Nachbarschaftsterror

Rote Khmer, Sektion Berlin

Mit den Brandstiftungen an Autos betreiben die Verteidiger der Kieze lediglich den kleinen Terror unter Nachbarn.

Unbekannte klebten vor einigen Jahren an zahlreiche Häuserwände in Berlin-Friedrichshain knallrote Zettel. Auf diesen mokierten sich Gegner der »Kommerzialisierung des Kiezes« und der »Vertreibung armer und sozial benachteiligter Menschen« in einem kurzen Text über zuziehende »Yuppies« und »Bonzen«. Um diese zu vergraulen, empfahlen die Verfasser, das Viertel nach Kräften zu verdrecken und vor allem an möglichst vielen Stellen möglichst viele Hunde­haufen zu hinterlassen.
Dass die Gegner der Gentrification es den ärmeren Bewohnern des Stadtteils, zu denen sie zwar nicht gehört haben dürften, zu deren Stellvertretern sie sich aber berufen fühlten, zumuten wollten, durch knöchelhohen Hundekot zu waten, konnte man damals noch schlicht als hirnrissig abtun. Mittlerweile haben sich einige Kiezkämpfer jedoch darauf verlegt, in Friedrichshain und anderen Stadtteilen möglichst viele Autos in Brand zu stecken. Was angesichts der Aktionsform »Hundekot« schon zu erahnen war, wird nun offensichtlich: In den Vierteln, die von den Gentrification-Gegnern zu »widerständigen Kiezen« erklärt werden, sollen die sozial Benachteiligten nach dem Willen ihrer selbsternannten Vertreter in authentischer Armut leben, d.h. im Dreck und höchstenfalls mit einer Schrottkarre vor der Haustür.
Denn schon die Kategorie des »Yuppies« ist willkürlich. Einen Einkommensnachweis wird eine als solcher denunzierte Person kaum vorlegen. Und die Rolex oder Breitling am Handgelenk könnte nur ein billiges Imitat sein. Die Brandstifter erkunden zudem wohl kaum Tage im Voraus, wer den Wagen fährt. So können sich die Brandstiftungen nicht gezielt gegen das Eigentum von »Yuppies« richten (und wäre es so, wären die Taten nicht sympathischer, sondern nur anders einzuordnen). Der kleine Nachbarschaftsterror kann jeden treffen, dem die Elendsromantik der Kiezverteidiger abgeht und der sich mit einem zu neuen oder zu großen Auto auffällig macht.
Den Brandstiftern ist also nicht daran gelegen, das Privateigentum an Wohnraum infrage zu stellen oder sich diesen anzueignen, sondern das Privateigentum von Personen zu zerstören, die sich dieses aus individuellen Bedürfnissen zugelegt haben – und sei es aus der Lust auf Luxus, aus der manche eben ein Auto auf Raten abstottern, während Partylinke lieber auf das wöchentliche Tütchen Koks sparen. Volker Ratzmann von den Grünen hat die Brandstifter »Kieztaliban« genannt. Der moralische Rigorismus, den ihre Sympathisanten äußern, legt den Vergleich nahe. Doch treffender sollte man sie als die Berliner Sektion der Roten Khmer bezeichnen. Schließlich hat niemand so konsequent Schluss mit dem Privateigentum gemacht wie die kambodschanischen Agrarkommunisten, die sogar die privaten Gemüsebeete von Verhungernden zerstörten, wenn sie diesen nicht gleich mit der Axt den Schädel einschlugen.
Freilich haben es die Berliner Khmer bisher bei der Zerstörung von Sachen belassen. Allerdings ist ihre Liebe zum Feuer auffällig: Etwas absichtlich in Brand zu stecken, ist ein archaischer und symbolischer Akt, der auf eine Auslöschung zielt. Ein Einzelfall, aber ebenso auffällig: Im Bekennerschreiben zum Anschlag vor dem Haus des Berliner CDU-Abgeordneten Robbin Juhnke findet sich eine seltsame Vokabel aus der Welt des Kochens: Zwei Autos habe man »flambiert«. Vielleicht ist die Rede vom Flambieren ja nur eine saloppe Floskel. Vielleicht fehlt dem Verfasser aber tatsächlich noch ein wenig Fleischgeruch.