Das Treffen der Wehrmachts- und SS-Veteranen in Mittenwald

Ehrenbezeugung für Opa

Zum diesjährigen Treffen von Wehrmachts- und SS-Veteranen in Mittenwald entsandte die Bundeswehr hochrangiges Personal. Angesichts der »Traditionspflege« der Armee verwundert das nicht.

Wenn am Samstag Menschen nach Mittenwald reisen, um »gegen die Traditionspflege der Gebirgs­jäger« zu demonstrieren, liegt der Anlass ihres Protests schon beinahe zwei Wochen zurück. Am Sonntag voriger Woche fand in dem bayrischen Ort das Treffen von Wehrmachts- und SS-Veteranen statt, zu dem der »Kameradenkreis der Gebirgsjäger« jährlich lädt. Ein 50köpfiges Gebirgsmusikkorps der Bundeswehr spielte und ein besonderer Hauptredner trat vor insgesamt 500 Zuhörern auf: Generalleutnant Hans-Otto Budde. Er ist seit 2004 Heeresinspekteur und empfahl im Jahr seines Amtsantritts den Bundeswehr­soldaten den »archaischen Kämpfer« und den, »der den High-Tech-Krieg führen kann«, als Vorbilder.
Die Bundeswehr zeigte sich unbeeindruckt davon, dass sie in den vergangenen Wochen in die Kritik geraten war. So berichtete das ARD-Magazin »Kontraste« im April über die Ehrenmitgliedschaft von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) im »Bund der Pioniere«, dem auch ehemalige Mitglieder der Waffen-SS angehören. In Ausbildungsbüchern der Bundeswehr sind dem Magazin zufolge immer noch »Heldengeschichten der Wehr­macht« zu finden.

Und es gibt noch weitere Beispiele für diese Art der Traditionspflege der Bundeswehr: In einem »Wegweiser« für den Afghanistan-Einsatz, der in dritter Auflage an junge Bundeswehrsoldaten verteilt wird, kommt ein ehemaliger Kommando­soldat der Wehrmachtssondereinheit »Brandenburger«, Dietrich Witzel, unkommentiert zu Wort. Der »Wegweiser« wird vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt verantwortet und soll der »militärischen Einsatzunterstützung« dienen. Die »Brandenburger« waren eine Sondereinheit der Wehrmacht, die an Sabotage-, Spionage- und Terroraktivitäten in aller Welt beteiligt und für zahlreiche Kriegsverbrechen, besonders im Rahmen der Partisanenbekämpfung, verantwortlich war. Witzel selbst war an Geheimaktionen in Afghanistan und in der Ukraine beteiligt.
Mangels einer seriösen Forschung zu den »Brandenburgern« darf Witzel seit 1990 seine Sicht in militärhistorischen Zeitschriften der Bundeswehr darlegen. In der Europäischen Wehrkunde schwärmte er beispielsweise von der großartigen Zusammensetzung von Hitlers Sondereinheit: »Die erste Voraussetzung war Freiwilligkeit, (…) außerdem eine gewisse, wenn auch gebremste Abenteuerlust, Takt im Umgang mit Fremdvölkern und natürliche körperliche Leistungsfähigkeit.«
Entgangen ist der Bundeswehr offensichtlich, dass sich ihr Autor auch in rechten und rechts­extremen Kreisen bewegt. Witzel ist Mitglied der »Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger« und verfasste bis 2004 Artikel für den Veteranenrundbrief der »Brandenburger«. In dieser Postille bekundeten die »Brandenburger«-Veteranen regelmäßig ihre Verbundenheit mit der Waffen-SS und verurteilten Kriegsverbrechern wie Walter Reder. Zudem gab Witzel 2006 der Deutschen Militärzeitschrift des rechtsextremen Verlegers Dietmar Munier ein Interview und war im Oktober 2008 Ehrengast auf der Geburtstagsfeier des revisionistischen Militärhistorikers Franz Seidler im Haus der rechtsextremen Burschenschaft »Danubia« in München.

Angesichts dieser Tatsachen ist es nicht verwunderlich, dass die Bundeswehr das Treffen der Gebirgsjäger in Mittenwald im 52. Jahr weiterhin unterstützte. Zu einem Gedenkgottesdienst erschienen auch in diesem Jahr mutmaßliche Kriegs­verbrecher: Die Mörder von 317 griechischen Zivilisten in Kommeno und 4 000 italienischen Soldaten in Kephalonia sind nach wie vor in so genannten Traditionskameradschaften organisiert.
Auch Angehörige der 6. SS-Gebirgsdivision Nord sind trotz anderslautender Behauptungen nach wie vor Einzelmitglieder im »Kameradenkreis der Gebirgsjäger«. Der Traditionsverband dieser Division schied 1986 offiziell aus dem Kameradenkreis aus, weil wegen des Besuchs von Helmut Kohl und Ronald Reagan auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg und des Waffen-SS-Treffens in Nesselwang »eine wahre Hysterie gegen alles, was die Bezeichnung SS trug«, ausgebrochen sei, wie es der Vorstand des Kameradenkreises damals formulierte. Der damalige Kommandeur der Gebirgsdivision der Bundeswehr gab eine »Ehrenerklärung« für die Kameraden der »6. SS Nord« ab und regte an, dass es doch am einfachsten sei, wenn die »6. SS Nord« als Verband aus dem Kameradenkreis ausscheide, die einzelnen SS-Kameraden aber Mitglieder blieben. So kam es auch, wie die Geburtstags­listen und Todesanzeigen in der Kameradschaftszeitung beweisen.
Verteidigungsminister Jung trat übrigens nach dem Bericht in »Kontraste« sofort aus dem umstrittenen »Bund der Pioniere« aus. Er habe nichts von der Mitgliedschaft früherer SS-Mitglieder in der Organisation gewusst, sagte sein Pressesprecher. Im Fall des Kameradenkreises der Gebirgsjäger warten die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium anscheinend bis zum letzten Atemzug der NS-Täter, bis sie dem Veteranentreffen in Mittenwald ihre Unterstützung ent­ziehen.