Kameradschaftstreffen in Kärnten

Ohne Blaskapelle auf den Berg

Alljährlich versammeln sich auf dem Ulrichsberg in Kärnten Veteranen, Neonazis und Politiker zu einem Kameradschaftstreffen. Jörg Haider war dort ein gern gesehener Gast und Redner. Ein Jahr nach dessen Tod sagten viele Teilnehmer ab, weil ihnen plötzlich die Rechtslastigkeit der Veranstaltung aufgefallen war.

Auf Blasmusik mussten die Teilnehmer des diesjährigen Ulrichsbergtreffens verzichten, stattdessen säumten Antifaschisten und Antifaschistinnen mit pinken Luftballons den Weg zur »Heimkehrergedenkstätte« auf der Spitze des Berges. Seit 50 Jahren ist der nördlich von Klagenfurt gelegene Ulrichsberg Treffpunkt für Verbände ehemaliger Wehrmachts- und SS-Angehöriger und Neonazi-Gruppen.
1959 wurde die Gedenkstätte eröffnet, hier findet der Ahnenkult rund um SS-Schergen und angebliche »Kriegshelden« statt, die das Kärntner Land schon um 1920 im Kampf gegen »die Slawen« verteidigt hätten. Bürgerliche Politiker halten dort Festreden, bislang war auch das österreichische Militär immer mit von der Partie, wenigstens mit einer Blaskapelle. Darüber nachgedacht, was die Soldaten bei diesem fragwürdigen Festakt eigentlich verloren haben, wurde bereits einmal. Unter der Kanzlerschaft Bruno Kreiskys schien es, als quittiere man das Treffen mit einer Absage des Bundesheeres. Doch dazu kam es nicht, wie sich zeigte, das Militär wurde lediglich teilweise abgezogen.

In diesem Jahr fehlten die Soldaten nun zum ersten Mal gänzlich. Ende August verkündete Verteidigungsminister Norbert Darabos von der SPÖ den vollständigen Rückzug des österreichischen Militärs vom Ulrichsberg. Unmittelbarer Auslöser für diese Entscheidung waren Medienberichte, denen zufolge Wolf Dieter Ressenig, bisheriger geschäftsführender Obmann der Ulrichsberggemeinschaft und somit auch Veranstalter des Treffens, im Internet auf einer Auktionsseite mit NS-Devotionalien gehandelt haben soll. Die Absage des Bundesheeres führte zu Streitigkeiten innerhalb der Ulrichsberggemeinschaft. Ihr Präsident und ein Obmann traten von ihren Ämtern zurück. Im Forum der Neonazi-Homepage Alpen-Donau beschimpfte ein »Frontsoldat« den Verteidigungsminister als »kroatischen Wehrdienstverweigerer«. Überraschende Unterstützung für seine Entscheidung erhielt Darabos vom Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler. Der Politiker des von Jörg Haider gegründeten BZÖ erklärte seinen Verzicht auf eine Teilnahme an der Veranstaltung damit, dass sie ihm schon immer »zu rechts« gewesen sei. Der Landesparteichef Uwe Scheuch forderte hingegen, dass das Treffen »keinesfalls am Altar des linken Gesinnungsterrors« geopfert werden dürfe. Der Politologe Peter Hajek bewertete Dörflers Absage als politisches Kalkül für die Landtagswahlen. Am 20. September fand nicht nur das Ulrichsbergtreffen statt, sondern in Vorarlberg wurde auch gewählt. Haiders politische Erben bemühten sich um eine liberale Fassade, um sich von der FPÖ abzugrenzen. Im Wahlkampf hatte der Kandidat der FPÖ mit antisemitischen Parolen gegen Hanno Loewy gehetzt, den Direktor des jüdischen Museums in Hohenems. Die Kampagne war erfolgreich, die Partei wurde zweitstärkste im Landtag, während das BZÖ den Einzug verpasste.
Im Hinblick auf die Debatten um das »Heimkeh­rertreffen« auf dem Ulrichsberg sprach die FPÖ zwar von einer »Diffamierung« der Veranstaltung, angesichts der vielen Absagen verzichtete aber auch sie auf eine offizielle Delegation. Lediglich der Landesparteiobmann der Kärntner FPÖ, Harald Jannach, und sein Vorgänger Franz Schwager blieben bei ihrer Zusage und organisierten den Aufruf für die Veranstaltung, allerdings »nicht im Namen der FPÖ, sondern als reine Privatpersonen«.

