Arbeit ohne Ende

Der Club of Rome stellt eine "neue Politik der Vollbeschäftigung" vor: Grundeinkommen, Bürgerarbeit und Streichung der Sozialhilfe

Ein ehrgeizigeres Ziel hätten die Vordenker des "Club of Rome" kaum finden können: Sie haben ein Konzept vorgestellt, wie die Abschaffung der Arbeitslosigkeit in den Industrieländern zu erreichen ist. Der Bericht mit dem Titel "Wie wir arbeiten werden", der Ende Februar präsentiert wurde, schlägt eine staatliche Grundbeschäftigungsgarantie von 20 Wochenstunden vor. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und weitere staatliche Sozialprogramme sollen dafür gestrichen, Bürgerarbeit und freiwillige Tätigkeiten hingegen staatlich anerkannt und gefördert werden. Die Rente soll eingeschränkt werden und das Arbeitsleben soll nicht mehr mit 60 oder 65 Jahren enden, sondern langsam auslaufen.

Der Club of Rome, 1968 als eine Vereinigung von Politikern, Wirtschaftsführern und Wissenschaftlern gegründet, versteht sich als Diskussionsforum über globale Probleme wie Technikentwicklung, Umweltschutz oder Friedenserhaltung. Bekannt wurde er durch den Bericht "Die Grenzen des Wachstums" von 1972. Die Ursachen für die globalen Probleme führten die Autoren damals nicht auf die ungleichen Wirtschaftsbeziehungen, sondern auf das rasante Bevölkerungswachstum der Entwicklungsländer zurück. Neuere Initiativen galten der mikroelektronischen Revolution, der Globalisierung und der Informationsgesellschaft.

Die Autoren des Berichts zur "Politik der Vollbeschäftigung", der Genfer Wirtschaftswissenschaftler und Ex-Manager Orio Giarini und der Ökonom Patrick M. Liedtke, gehen davon aus, daß Arbeit unverzichtbar sei: "Wir sind, was wir produzieren, aber nicht nur im ökonomischen Sinne." Diese Formulierung ist jedoch nicht als Versuch zu verstehen, sich vom Konzept der Vollbeschäftigung und der lebenslangen Erwerbsarbeit zu verabschieden, oder gar an dem Sinn der Lohnarbeit zu zweifeln.

Die Produktion des gesellschaftlichen Reichtums hängt nach Meinung der Autoren nicht mehr an der Produktion von Waren, sondern an Dienstleistungen, die weltweit durchschnittlich etwa 80 Prozent der Produktionskosten und der Beschäftigung ausmachen. Der gesellschaftliche Reichtum bestehe aber nicht nur aus Leistungen, die nach herkömmlichen ökonomischen Wertmaßstäben erfaßbar sind; auch der nicht-monetäre Bereich der Reichtumsproduktion müsse endlich mit einbezogen werden. Das gesellschaftliche Verständnis, was als wirtschaftlicher Wert angesehen wird, müsse sich drastisch ändern: Die klassischen Arbeitsplätze würden durch Rationalisierung und neue Arbeitsstrukturen immer stärker abnehmen, die Erwerbslosigkeit sei daher mit alten Konzepten nicht mehr zu bekämpfen.

Die Lösung der Club of Rome-Vordenker ist ein "Drei-Schichten-Modell" der Arbeit oder genauer der "produktiven Tätigkeit": Die erste Schicht soll ein neuzuschaffender und staatlich garantierter Erwerbssektor sein, der Jobs mit 20 Stunden pro Woche zur Verfügung stellt. Parallel dazu existiert weiterhin der traditionelle Arbeitsmarkt mit einer ausdifferenzierten Beschäftigungsstruktur von der Vollerwerbsstelle bis zur Teilzeitarbeit. Je besser dieser Sektor funktioniere, um so weniger Menschen müßten die Beschäftigungsgarantie in Anspruch nehmen. Die dritte Schicht bildet die freiwillige, unbezahlte Arbeit für die Familie, die Community, die eigene Weiterbildung oder gar das Hobby. Diese Leistungen sollen nur im moralisch-ethischen Sinne als Arbeit zählen.

Brisant sind die politischen Konsequenzen des Vorschlags: Mehr Teilzeitarbeit, flexible Arbeitszeiten, mehr Aus- und Weiterbildung und ein "gleitender Ausstieg aus dem Erwerbsleben" sollen dem Arbeitsmarkt die ersehnte Entlastung bringen. Die zentrale Frage sei, wie Menschen von "18 bis 78 Jahren in das Bemühen der Schaffung und Erhaltung des Wohlstands der Nationen eingebunden werden können". Die normale Erwerbsarbeit soll, da eine staatliche Beschäftigungsgarantie besteht, nicht mehr durch gesetzliche Rahmenbedingungen reglementiert werden.

Um alle Formen von Arbeit attraktiv zu machen, schlagen die Autoren vor, Arbeitslosengeld, staatliche Rentenversicherung und Sozialhilfe gänzlich abzuschaffen. Statt dessen sollen neuen Stellen im Sozialbereich, bei kommunalen Arbeiten und im Umweltschutz oder auch bei Sicherheitsdiensten geschaffen werden.

Die Vordenker des Club of Rome können sich dabei an bereits existierende "Reformprojekte" orientieren. In den USA zielt die "Welfare-Reform" ähnlich wie in Großbritannien auf eine weitgehende Abschaffung staatlicher Sozialleistungen. Und auch in Deutschland werden Konzepte über eine Einführung der "Bürgerarbeit" und eine Ausweitung des staatlichen Beschäftigungssektors bei SPD und Grünen diskutiert.

In Deutschland müßte ein staatlich garantierter 20-Stunden-Arbeitsmarkt immerhin etwa fünf Millionen Stellen umfassen. Derzeit werden pro Jahr etwa 200 Milliarden Mark für Sozialtransfers aufgewendet, von der Arbeitslosenhilfe und Zuschüssen an die Bundesanstalt für Arbeit bis zur Sozialhilfe - pro Erwerbslosem rund 3 500 Mark. Ein Problem haben die Autoren allerdings vergessen: Was soll mit den von den Arbeitenden bereits eingezahlten Mitteln in die Arbeitslosen- oder Rentenversicherung werden, wenn diese Sicherungssysteme nicht mehr existieren? Würde das Konzept umgesetzt, wäre das die wohl größte Enteignung der kapitalistischen Geschichte - die Enteignung der Arbeitenden von den von ihnen selbst finanzierten Sicherungssystemen.