Wenn der Neumond kommt

Die US-Führung hat Schwierigkeiten, die Notwendigkeit des Krieges zu vermitteln

Präsident Clintons Versuch, seinen Bürgern die Notwendigkeit eines Krieges klar und verständlich zu erläutern, hatte in Ohio begonnen. Die Werbetour der engsten Mitarbeiter des Weißen Hauses war wenig erfolgreich: Laute Proteste sowie die Fragen und Bemerkungen der Zuhörer zeigten deren fehlende Kriegsbegeisterung sehr deutlich. Spätere Erklärungen von Regierungssprechern, daß die Kriegsgegner nur eine winzige Gruppe ausmachten und das Forum ansonsten die demokratische Freiheit zur Meinungsäußerung bewiesen hätte, halfen nicht. Denn nicht nur dort zeigte man sich eher pazifistisch: Im Bundesstaat Michigan erklärten Demonstranten, es gehe in diesem Krieg nur ums Öl, Vietnam-Veteranen warnten vor der Gefahr eines ewigen Krieges. Präsident Clinton versicherte trotzdem, die Mehrheit der US-Amerikaner würde einen Angriff unterstützen.

Die Medien hatten seit Wochen trotz ihrer Meldungen über die eher schlechten Aussichten, sich auf diplomatischem Weg mit dem Irak zu einigen, ausführliche Analysen gebracht, die jegliche Kriegslust dämpfen mußten. Der angekündigte Kurzschlag aus der Luft wurde als militärisch-politisch nutzlos dargestellt, Experten und Berichterstatter bezweifelten die Möglichkeit, den Irak auf diese Weise von Saddam Husseins Diktatur befreien zu können. Ein Putsch von Saddams Gegnern als Resultat eines Bombardements sehen sie als gefährliches und unrealistisches Wunschdenken, ebenso wie die Zerstörung der biologischen und chemischen Waffenlager: Trotz geheimdienstlicher Nachforschungen wisse man nichts über die Lagerung der Massenvernichtungswaffen. Die US-Medien informierten ausführlich auch darüber, daß die Alliierten des Zweiten Golfkrieges diesmal, ohne vorausgegangene irakische Kriegshandlung, eher kampfunlustig sind. Am beunruhigendsten auf die US-Amerikaner wirkten allerdings wohl die oft geäußerten Befürchtungen der Experten, ein US-Angriff werde vor allem Opfer unter der Zivilbevölkerung des Irak zur Folge haben. Ex-Präsident Jimmy Carter meldete sich zu Wort: Verfüge der Irak tatsächlich über B- oder C-Kampfstoffe, könne ein Militärschlag gegen die Waffenarsenale verheerende Folgen für die Bevölkerung der Region haben, worunter auch das Image der USA leiden würde.

Die Clinton-Regierung konterte mit einer Kampagne nach dem Motto: "Wenn schon Krieg, dann raus mit der brutalen Wahrheit." Man räumte ein, sogar zahlreiche eigene Opfer unter den Piloten für möglich zu halten. Der Einsatz präzisester neuer Waffensysteme sei geplant, aber versehentliche Treffer auf zivile Objekte seien nicht auszuschließen. Man hoffe, ein Lager mit biologischen oder chemischen Waffen zu finden und zu bombardieren, ohne allerdings auf die möglichen Auswirkungen einer solchen Explosion einzugehen. Die Entscheidung darüber, ob es zu einem Krieg komme, so betonte man immer wieder, liege bei Saddam Hussein.

Seit dem Golfkrieg 1991 ist die US-Technologie wesentlich verbessert worden. Es gibt Bomben, die tief gelegene Bunker, Laboratorien und Lager zerstören können. Es existieren präzisere Waffenarten, die außerdem nachts viel wirkungsvoller sind; von diesen Präzisionswaffen waren 1991 nur knappe acht Prozent eingesetzt worden. Eine verlängerte und intensivere Bombardierung würde nicht nur Angriffe auf Massenvernichtungswaffen, Luftverteidigungssystem und Armee ermöglichen, sondern auf Saddams Nationalgarde, Fernseh- und Kommunikationssysteme, Geheimpolizei, Einrichtungen der Baath-Partei und die als Kommandozentralen angesehenen Präsidentenpaläste. Die Nachrichtenverbindungen auch zu Saddam Husseins nächsten Vertrauten könnten so unterbrochen werden. Dieses nach voraussichtlich zwei Wochen Bombardierung erreichte Chaos bietet nach Meinung der Militärs die Voraussetzung für einen Putsch. Dann aber veröffentlichte die New York Times am vergangenen Freitag einen Kriegsplan, der angeblich von Clinton schon im Januar abgesegnet worden ist: einfach vier Tage rund um die Uhr Bomben auf bestimmte Ziele im Irak runterregnen lassen. Ein relativ simpler Plan, auch wenn man dem neuen Oberkommandierenden General Henry Shelton und dem neuen Operationschef Tony Zinni bessere Qualitäten als ihren Vorgängern zuschreibt. Am Samstag jedoch dementierte der Nationale Sicherheitsberater Samuel Berger den Bericht der New York Times energisch, ohne genauer zu erläutern, wie nach den für die Militärs ärgerlichen Budgetkürzungen endlich bewiesen werden könne, daß Armee und High-Tech für die Sicherheit der USA unabdingbar sind.

Denn die wirkliche Gefahr wird jetzt der Öffentlichkeit nicht mehr vorenthalten. Der biologische Krieg könne jederzeit in die USA kommen, warnt plötzlich eine Panik-Kampagne in den Medien. In Las Vegas wurden plötzlich zwei Männer verhaftet, einer von ihnen "Oberstleutnant" der "Aryan Nation" - einer rassistischen Vereinigung, aus deren Reihen schon die Attentäter von Oklahoma stammen - in deren Besitz Anthrax-Bazillen gefunden wurde. Damit hätte man, so hieß es zunächst, eine Stadt wie New York vergiften können, die Kommentatoren betonten, eine einzige vom Diktator geschickte Person könne uns alle töten. Die B-Waffenmasse stellte sich jedoch schnell als harmloser Impfstoff heraus. Am 26. Februar sei im Nahen Osten Neumond und rund sechs Nächte somit alles duster. Perfekt. Also Attacke! Der nächste Neumond kommt erst am 28. März.