauffe, der beherrscht, beinahe staksig agierende, ganz der alten Schule Rudi Michels verhaftete Berichterstatter auf der einen Seite, Edi Finger, der krächzende und zeternde Rabe, der die Sensation wittert und doch nicht glauben kann, was sich da 150 Meter von seinem Reporterplatz entfernt abspielt - Ror Wolf vereint sie, damit das Trennende zu Geltung kommt.

Hauffe und Finger: Das Drama aus der Sicht des vermeintlichen und des wirklichen Siegers, die Ansprache ans Publikum, hier distanziert und scheinbar gelassen, dort fiebernd und mit

dem nervösen Zungenschlag des Fanatikers vorgetragen, der Kampf mit den Tücken der Technik, das Ringen nach Worten, der Drang zur Analyse, die Wetterbeobachtung, die Irrtümer und Versprecher. Finger und Hauffe, die das schwierige und anachronistische Handwerk der Radio-Livereportage ausüben, spielen ein Spiel ohne Gegner, das am Ende doch Sieger und Verlierer kennt.

Finger schlägt Hauffe um Längen. Doch lesen und hören Sie selbst: "Bitte, setzen Sie sich wieder nieder, machen Sie sichs bequem, Reden einstellen,

Rauchen ist zu Haus erlaubt, ja? (...) Deutschland führt gegen Österreich mit viel Glück eins zu null (...) und wir wollen auf alle Fälle die Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit, wo gibts die schon (...), Hickersberger zu Hickersberger (...) Hölzenbein, das Stolperbein (...), jetzt hat er uns geholfen, der brave Abramczik und danebengeschossen (...). Ende! Schluß! Vorbei! Aus! Deutschland geschlagen, meine Damen und Herren! I glaub, jetzt hammas gschlagn."

Beleidigt streicht Hauffe nach dem Schlußpfiff mit einem ratlosen "Tja" die Segel, während Finger im Triumph schwelgt, wohl wissend um die große Leistung, die er vollbrachte: "Ich verabschiede mich aus C-rdoba und sage Ihnen überglücklich: Auf Wiedersehn, auf Wiederhörn."

Servus, Edi Finger, du allzu früh Verstorbener.

Michael Wassermair / Lukas Wieselberg (Hg.): 3:2 - 20 Jahre C-rdoba. Döcker Verlag, Wien 1998, DM 37

Ror Wolf: Radio-Collagen (1). Fußball WM 1974 und 1978. Anabas-Verlag, Frankfurt/M 1998, DM 29,80