»Alles mehr symbolisch«

2 000 AtomgegnerInnen demonstrierten und demontierten vor dem AKW Krümmel. Polizei setzte auf Harmonie

Selten waren sich Polizei und Atomkraftgegner so einig: "Unser Konzept ist aufgegangen", bewerteten gleichlautend die Sicherheitskräfte und das norddeutsche Anti-Atom-Bündnis "Nix mehr" die Schienen-Aktionstage vor dem schleswig-holsteinischen Atommeiler in Krümmel. Rund 2 000 AtomgegnerInnen hatten am vergangenen Wochenende in der Nähe des Kraftwerksgeländes gegen den Reaktor demonstriert und Teile der Gleisanlagen demontiert, auf denen der Krümmeler Atommüll seine Reise ins französische La Hague antritt.

Die schleswig-holsteinische Polizei hatte vor Beginn der Aktionen verkündet, auf "Deeskalation" zu setzen. Die überwiegend ohne Schutzschild, Helm und Schlagstock auftretenden Beamten beschränkten sich weitgehend darauf, die Situation "unter Kontrolle zu halten". Während sich mehrere vermummte Jugendliche mit einer Zange an der Gleisbefestigung zu schaffen machten, andere AtomgegnerInnen mit bloßen Händen die Schienen unterhöhlten, schauten die anwesenden Polizisten aus sicherer Distanz zu. "Wir müssen nicht eingreifen", verriet einer der Beamten per Funk seinem Einsatzleiter: "Das ist alles mehr symbolisch, was die hier machen." Auch als rund 50 AtomgegnerInnen am Samstag Gips und Schrott auf die Gleiskörper schütteten, um diese unbefahrbar zu machen, griff die Polizei, die mit insgesamt 1 000 Beamten vor Ort war, nicht ein.

Zu kleineren Auseinandersetzungen kam es hingegen, als am Sonntag rund 200 Personen die Schienen unmittelbar vor dem Atomkraftwerkstor besetzten und mehrere Gleisstücke abmontierten. Die Einsatzkräfte der Polizei räumten rund 80 Personen von der Bahnstrecke, verzichteten aber auf den Einsatz der mitgeführten Wasserwerfer. Nach Angaben von Polizeisprecher Frank Jäger gab es hier keine Festnahmen. Von mehreren Dutzend BlockiererInnen seien lediglich die Personalien festgestellt worden. Am Tag zuvor waren 16 AtomgegnerInnen nach "Gefahrenabwehrrecht" vorläufig festgenommen worden, nachdem auf den Schienen eine hölzerne Barrikade in Brand gesetzt worden war. Auch in der Nacht zu Sonntag nahm die Polizei 14 AtomgegnerInnen kurzzeitig in Gewahrsam, am Sonntag mittag wurden noch einmal 20 DemonstrantInnen festgenommen, die gegen das Vermummungsverbot verstoßen hatten. "Wir werfen keiner dieser Personen Straftatbestände vor", erklärte Frank Jäger gegenüber der Jungle World.

"Nix mehr" zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf der zwei Tage. Zwar habe man das angepeilte Ziel verfehlt, 5 000 Menschen nach Krümmel zu mobilisieren, doch hätten die zahlreichen Kundgebungen und Aktionen den Blick auf die Castor-Transporte in die Wiederaufarbeitungsanlage La Hague gerichtet, die erst in der vergangenen Woche von sich reden machte, als ihr Direktor zugeben mußte, daß man Atommüll-Fässer einfach ins Meer gekippt hatte. Ein Ziel des Wochenendes sei es gewesen, der Kritik von Bundesumweltministerin Angela Merkel "den Wind aus den Segeln zu nehmen", erklärte Wolfgang Ehmke, der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Merkel hatte sich "verwundert" darüber gezeigt, daß Atom-Transporte nach Gorleben stets von Tausenden von AtomkraftgegnerInnen blockiert würden, während es bei der Verschickung ausgedienter Brennelemente ins Ausland wenig Proteste gebe. "Das haben wir uns zu Herzen genommen", begründete Ehmke die Aktionen in Krümmel. Das Wochenende solle eine bundesweite Kampagne gegen die Aufarbeitung von deutschem Atommüll im Ausland einleiten, in deren Rahmen auch eng mit Atomkraft-GegnerInnen in Frankreich und England zusammengearbeitet werden soll.

Ein Anfang für eine solche Zusammenarbeit wurde in Krümmel bereits gemacht. Während die norddeutschen AtomkritikerInnen am Sonntag mittag an den Gleisen schraubten, hielten Gegner der französischen Atompolitik in Lille eine Unterstützungskundgebung ab. Bereits an der Auftaktkundgebung des Schienen-Aktionswochenendes in Geesthacht hatten Mitglieder der Anti-Atom-Initiative aus La Hague teilgenommen. Der Aktionsfahrplan der Anti-Atombewegung für den Herbst steht bereits fest: Für den 18. Oktober sind Demonstrationen und Blockaden vor dem Atommüll-Zwischenlager im Ahaus geplant. Wenn Anfang November der nächste Atomtransport nach Frankreich Krümmel verläßt, soll es erneut zu Schienenblockaden kommen.