Mach mit in Hamburg

Mit Platzverweisen will die Polizei die Drogenszene im Schanzenviertel bekämpfen. Die autonome Szene reagiert gereizt

"Wer nichts tut, macht mit", wirbt die Hamburger Polizei für eine neue Aktion, mit der sie die Bürger zum Handeln motivieren will. Gehandelt haben am Osterwochenende autonome AktivistInnen im Schanzenviertel der Hansestadt. Dort kam es gleich zweimal zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Am Samstag, dem 11. April, veranstaltete das autonome Zentrum Rote Flora ein öffentliches Frühstück, mit dem gegen die Platzverweise protestiert werden sollte, die die Polizei im Schanzenviertel routinemäßig ausspricht, um "die Verfestigung einer öffentlichen Drogenszene" zu verhindern. Seit Ende März beschert diese Strategie dem Schanzenviertel eine stark erhöhte Polizeipräsenz.

Auch das Protest-Frühstück wollten die Freunde und Helfer nicht unbeobachtet lassen. Direkt vor der Flora parkten sie ein mit zwei Beamten besetztes Zivilauto. Zur Mittagszeit nahm sich eine kleine Gruppe Autonomer des Wagens an. Graffiti-künstlerisch wurde das Fahrzeug als "Zivi" gekennzeichnet, anschließend wurden die noch immer darin befindlichen Beamten kräftig durchgeschüttelt. Ein Fluchtversuch mißlang, weil das Auto bei dem Versuch, rückwärts auszuparken, am Kantstein hängenblieb. Als die Heckscheibe zu Bruch ging, trafen die Kollegen ein. Doch erst nach Beendigung des Frühstücks, als die TeilnehmerInnen die Flora verließen, nahm die Polizei einige von ihnen zur Überprüfung der Personalien kurzfristig fest.

Zwei Tage später gab es erneut Ärger. Unbekannte waren in ein Telefongeschäft in der Straße Am Schulterblatt eingebrochen. Ein Streifenwagen des Polizeireviers 16, der den Laden sichern sollte, wurde von etwa 30 Vermummten angegriffen. "Peter 16/2" sei kurz vor Mitternacht "mit einem Steinhagel" eingedeckt und in Brand gesetzt worden, heißt es im Polizeibericht. In dem entglasten Fahrzeug stellte die Polizei einen "nicht zur Entzündung gelangten Molotow-Cocktail" sicher.

Gleichzeitig errichteten vor der Flora Vermummte brennende Barrikaden. Eine Polizei-Hundertschaft, die alsbald anrückte, wurde ebenfalls mit Steinen beworfen und mit Leuchtspurmunition beschossen. Dabei wurden weitere Einsatzfahrzeuge beschädigt. Die Täter flüchteten und entkamen unerkannt. Immerhin hielt sich die Polizei an ein informelles Arrangement und drang nicht in die Flora ein, sondern wartete draußen, um die Personalien von 16 Besuchern einer Techno-Party aufzunehmen.

"Die Aktion ist eine Reaktion auf die massive Polizeipräsenz der letzten Wochen im Schanzenviertel", weiß ein Anwohner. Seit dem 26. März geht die Polizei mit Platzverweisen gegen die Drogenszene vor, die sich in der näheren Umgebung der Flora etabliert hat. Eine provisorische Holzhütte, die die Floristen gebaut hatten, um die Junkies von den berühmten "Spielplätzen und Hauseingängen" in der Umgebung wegzuholen, ließ der Bezirk Altona am 3. April abreißen.

FixStern, der neben der Flora liegende einzige Druckraum im Schanzenviertel, ist völlig überlastet. Um das zu demonstrieren, schloß die Drogenhilfe-Einrichtung am 23. März für eine Woche und öffnete anschließend mit verkürzten Öffnungszeiten wieder. Vergangene Woche reagierte die Stadt Hamburg: Die Sozial- und Gesundheitssenatorin Karin Roth (SPD) besuchte den FixStern, um zu verkünden, daß der Druckraum künftig wieder 37 Stunden wöchentlich geöffnet sein soll. "Bevor ich in neue Räumlichkeiten investiere, investiere ich lieber in Menschen", stellte sie klar, daß sie einen zweiten Fixraum nicht für nötig hält. Das fehlende Personal wird von einer Drogenberatungsstelle im Stadtteil Billstedt abgezogen.

Der Geschäftsführer des Trägervereins freiraum, Norbert Dworsky, hatte sich zunächst gegen diese Verordnung gewehrt, beugte sich dann aber doch der Staatsgewalt. Er wirft der Senatorin "schlechtes Krisenmanagement" vor.

Seit einiger Zeit verfolgt Hamburg eine Politik, die offenbar zum Ziel hat, die Drogenszene von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Zunächst wurde - noch unter der Regentschaft Henning Voscheraus - die Innenstadt "gesäubert". Kurz nach der Regierungsübernahme der rot-grünen Koalition ließ die Stadt am Hamburger Hauptbahnhof einen Zaun errichten - genau an jener Stelle, an der Konsumenten und Dealer bis dahin Drogen ge- und verkauft hatten. Nun bleibt den Touristen der Anblick der Süchtigen erspart. Überirdisch zumindest - die Szene ist eine Etage tiefer gewandert: in die Verbindungsgänge der unterschiedlichen U- und S-Bahnlinien.

In der Schanze bietet der Hamburger Verkehrsverbund keine solchen Räumlichkeiten. Also wird die Drogenszene per Platzverweis von einer Straßenecke in die nächste gejagt. Dabei scheinen die Behörden bemüht zu sein, die Floristen auf ihre Seite zu ziehen. So meldete sich die parteilose Kultursenatorin Christa Weiss telefonisch in der Roten Flora, um klarzustellen, daß die Repression sich einzig und allein gegen die Drogenszene richte und nicht gegen das autonome Zentrum. Das gleiche ließ Staatsrat Wolfgang Prill aus dem Innensenat den Floristen über Dritte ausrichten. Selbst die Polizei suchte das Gespräch, doch die Flora-Leute lehnten ab. "Keine Einbindung der Flora mit jeglichen Vertreibungsabsichten. Die Situation muß politisch und nicht polizeilich gelöst werden", fordert in bestem Flora-Deutsch ein vergangene Woche veröffentlichtes Flugblatt.

Für die Floristen liegt die Lösung auf der Hand: Legalisierung. "Die Osterunruhen", so prophezeien sie, "werden nicht die letzten gewesen sein, wenn die Polizei ihre repressive Vorgehensweise nicht ändert." Doch damit ist nicht zu rechnen. "Wir werden die Drogenszene weiterhin auf Trab halten", kündigte ein Polizeiführer gegenüber dem Hamburger Abendblatt an.