Der Oranier-Orden will durch die Garvaghy Road marschieren

Mörderischer Höhepunkt

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Die alljährliche Saison der protestantischen Paraden erreichte in Nordirland am 12. Juli - wie üblich - ihren mörderischen Höhepunkt: In der Nacht zum Sonntag sind drei Kinder einer katholischen Familie im Alter von sieben bis zehn Jahren einem Brandanschlag zum Opfer gefallen. In der vergangenen Woche wurden über 70 von Katholiken bewohnte Häuser von militanten Protestanten verwüstet, 93 Geschäfte und Schulen beschädigt, 136 Fahrzeuge gestohlen und verbrannt und weitere 279 demoliert. Isolierte katholische Familien im Ostteil von Nordirland - in jenem Gebiet also, in dem die Protestanten über eine erdrückende Mehrheit verfügen - sind zu dieser Jahreszeit das Hauptziel der loyalistischen Wut. In der Stadt Carrickfergus wurde das einzige von Katholiken betriebene Hotel allein in einer Woche dreimal mit Benzinbomben angegriffen, zudem wurden alle drei katholischen Kirchen in Brand gesteckt. Die katholische Minderheit ist in diesem Gebiet im Lauf des Bürgerkrieges von 40 000 auf 2 000 Menschen geschrumpft.

Bislang ruhig blieb es dagegen im nationalistischen Westen. Die Behörden rechneten am Wochenende jedoch mit einem neuen Höhepunkt der Konfrontationen in der Nacht zum Dienstag: Ein Kreisverband des Oranier-Ordens will am Montag durch die von Katholiken bewohnte Ormeau Road in Belfast marschieren. Ein Versuch der Anwohner, gegen die Entscheidung der unabhängigen Paradenkommission, die den Marsch erlaubt hatte, vorzugehen, wurde vom nordirischen Berufungsgericht zurückgewiesen.

Über das verlängerte Wochenende - Montag ist Feiertag - führt der Oranier-Orden insgesamt 550 Märsche durch. Die britische Nordirlandministerin Mo Mowlam versicherte gegenüber Gerry Adams, dem Chef der republikanischen Partei Sinn Féin, eine Durchsetzung des Marsches durch Drumcree sei nicht beabsichtigt. In Sicherheitskreisen wird darauf spekuliert, daß es in den nationalistischen Hochburgen ruhig bleibt - dank massiver Einflußnahme der IRA. Polizei und Armee könnten so den gesamten Apparat dafür einsetzen, die Mitglieder des Ordens in Drumcree weiter in Schach zu halten.

Mehrere Zehntausend Mitglieder und Sympathisanten des Oranier-Ordens, vor allem aus Belfast und der Grafschaft Antrim, waren am Sonntag auf den Feldern vor den Barrikaden der britischen Armee in Portadown versammelt, um den Marsch durch die Garvaghy Road zu erzwingen. Am Freitag führte die Armee Bauarbeiten an den Befestigungsanlagen durch, Gräben wurden vertieft, Hunderte von Metern Stacheldraht verlegt und 800 weitere Fallschirmjäger nach Portadown eingeflogen. In den Nächten zuvor hatten dort immer wieder heftige Zusammenstöße zwischen Oraniern und Sicherheitskräften stattgefunden. Verstärkung erhielten die Oranier durch bewaffnete Mitglieder der Loyalist Volunteer Force (LVF). Auf die Handgranaten und scharfen Geschosse der Demonstranten antworteten Armee und Polizei bis zum Wochenende nur mit Plastikgeschossen.

"Ich glaube, wir bewegen uns auf eine sehr gefährliche Situation zu, in der es sogar zu einer totalen Konfrontation zwischen den Oraniern, der Armee und der Polizei kommen könnte", erklärte David Jones, Sprecher des Ordens.

Der Versuch, den Marsch durch Drumcree zu erzwingen, wird von den Oraniern als letztes Aufgebot gegen das jüngst geschlossene Friedensabkommen betrachtet. Der fanatische Unionist Ian Paisley verkündete, jeder Mann und jede Frau in Ulster wisse, daß der "zwölfte" die Entscheidung bringen werde. Doch die massive Sicherheitspräsenz, die Ankündigung der Verbringung weiterer Truppen vor Ort sowie Blairs Versprechen, das Durchmarschverbot sei nicht verhandelbar, stehen für eine neue Position in der britischen Nordirlandpolitik. Wie der liberale Londoner Guardian im Leitartikel am Tag vor dem Anschlag auf die drei Kinder schrieb: "Auf den grünen Wiesen von Drumcree stößt das alte Oraniertum hoffentlich zum letzten Mal seinen giftigen Atem aus. Im Jahr 1998 gibt es eine New Labour Regierung. Sie kann nicht kapitulieren. Sie muß nicht kapitulieren."