Von Margaret Thatcher siegen lernen

Die Proteste von Griechenlands Bauern sind vorbei. Bei den Staatsbetrieben drohen die nächsten Auseinandersetzungen

Nach 15 Tagen war die Luft raus: Die griechischen Bauern kehren geschlagen auf ihre Felder zurück. Ohne das kleinste Zugeständnis von Regierungsseite wurden die letzten Blockaden Mitte vergangener Woche aufgelöst. Zuvor war es vor allem im Norden Griechenlands zu Blockaden an täglich wechselnden Stellen der Hauptverkehrsstraßen, zur Abriegelung des Flughafens Traklion, zu Konzerten auf der Nationalstraße Athen-Thessaloniki oder zu Traktor-Paraden gekommen, die den Verkehr zum Erliegen brachten. Die überraschende Wende in dem Konflikt erfolgte nach dem Besuch mehrerer oppositioneller Parteiführer bei blockierenden Bauern am Anfang vergangener Woche. Sowohl Kostas Karamanlis von der konservativen Nea Demokratia (ND) als auch der Vorsitzende der Linksallianz (Synaspismos), Nikos Konstandinopoulos, äußerten dabei zwar Verständnis für die Sorgen der Bauern, kritisierten jedoch die Form des Kampfes. Der Regierungssprecher von der sozialdemokratischen Pasok, Dimitris Reppas, brachte die Forderung der Politik auf die Formel: "Offener Dialog bei offenen Straßen".

Entzündet hatte sich der Konflikt an den gleichen Forderungen wie der von November/Dezember 1996: Den Bauern ging und geht es darum, die Folgen des GATT-Abkommens abzuschwächen. Von der Revision der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik und der Kürzungen der Subventionen sowie geringerer Abnahmekontingente sind vor allem traditionelle griechische Erzeugnisse betroffen. Die Bauern verlangten deshalb die Rücknahme der EU-Kontingentierung, Preisstützung für Baumwolle, Tabak, Orangen, höhere Hilfen für die Olivenölgenossenschaften und die Streichung alter Schulden. Letztere waren vor allem durch die von früheren Regierungen propagierte Aufnahme von Krediten für Maschinen, Dünge- und Pflanzenschutzmittel entstanden. Neu hingegen war die Forderung nach Einstellung der mehr als 6 000 Strafverfahren gegen Bauern wegen ihrer Teilnahme an den Kämpfen im vergangenen Winter, mit denen, so ein Sprecher auf einer Kundgebung in Larissa am 11. Februar, ein ganzer Zweig der Gesellschaft "kriminalisiert und diszipliniert" werden solle. Kurz zuvor hatten in einer gemeinsamen Erklärung elf Wirtschaftsverbände und Kammern, darunter der Industrieverband und die Industrie- und Handelskammern von Athen und Thessaloniki, die Regierung aufgefordert, den Bauern im Dialog klar zu machen, daß die "Wettbewerbsfähigkeit der Agrarprodukte" nicht mehr auf "Zuschüssen und Schuldenerlassen" gründen könne.

Entgegen der radikalen Parolen der vergangenen Wochen stimmten die Pasok- und ND-kontrollierten Bauerngewerkschaften in ihren Sitzungen am 17. Februar für die Beendigung der Blockaden und Mobilisierungen; die Beschlüsse wurden noch am Abend rund um Thessaloniki in die Tat umgesetzt. Nur noch unterstützt von der KKE, der Kommunistischen Partei Griechenlands, beschlossen auch unabhängige und KKE-Bauernkomitees die "zeitweilige Aussetzung" des Kampfes. Auch wenn das KKE-Organ O Risopastis (Der Radikale) am folgenden Tag von einem taktischen Rückzug und der Vorbereitung "neuer und noch stärkerer Bauernmobilisierungen" schrieb, kann diese Art Verbalradikalismus nicht über die Niederlage hinwegtäuschen.

Den Bauern, die rund 23 Prozent der Bevölkerung darstellen, ist es nicht gelungen, unabhängig von Parteien für ihre Lebensgrundlagen zu kämpfen. Der nun mit ihnen begonnene "offene Dialog" wird wohl bald damit enden, daß ihre Forderungen als unerfüllbar zurückgewiesen werden. Schließlich fühlt sich die Regierung einem Beschluß der EG-Landwirtschaftskonferenz verpflichtet, nach dem der Anteil der Bauern auf sieben Prozent der griechischen Bevölkerung verkleinert werden soll. Da dies den Bauernführern seit langem bekannt ist, war ihre Forderung nach Subventionierung aller Bauern reine Heuchelei - was in dem Moment offensichtlich wurde, als sie von ihren Parteiführungen zurückgepfiffen wurden. Nur die KKE hält dagegen. Sie will das Rad der Geschichte zurückdrehen und "raus aus der EU", um eine "nationale Agrarpolitik" zu betreiben - eine Forderung, die außer der eingeschworenen KKE-Gefolgschaft kaum jemand in Griechenland unterstützt. Die undogmatische/anarchistische Bewegung, die relativ stark in den städtischen Zentren verankert ist und immer wieder den Bauern ihre Solidarität bekundete, hat keinerlei Alternativen zu bieten. Nicht präsent in den Dörfern und ohne konkrete Vorstellung, wie eine andere landwirtschaftliche Produktion aussehen könnte, blieb ihre Unterstützung kraftlos.

Durch die Neutralisierung der Bauern und die heftige Krise innerhalb der oppositionellen Nea Demokratia ist nun der Weg für die Pasok-Regierung frei, das, was sie unter Modernisierung versteht, mit der Umstrukturierung der Staatsbetriebe fortzuführen. Die Probe auf die Widerstandsfähigkeit der Gewerkschaften soll bei der maroden Fluggesellschaft Olympik Airways (OA) erfolgen. Von Teilen der Gesellschaft erhofft sich die Regierung Unterstützung, wird OA doch gleichgesetzt mit "starken Gewerkschaften", "zu hohen Löhnen" und "schlechtem Service".

Der Ausgang dieses Konfliktes wird von entscheidender Bedeutung für weitere Regierungspläne sein, die die Umstrukturierung der chronisch in den roten Zahlen steckenden Griechischen Bahnen (OSE), die Athener Verkehrsbetriebe (OASA), die Post (ELTA), die Hellenic Aerospace Industry (EAB) und die Hellenic Vehicle Company (EOB) vorsehen. In den noch erschwinglichen Preisen - beispielsweise kostet eine Bahnfahrkarte für die etwa 500 Kilometer zwischen Athen und Thessaloniki umgerechnet etwa 35 Mark, ein Busfahrschein 50 Pfennig - und den gewerkschaftlich hochorganisierten Belegschaften haben die Modernisierer der Sozialdemokraten die Hauptgründe der unzureichenden Wirtschaftlichkeit ausgemacht. Die Preise "anpassen", die Mitspracherechte der Gewerkschaften beschneiden, um so für die "Gesundung" der Betriebe zu sorgen - das sind für Ministerpräsident Simitis die Voraussetzungen für die gesteigerte "Wettbewerbsfähigkeit des Landes" und die Erfüllung der Maastrichter Konvergenzkriterien. Laut Financial Times erklärte Wirtschafts- und Finanzminister Jannos Papantoniou, wenn sich die Regierung in diesen Betrieben gegen die Gewerkschaften durchsetze, hätte dies die gleiche Bedeutung wie der Sieg Margaret Thatchers über die britischen Kohlearbeiter.