Gaskammern? Wo denn?

Sauerländer Aktionsfront vor Gericht. Im Prozeß gegen den Donnerversand leugnet sogar der Rechtsanwalt den Holocaust

Ein Gerichtssaal voller Nazis und zwei Anwälte, die in diesen Kreisen gern gesehen sind. Dieses Bild bietet sich zur Zeit vor dem Landgericht Hagen, wo seit dem 16. September die Berufungsverhandlung gegen die beiden Geschäftsführer des rechtsextremen Donnerversandes stattfindet. Harald Theodor Mehr und Stephan Haase zwei ehemalige Mitglieder der verbotenen Nationalistischen Front (NF), die heute zur Sauerländer Aktionsfront (SAF) gehören, waren Ende letzten Jahres zu sieben Monaten Haft auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von 2 000 Mark verurteilt worden. Das Gericht sah es damals als erwiesen an, daß sich die zwei bekennenden Nazis der Volksverhetzung schuldig gemacht und Kennzeichen einer verfassungsfeindlichen Organisation verbreitet hatten.

Das Lüdenscheider Naziunternehmen Donnerversand ist eine der wichtigsten rechtsradikalen Propagandazentralen in der BRD. Er hat mittlerweile eine wesentlich bedeutendere Funktion, als es der Klartext Versand des NF-Führers Meinolf Schönborn hatte. Haase, Mehr und ihre Helfer haben das Unternehmen gut durchorganisiert. Neben dem Donnerversand sitzen in der Hasleystraße in Lüdenscheid auch der Versand von Holger Stenzel vom Deutschen Jugendbund Werdohl (DJB) und der Landwehrversand des aus Schalksmühle stammenden Alexander Schloss. Die beiden Unternehmen besitzen ein wesentlich kleineres Sortiment als der Donnerversand und bieten hauptsächlich Aufkleber, Flugblätter und Broschüren mit variablen Adreßfeldern an.

Der Mitinhaber des Donnerversandes, Harald Theodor Mehr, betätigt sich nicht nur als Kaufmann. Er tritt auch gelegentlich als presserechtlich Verantwortlicher für die in seinem Versand erscheinende faschistische Hetzschrift Widerstand auf. Zu den weiteren Produkten der Lüdenscheider zählen unter anderem Zeitschriften wie die Unabhängigen Nachrichten und das Video "Der Staatsfeind Nummer 1" über den Alt-Nazi Thies Christophersen, in dem dieser den Holocaust leugnet. Daß es einen großen Markt für rechtsextreme Artikel aller Art gibt, beweist die Auflagenhöhe ihres Versand-Kataloges: 5 000 Stück ließen die Sauerländer Nazis drucken.

Zwei Artikel aus jenem Katalog wurden Mehr und Haase im Winter 1995 zum Verhängnis. Der polizeiliche Staatsschutz durchsuchte die Räume des Donnerversandes und beschlagnahmte das Christophersen-Video und T-Shirts mit dem Emblem der verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann.

Mit der jetzt vor dem Hagener Landgericht laufenden Berufungsverhandlung wollen die Nazis gegen ihre Bewährungsstrafe vorgehen. Zu ihrer Verteidigung haben sie zwei in der rechtsextremen Szene beliebte Anwälte gewonnen: Günther Herzogenrath-Amelung und Hans Günter Eisenecker. In dem Prozeß wurden mehrere rechtsextreme Zeugen gehört. So sollte etwa der 46jährige Herausgeber der im Verbund mit der nazistischen Berlin-Brandenburger-Zeitung erscheinenden Westdeutschen Volkszeitung, Rüdiger Kashner aus Hagen, den Richtern erklären, wie er zu dem umstrittenen Video gekommen sei. Kashner gab zwar zu, das Video gesehen zu haben, wollte sich aber beim besten Willen nicht erinnern können, woher er das Band hat.

Die Anwälte versuchen mit juristischen Tricks die menschenverachtenden Anschauungen ihrer Mandanten zu legitimieren. Herzogenrath-Amelung stellte den Antrag, das Gericht möge den Prozeß aussetzen und erst einmal das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden lassen, ob der Volksverhetzungs-Paragraph nicht verfassungsfeindlich sei. Als Begründung führte der Regensburger Verteidiger an, daß "Wissenschaft und Forschung frei und nicht von einer bestimmten Auffassung und Theorie abhängig" seien. Naheliegenderweise erklärte er die "Ausschwitzlüge" von Thies Christophersen zu einem wissenschaftlichen Beitrag. Nachdem der Oberstaatsanwalt dem rechten Rechtsanwalt vorgeworfen hatte, die Leugnung des Holocaust zu unterstützen, erwiderte Herzogenrath-Amelung: "Fahren Sie nach Ausschwitz, informieren Sie sich, und zeigen Sie mir ein einziges Foto einer Gaskammer." Die Äußerung brachte den SAF-Führer Thomas Kubiak, der wie rund 40 seiner Kameraden den Prozeß verfolgte, zum Schmunzeln.

Offensichtlich von den Anträgen irritiert, äußerte der Vorsitzende Richter Winfried Pletzinger: "Die Argumente der Verteidigung kann man nicht einfach vom Tisch wischen." Am folgenden Verhandlungstag verkündete er dann seinen Beschluß, daß der Antrag der Verteidigung, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens nicht zulässig sei. Dennoch räumte er ein, daß nach Beendigung der Beweisaufnahme die Möglichkeit bestehe, den Antrag erneut zu stellen; wörtlich: "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben." Der Prozeß endet voraussichtlich am 6. Oktober.