Serie über Serien: »Little Britain«

»Ich bin doch schwuhul!«

Serie über Serien. »Little Britain« ist so britisch wie warmes Bier und politisch völlig unkorrekt.

Mein erstes Mal war purer Zufall; da mich auf den ersten 17 Sendeplätzen meines Fernsehers nichts fesselte, klickte ich weiter auf die hinteren Programme, dort wo ich Verkaufs- und Kindersender und sonstige Absonderlichkeiten gespeichert habe, und dann sah ich es: meinen ersten »Little-Britain«- Ausschnitt auf Comedy Central.
Der überaus moppelige Daffyd, gekleidet in hautenges Latex, erklärte seinen Eltern, warum er es so schwer habe als einziger bekennender Schwuler in dem imaginären walisischen Dorf Llanddewi Brefii. Während die Mutter seine extravaganten, winzigen Oberteile bügelte, erzählte sie ihm, dass doch auch Tante Ann so gerne Muschis lecke, dass Onkel Tom auf »Povergnügen« stehe, die Schwiegermutter gerne dicke Brüste knete usw. Doch Daffyd bestand weiter darauf, der einzige Schwule zu sein und immer habe er es besonders schwer, weil: »Ich bin doch schwuhul!« Er könne auch nicht arbeiten oder einkaufen, denn: »Ich bin doch schwuhul!«
Im Laufe verschiedener Folgen wird jedoch klar, dass es wohl kaum ein Dorf auf dieser Welt gibt, in dem einerseits so tolerante Heteros und andererseits so viele Homosexuelle leben, einschließlich des Küsters und des ­Vikars. Doch von solchen Kleinigkeiten lässt sich Daffyd nicht beeindrucken.
»Little Britain« bzw. seine Produzenten Matt Lucas und David Walliams sind die würdigen Nachfolger Monty Pythons. Sie haben ein ganzes Universum geschaffen, das von einer Vielzahl Charaktere bevölkert wird, jeder einzelne ist geradezu großartig unkorrekt, politisch gesehen. Sie sind entweder fett, inkontinent, schwul oder homophob, behindert oder vertrottelt, asozial, sie hassen Ausländer oder sind schnurrbärtige Tunten in viktorianischen Kostümen. Unterlegt werden die Sketche oft mit einem pseudowissenschaftlichen Kommentar aus dem Off: »Oh, Großbritannien, jeder ist willkommen in Großbritannien. Wir haben montags bis samstags von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Kinder, Hunde und Ausländer müssen leider draußen bleiben!«
In »Little Britain« gibt es das dicke, kleinkriminelle Unterschichtenmädchen, natürlich im rosa Jogginganzug, mit blondgefärbten Haaren und dem dazugehörenden Slang, das sechs Kinder von sieben Männern hat. Dann den gutmütigen, aber trotteligen Sozialarbeiter Lou mit schmierigen Haaren, der den jugendlichen, zurückgebliebenen Rollstuhlfahrer Andy betreut. Solange Lou anwesend ist, spielt der seine Rolle als behindertes Hascherl ganz wun­derbar, sobald er ihm aber den Rücken zudreht, springt Andy aus dem Rollstuhl, rennt einmal um den Block, steuert Flugzeuge oder skatet eine Runde, ist aber immer rechtzeitig zurück, so dass Lou nie etwas bemerkt.
Sehr schön auch die Frau aus der britischen Oberschicht, die einen unüberwindbaren, ja sozusagen genetisch bedingten Ekel vor dem Kontakt mit Homosexuellen, Schwarzen, Ausländern und Obdachlosen hat. Da sie sich aber für die Wohlfahrt engagiert, lässt sich dieser Kon­takt nicht vermeiden, was Maggie jedes Mal dazu bringt, sich auf andere Menschen zu übergeben. Und wenn Maggie sich übergibt, dann hört sie so schnell nicht wieder auf. Niemand kann so weit und so viel kotzen wie sie. Grob ist das auf alle Fälle. Und eklig. Aber auch sehr lustig. Genau wie die höchst inkontinente Frau, die ihr Leiden aber anscheinend nicht bemerkt, stattdessen wegen eines Pickels den Arzt aufsucht, behandelt wird, aufsteht und losstrullt. Literweise. Macht aber nichts, sie stört es eben nicht, ja sie bemerkt es nicht einmal.
Sehr schön auch die Figur des konservativen Abgeordneten, der sich zu immer abstruseren Presseerklärungen genötigt fühlt, weil er schon wieder in einer äußerst kompromittierenden Situation mit einem anderen Herrn angetroffen wurde: »Und dann fielen meine Kleider versehentlich von meinem Körper und ein Teil meines Körpers drang zufällig in den anderen Herrn ein, mit dem ich eigentlich über die Bildungssituation des Landes diskutierte … «
Mittlerweile gibt es drei Staffeln von »Little Britain«. Auf Comedy Central wird die Serie jeden Sonntagabend in einer erstaunlich guten deutschen Synchronisation gezeigt, die DVDs haben Untertitel. Übrigens, Matt Lucas und David Walliams spielen in einem Videoclip zu »I’m With Stupid« der Pet Shop Boys ebendiese. Groß! Und ich, ich möchte einfach auch mal sagen: »Ich kann nichts Schweres tragen, ich bin schwuhul!«