Persischer rocken

Berlin Beatet Bestes, Folge 2: Kourosh Yaghmaie: Goe-E Yakh (1974)

Nachdem westliche Journalisten erfolgreich eingeschüchtert oder wie Antonia Rados gleich ganz des Landes verwiesen worden sind, kann das Mullah-Regime jetzt mit den restlichen Demonstranten im Iran ohne Zeugen aufräumen. Es spricht viel dafür, dass die Repression im Iran härter wird.
Um ein bisschen Hoffnung zu machen für die Zukunft des Iran, hilft ein Blick in die Geschichte. Meiner ist wie üblich der in die Pop-Geschichte.
Der Iran hatte bis zur »islamischen Revolution« eine kleine, aber sehr westlich orientierte Musikindustrie. 1979 wurde westliche Musik verboten. Die komplette Schallplattenproduktion wurde eingestellt. Die verbleibende religiöse Musik wurde wenig später auf das neue Kassetten-Format umgestellt.
Erste Schellack-Platten erschienen im Iran bereits in den dreißiger Jahren. Allerdings nahm die iranische Schallplattenproduktion erst in den fünfziger Jahren richtig Fahrt auf. Erste westliche Einflüsse führten zu einer neuen persischen Popmusik. Nach 1965 gab es bereits über 100 verschiedene Schallplattenlabels, die meist kleine Auflagen iranischer und westlicher Künstler veröffentlichten. Der im März dieses Jahres erschienene LP-Sampler »Raks! Raks! Raks!« dokumentiert zum Beispiel die iranische Beat-Band-Szene der sechziger Jahre. Aus einer dieser vielen Gruppen, den Ruptures, ging auch Kourosh Yaghmaie hervor, der bekannteste iranische Rockstar der siebziger Jahre. Die vorgestellte Platte ist eine Leihgabe von Minou Zaribaf, die das Rockrätsel für die Jungle World zeichnet. Diese und weitere iranische Singles wurden ihr wiederum von ihrem Vater überlassen, der bereits in den sechziger Jahren nach Deutschland kam. Heute lebt er in Los Angeles. Los Angeles hat heute die größte persische Community außerhalb des Iran, und dort wird das Andenken an diese verlorene Pop-Geschichte auch bewahrt.
Natürlich gibt es heutzutage auch Rock und Popmusik im Iran, sowohl vom Regime abgesegnete als auch Underground. Bereits 2004 erschien auf dem französischen Label Tian An Men 89 der erste iranische Punk-LP-Sampler »The Persian New Waves« (Mawdj-e Naw e Farsi) mit aus dem Iran geschleusten Untergrund-Aufnahmen.
Kourosh Yaghmaie nahm bis Ende der siebziger Jahre zahlreiche Schallplatten auf und trat im iranischen Fernsehen auf. Danach wurde seine Musik verboten, 17 Jahre lang durfte er nicht öffentlich auftreten. Erst 1994 nahm er wieder eine CD auf. Heute spielt er wieder regelmäßig im Iran. Seine erste Single, aufgenommen 1974, wurde ein großer Hit und ist heute ein Klassiker der persischen Popmusik. »Goe-E Yakh« ist ein typischer, trauriger, traditionell angehauchter Song, jedoch mit Klavierbegleitung, einer großartigen elektrischen Gitarre, einem noch schöneren Solo und natürlich Yaghmaies eindringlicher und bewegender Stimme. Die B-Seite »Del Dareh Pir Mishe« ist ein Song im mittleren Tempo mit einer schönen Fuzz-Gitarre und Orgel. Persischer rockte es nie zuvor.
Obwohl das islamistische Regime seit 30 Jahren versucht, die Zeit zurückzudrehen und eine phantasierte, heilige islamische Vergangenheit wiederzubeleben, hat sich die persische Popmusik seit den sechziger Jahren beständig weiterentwickelt. Ein wichtiger Ausgangspunkt war die Musik Kourosh Yaghmaies. Und was immer aus den gegenwärtigen Protesten im Iran wird, ein Bruch hat sich bereits gezeigt. Und das hat noch keine Diktatur lange überlebt. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das Regime zerbricht.