Bild: RAF-Terror zu billig!

Dead or Alive

Von udo adler

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Kürzlich machte sich Bild-Kolumnist Mainhardt Graf Nayhauß Gedanken über Steckbriefe: "RAF-Terror. Warum nur so geringe Belohnungen?" Aus einer Anzeige in der International Herald Tribune erfuhr der Mann, der ansonsten ebenso Vertrauliches wie Unwichtiges aus Bonn erfährt, von einem Unterschied zwischen den USA und der BRD von umgerechnet zirka 6,5 Millionen Mark: Während das US-Außenministerium und die amerikanische Luftfahrtindustrie vier Millionen Dollar für die Ergreifung der Lockerbie-Attentäter aussetzen, stehen auf jeden Kopf der letzten sechs RAF-Terroristen lediglich 30 000 Mark.

"Im Vergleich zu den Amerikanern beschämend, geradezu lächerlich", meint Nayhauß, verrät allerdings nicht, durch welche Formel er auf sein "beschämend, geradezu lächerlich" kommt. Im Gegensatz zu Nayhauß dürften alle anderen Ladenschwengel dieses Systems zumindest aus den amerikanischen Heimatfilmen wissen, daß sich der Listenpreis für Gerechtigkeit nach der Schwere bzw. Anzahl der Verbrechen berechnet. "Alle 269 Personen an Bord des PanAm-Fluges 103 vom 21. Dezember 1988 und elf andere am Boden in Lockerbie, Schottland", wurden laut International Herald Tribune bei dem Anschlag ermordet. Soviele Menschen brachten jedoch sämtliche RAF-Terroristen aller Zeiten nicht um. Ein Faktor, den vermutlich auch Nayhauß nicht übersah, weshalb er sich mehr auf die gesellschaftliche Position der Opfer verlegt: "Auch die Mörder der ehemaligen Chefs der Deutschen Bank, Herrhausen und der Treuhand, Rohwedder laufen nach wie vor frei herum. Welche Beträge sind zu deren Ergreifung ausgesetzt?"

Immerhin: "Für die Ergreifung der Mörder Herrhausens sind es immerhin 200 000 Mark, von der Bundesanwaltschaft bereitgestellt." Und damit rund 175 000 Mark mehr bezüglich des Chefs der Deutschen Bank als für ein Lockerbie-Opfer (umgerechnet rund 25 000 Mark). Immerhin hat es Amerika soweit also nicht besser, doch es kommt schlimmer, und zwar: "Ganz schlimm: Für die Ergreifung des Killers von Rohwedder wird - weder vom Staat noch von der Wirtschaft - nicht eine einzige Mark geboten. Und das geschehen im reichsten Land Europas!"

Da hat er leider recht: Das Land ist reich, der Mensch ist schlecht. Und mancher furchtbar dumm: "Jedoch seitens der Deutschen Bank, die bei der Vergabe von Krediten an den Baulöwen Schneider etwa 500 Millionen Mark in den Sand setzte, winkt keine Belohnung."

Was aber wollte uns der Adelbetitelte damit sagen? Daß Jürgen Schneider, wäre er Kopfgeldjäger gewesen statt Baulöwe, keine müde Mark erhalten hätte? Daß die Mörder von Herrhausen nicht kreditwürdig sind? Daß Herrhausen die Peanuts für die Ergreifung seiner Mörder besser nicht Herrn Schneider anvertraut hätte? Unsinn, freilich! Wissen wir doch wohl, was er meint, und es stimmt ja obendrein: Im Grund ist der Deutschen Bank sogar das Leben ihres Chefs keinen Pfifferling wert, geschweige denn, daß sich eine Prämie bezüglich desselben rechnen würde, nachdem es beendet worden ist. Ein derart konsequent kapitalismusfreundliches, vulgo: marktwirtschaftlich korrektes (derb: menschenverachtendes) Verhalten gerade seitens der Deutschen Bank gegenüber ihrem Repräsentanten aber ist dann allerdings doch ganz zweifelsfrei zum Schießen.

Womit die wahre Intention der Überschrift von Nayhauß' Kolumne enthüllt wäre: "RAF-Terror. Warum nur so geringe Belohnungen?" Ja, warum bloß? Eigentlich hat sie ihre Sache doch ganz gut gemacht.