Geruch wie tote Socken

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"Kambodscha gibt es nicht. Der Krieg hat es zerfetzt. Nur noch Splitter da, die tun als seien sie ein Land und sind nur Dreck ... Die Stadt ist wie ein Ameisenhaufen. Jemand hat einen Stock reingesteckt und nun laufen sie alle ganz schnell, und warum ist nicht klar ... Die Gefahr. Kann man nicht sehen. Nicht spüren. Asiaten sind klein. Lächel. Sind freundlich."

Die, die da so kenntnisreich und frei von biologistischen Ressentiments die Spalten des Zeit-Magazins füllt, ist Sibylle Berg. Zwar ist Frau Berg 1962 in Weimar geboren, gibt sich aber gern als 29 aus, und weil man beim Zeit-Magazin nicht richtig rechnen kann, darf sie dort mit anderen leicht angegrauten Herrschaften die Kolumne "Junges Deutschland" bewirtschaften. Stilistisch würde man ihr auch die Zwölfjährige abkaufen. In von keinerlei Weltkenntnis oder Reflexion getrübten elliptischen Sätzen hat sie eine Form von infantilem Realismus kultiviert, wie er offensichtlich bei akademisch verbildeten Senioren und bei ganz jungen Lesern, vor allem bei Leserinnen, prima ankommt. Zuschriften belegen das. Da beginnt jeder Satz mit "da", und es gibt viel "so" und so. Da kommt dann so ein Gefühl von so einer Unmittelbarkeit auf.

In der "Ganz-Junge-Frauenzeitschrift" Allegra liest sich die vordem als seriöse Reportage getarnte Kambodscha-Story dann auch ganz anders. Den Anlaß für die Reise bildet hier ein in Kambodscha beheimateter Karatelehrer namens Frank, dem das Berg-Girlie in romantischer Verzückung hinterhergereist ist. Die Summe der Eindrücke aus Ameisenhaufenstadt, gefährlichen Asiaten und gestrandeten "Versagern" gipfeln hier in dem Ausruf "Yea, man, is Cambodia!", was wohl bedeuten soll, daß es sich um Kambodscha handelt. Mit Frank war's aber doch nichts, wollte nicht.

Dafür hat Frau Berg jetzt ein Buch geschrieben. Es handelt von ein paar Leuten, die auch so um die 29 sind und das Glück suchen. Das Erstaunliche: Alle Figuren des Buches denken und sprechen genau so wie Frau Berg schreibt. Es geht um die einschlägigen Kolumnen-Themen Liebe, Bulimie und Kosmetik, um urbane Singles und darum, daß brennende Haare "wie tote Socken" riechen". Sieh mal einer an. Am Ende sterben fast alle, weil alles so traurig ist, oder - wahrscheinlicher noch - weil sie es in Frau Bergs Kopf einfach nicht mehr aushalten.

Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. Reclam Leipzig 1997, 180 S., DM 16