Kim Jong-il und die Bombe

Der geliebte Schnorrer

Nordkorea soll sein Atomprogramm be­enden und kann dafür Hilfslieferungen erwarten. Doch Kim Jong-il will auf die Bombe nicht verzichten.

Kein Land der Welt ist so gut abgeschirmt wie Nordkorea. Während es in gewöhnlichen Diktaturen wenigstens Korrespondenten und dissidente Blogger gibt, hat der »geliebte Führer« Kim Jong-il es verstanden, seine Untertanen vom Rest der Welt zu isolieren. Wer über Nordkorea spricht, muss daher notgedrungen spekulieren, bis der »geliebte Führer« Klarheit schafft. Das hat er nun in zwei wichtigen Fragen getan.
Bis Ende Mai hielten sich Zweifel, ob er tatsächlich Atombomben besitzt. Denn im Oktober 2006 blieb die Explosion weit unter dem für die Zerstörung einer Großstadt erforderlichen Niveau. Der Test war ein Fehlschlag, Kim Jong-il wurde von manchen Experten gar unterstellt, er habe geschummelt und mit konventionellem Sprengstoff eine nukleare Detonation simuliert.
Die Sprengkraft der am 25. Mai gezündeten Bombe wird auf mindestens zwölf Kilotonnen geschätzt, das entspricht etwa der Stärke des über Hiroshima abgeworfenen »Little Boy«, einer Uranbombe. Nordkorea bedient sich jedoch, soweit bekannt, des Plutoniums, das damals in der über Nagasaki abgeworfenen Bombe »Fat Man« verwendet wurde. Wie die Namen andeuten, war die Plutoniumbombe wesentlich größer.
Den Technikern des nicht als Zentrum der Hochtechnologie bekannten Nordkorea dürfte es schwer fallen, einen Sprengsatz herzustellen, der auf eine Rakete passt. Überdies sind die nord­koreanischen Raketen, die theoretisch Europa und die USA treffen könnten, bei allen bisherigen Tests allenfalls einige hundert Kilometer von der Küste entfernt in den Pazifik geplumpst.
Sicher ist nun jedoch, dass Nordkorea eine Atommacht ist. Überdies weiß man nun auch, worauf Kim Jong-il hinaus will. In unzähligen Verhandlungsrunden hatten die USA, Russland und asia­tische Nachbarstaaten ihn davon zu überzeugen versucht, sein militärisches Atomprogramm zu verkaufen. Nordkorea erhielt Nahrungsmittel- und Energielieferungen, mehrere Abkommen wurden unterzeichnet und gebrochen. Lange rätselte man darüber, ob und unter welchen Bedingungen Kim Jong-il zu einem Deal bereit sei. Nun ist klar geworden, dass er beides will, die Hilfe und die Bombe.
Nordkorea ist von ausländischen Hilfslieferungen ökonomisch abhängig. Gewöhnliche Hilfsempfänger sind auch politisch abhängig. Dank seiner Atombomben kann Kim Jong-il hingegen mit größerem Entgegenkommen rechnen, mögen sich derzeit auch alle über ihn empören. Denn die US-Regierung kann sich einen weiteren kostspieligen Krieg nicht leisten, zudem wäre die chinesische Reaktion unkalkulierbar. Sanktionen würden das isolierte Regime nur treffen, wenn sie eine Hungersnot auslösten und die Infrastruktur lahmlegten. Ein Zusammenbruch ihres Systems könnte die Funktionäre jedoch dazu bewegen, mit einem großen Knall abzutreten.
Einen Platz in der Ruhmeshalle der Revolution hat sich Kim Jong-il nicht verdient. Wer es schafft, sich als nuklear bewaffneter Schnorrer von eben jenen Staaten alimentieren zu lassen, denen er täglich die Vernichtung androht, wäre jedoch der beste Anwärter, wenn einmal ein Preis für den durchtriebensten Diktator verliehen wird.