Getrennte Schwestern

Beim Million Woman March wurden linke und linksliberale Frauen ausgebootet. Die Sprecherinnen kamen aus den Reihen der Nation of Islam

Weder vom Staat noch von der Familie, insbesondere nicht von den Männern, erwarten sich die schwarzen Frauen in den USA Unterstützung oder Hilfe, um aus dem Teufelskreis der Armut ausbrechen zu können. Die marginalisierten Frauen - es sind mehrheitlich Schwarze - leben in den Ghettos, ohne die Aussicht, daß sich dies ändern wird, denn die Schulen, die sie besucht haben, sind katastrophal; der soziale Aufstieg scheint ausgeschlossen. Da kaum eine der Frauen eine ausreichende Schulbildung oder gar einen Berufsabschluß vorweisen kann, müssen auch die miesesten unterbezahlten Jobs angenommen werden. Die Wohlfahrt bietet immer nur kurzzeitig Unterstützung an; nach Ablauf einer Frist, innerhalb derer die Frauen einen Job gefunden haben müssen - und eine bezahlte Aufsicht für die Kinder - wird das Geld wieder gestrichen, gleichgültig, wie realistisch solche Vorgaben sind. Die große Mehrheit dieser Frauen ist alleinerziehend; auch auf die Alimentenzahlungen der in den meisten Fällen ebenfalls schlecht verdienenden Väter ist kein Verlaß.

Der Ende Oktober veranstaltete Million Woman March sollte, so hatten es die Initiatorinnen propagiert, vor allem unabhängig von männlichen Unterstützern organisiert und durchgeführt werden. Aber war die Protestkundgebung tatsächlich eine Demonstration weiblicher Autonomie, wie die Organisatorinnen suggerieren wollten? Immerhin, die Medien berichteten freundlich über die Teilnehmerinnen und schätzten ihre Zahl auf zwischen 300 000 und 1,5 Millionen. Unter dem Banner Million Woman March waren jedoch nur afro-amerikanische Frauen zur Fahrt nach Philadelphia aufgerufen worden. Einige Frauen begründeten dies damit, daß man schließlich irgendwo anfangen müsse, und die soziale Situation der Schwarzen sei eben die prekärste.

Bereits einige Jahre zuvor hatten sich schwarze Aktivistinnen der Stadt entschieden, den Protestmarsch zu organisieren. Sie wollten dabei im Gegensatz zu den professionell und auf nationaler Ebene organisierten Männermärschen des Louis Farrakhan, Führer der Nation of Islam, und der vorwiegend weißen fundamentalistisch-christlichen "Promise Keepers" auf jegliche Unterstützung von einflußreichen kirchlichen und politischen Organisationen verzichten; auch waren sie nicht bereit, prominente Vertreterinnen politischer und religiöser Verbände einzuladen, denn Unabhängigkeit sei das Ziel. Die Geschichte sozialer Abhängigkeit von Frauen sei lang genug, konterte man die massive Kritik schwarzer Führer am Alleingang der Frauen.

Angela Davis erklärte gegenüber Jungle World, sie habe nichts gegen einen Marsch schwarzer Frauen, jedoch seien "alle Vertreterinnen der linken und liberalen Szene bewußt vor den Kopf gestoßen worden". Ihr Erscheinen sei unerwünscht gewesen. Deshalb hätten bereits "zu Beginn der Planung alle politisch verantwortungsvollen Frauen eine weitere Mitarbeit verweigert und dies auch öffentlich bekanntgegeben". Anstelle prominenter Sprecherinnen habe man bekannte Anhängerinnen und Mitglieder von Farrakhans Nation of Islam als Rednerinnen engagiert. Auch die auf dem Marsch hochgejubelte Congress-Abgeordnete Maxine Waters sieht man unter den Linksliberalen nicht als schwarze feministische Vertreterin der Demokratischen Partei, sondern eher als schwarze Demagogin, die, um Wählerinnenstimmen zu werben, zu jedem Zugeständnis gegenüber Farrakhan bereit sei. Ein Verschweigen der wahren Hintergründe des Million Woman March könne nicht im Interesse der Afro-Amerikanerinnen sein - und wenn als einziges internationales Idol schwarzer Frauen die auch in ihrer Heimat Südafrika mehr als umstrittene Winnie Mandela gefeiert werde, müsse auch dies als Warnzeichen erkannt werden.

Ava Muhammed von der Nation of Islam hatte auf der Kundgebung erklärt, daß schwarze Frauen nicht mit weißen Männern schlafen dürften, es sei denn, sie wollten als Verräterinnen an der Sache der Befreiung gelten. Und sie beschimpfte die "Tausenden von langzüngigen Onkel Toms, die unsere Seele für einen Job verkaufen und Lunch mit weißen Leuten essen". Maxine Waters warnte vor weißen Verschwörern, die die Vernichtung der Schwarzen planten. Comedian Dick Gregory forderte, Thanksgiving und Weihnachten zu boykottieren, bis das CIA Dokumente zu dieser geplanten Vernichtung offengelegt habe. Unter dem Schutz von Nation of Islam-Ordnern wurde die aus einem von den Organisatorinnen vorbereiteten Zwölf-Punkte-Programm stammende Forderung nach streng getrennten rein schwarzen Schulen, nach "rassisch getrennten" Wohngebieten verlesen sowie der allgemeine Anspruch auf Rassentrennung erhoben. Entschieden verurteilt wurden die für ein friedliches Zusammenleben eintretenden schwarzen Organisationen NAACP und Urban League.

Um den Kampf gegen den Ausschluß von Frauen aus der Gesellschaft oder den Protest gegen politische und soziale Ungerechtigkeit ging es hingegen kaum. Nur eine Sprecherin forderte dazu auf, das vor allem Schwarze betreffende Obdachlosenproblem zu lösen, Wiedereingliederungs-Programme für haftentlassene Frauen sowie bessere Bildungschancen zu schaffen, es gehe um die Jugend und deren Zukunft. Fast alle Sprecherinnen verlangten, die Botschaft der Demonstration in die Kommunen zu tragen. Viele Schwarze fragen sich nun besorgt, welche Kräfte in Zukunft in diesen Kommunen bestimmen werden. Die Organisatorinnen planen bereits, den Million Woman March auf internationaler Ebene zu wiederholen. Mit Farrakhans Rezepten? Da sollte man wirklich das politisch korrekte Schweigen brechen.