Hatten Neonazis und Vertreter von Rechtsparteien wie dem belgischen Vlaams Belang früher noch einen fixen Platz auf der Teilnehmerliste, fiel diese heuer erstaunlich kurz aus. Lediglich 150 Personen versammelten sich unter dem Ulrichsbergkreuz, auch von Neonazis und offenkundig Rechtsextremen war am Tag der Veranstaltung nichts zu sehen. Es gab weder Festreden noch Blasmusik, sondern nur eine Kranzniederlegung.
Geradezu verloren musste sich die Schar Leute vorkommen, die da im weiten Gelände des Ulrichsbergs mit seinem Ehrenhain stand. Alle anderen fehlten: Die Ulrichsberggemeinschaft wollte nicht mehr Veranstalter sein, das österreichische Militär keinen logistischen Dienst verrichten. Überwiegend jugendliche FPÖ-Anhänger bahnten sich ihren Weg durch die Gruppe der Gegendemonstranten. Für die älteren Teilnehmer des Kameradschaftstreffens war der Aufstieg beschwerlich, in den vergangenen Jahren konnten sie sich auf den Shuttle-Service des Bundesheeres verlassen. »Unter Haider wären wir hinaufgefahren«, zitiert die Kleine Zeitung einen der Wanderer. Haider war es auch, der 1995 mit seinem Loblied auf die Waffen-SS den internationalen Bekanntheitsgrad des Ulrichsbergtreffens vergrößerte. Nach seiner Festrede fand die revisionistische Veranstaltung ihren festen Platz in den Terminkalendern von Neonazis aus Europa und den USA.
Neben Treue und Tapferkeit wurde beim Ulrichsbergtreffen die kollektive Unschuld der Österreicherinnen und Österreicher an den Verbrechen des Nationalsozialismus beschworen, noch im Jahr 2006 betonte der ehemalige Obmann der Ulrichsberggemeinschaft, Peter Steinkellner, in seiner Ansprache, dass es keinerlei österreichische Kriegsschuld gebe.

Mit ihrer Berufung auf den so genannten Kärntner Konsens legen die Teilnehmer des Ulrichsbergtreffens einen besonderen Geschichtsrevisionismus an den Tag. Kärntens Gründung wird auf den Abwehrkampf, der von 1918 bis 1920 gegen Slowenien geführt wurde, zurückdatiert und die Zeit des Nationalsozialismus als Fortsetzung der Landesgeschichte gewertet. Im Selbstverständnis der übrigen Bundesländer setzte die Eigenständigkeit erst mit dem Staatsvertrag von 1955 ein.
Eine Auffassung, die die Politik in Kärnten bis heute bestimmt. Nicht zuletzt lehnt man es weiter ab, der vom Verfassungsgericht verordneten Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln für die slowenische Minderheit nachzukommen. Jörg Haider hatte der slowenischen Bevölkerungsgruppe dieses Recht erfolgreich abgesprochen, sein Nachfolger Dörfler tut es auch. Das Ulrichsbergtreffen bezeichnete der amtierende Landeshauptmann übrigens als »Friedensveranstaltung«, nachdem er von Mitgliedern des BZÖ für seine Absage kritisiert worden war. Er sei lediglich ferngeblieben, weil er »Protestgruppen« keine Bühne geben wollte. Ob dem Kärntner Landeshauptmann das Ulrichsbergtreffen im nächsten Jahr immer noch zu rechtslastig erscheinen wird, ist fraglich. Bei den Landtagswahlen in Oberösterreich am Sonntag schnitten die Rechten erneut gut ab. Zwar scheiterte Jörg Haiders Schwester, die BZÖ-Spitzenkandidatin Ursula Haubner, aber die FPÖ verdoppelte ihr Ergebnis.