Die Bayrische Landesbank und die CSU

Eine Partei ohne ihre Junkies

Mit den desaströsen Geschäften der Bayern LB demontiert sich die letzte deutsche Volkspartei jenseits der Zone.

Es sind die alten, die ganz alten Reflexe, die in der derzeitigen Krise der Christsozialen hochkommen. Von einer »Art Krieg oder Vernichtungskampf« der Opposition gegen die CSU sprach der ehemalige Parteivorsitzende und bayerische Fi­­nanzminister Erwin Huber am Montag vergangener Woche vor der Klausur der CSU-Landtagsfraktion im oberbayerischen Wildbad Kreuth.
Man kennt das Vokabular vom Strauß-Clan, dem Huber als Kofferträger und Mann fürs Grobe sich anscheinend und trotz aller Enttäuschungen einer letztlich erfolglos abgeschlossenen Politikerkarriere immer noch zugehörig fühlt. Huber rea­gierte mit dem alten Reflex, sich bei wirklichen De­­sastern – wie den über die Kärntner Berge verstreuten 3,7 Milliarden Euro bayerischer Steuergelder – nicht etwa reumütig zu zeigen, sondern dem politischen Gegner und den Medien finale Ziele zu unterstellen.

Nutzen wird das wohl nichts. Schon die Tochter von Franz-Josef Strauß, Monika Hohlmeier, konnte ihren erzwungenen Abschied vom Münchner CSU-Vorsitz und vom bayerischen Bildungsministerium 2004/2005 nicht verhindern. Und das, obwohl sie, ganz der Papa, zu wütenden Rundumschlägen gegen »Kommunisten« und andere Übeltäter ausholte. Dass sie Parteifreunde mit geheimen Dossiers unter Druck gesetzt hatte (»Über jeden von euch gibt es etwas!«), kümmerte sie dabei nicht weiter.
Doch die aktuelle Affäre um den Kauf der Kärntner Hypo Group Alpe Adria enthält auch ganz neue Aspekte. Einer davon lässt sich mit dem allgemeinen Wahn in der Dekade vor der Finanzkrise erklären. Die Bayerische Landesbank – schon früher nicht unbedingt ein Musterbeispiel für Seriosität – kaufte sich seit Anfang 2007 bei den fröhlich spekulierenden Österreichern ein und übernahm schließlich die Mehrheit. Eine Investorengruppe um den Vermögensverwalter und späteren Vorstandsvorsitzenden der Alpe Adria, Tilo Berlin, verkaufte die eigenen Anteile an die Landesbank.
Das österreichische Magazin Profil veröffentlichte dieser Tage eine Liste von namhaften Investoren, die Schätzungen zufolge 150 Millionen Euro bei diesem Deal herausgeschlagen haben. Die Staatsanwalt München vermutet ein Insidergeschäft: Der inzwischen entlassene Vorstandsvorsitzende der Bayern LB, Werner Schmidt, habe absichtlich zu viel für die Anteile der Berlin-Gruppe an der Alpe Adria gezahlt. Und die Süddeutsche Zeitung berichtete, bereits am 31. Januar 2007 solle es in der Münchner Konzernzentrale der Bayern LB eine geheime Gesprächsrunde über den geplanten Verkauf gegeben haben, an der neben Werner Schmidt auch Wolfgang Kulterer, ein Vertrauter des verstorbenen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider, und auch Tilo Berlin teilnahmen – ein bombensicheres Geschäft also. Auf Risiken lassen sich am Finanzmarkt ohnehin nur die Dummen ein – wie Erwin Huber, der sich »schockiert, enttäuscht und voller Wut« präsentierte. Das Ende vom Lied: Am 14. Dezember 2009 übernahm die Republik Österreich zum Preis von drei Euro den ganzen alpenländischen, von der Finanzkrise zerbröselten Kuddelmuddel. Und Bayern steht jetzt ärmer da.
Die CSU aber hat mehr verloren als Geld. Das allein wäre nicht so schlimm, das ist schon vorgekommen. Zuletzt zeigte sich der kurzzeitige Ministerpräsident Günther Beckstein nach dem gescheiterten Bau der Münchner Magnetschwebebahn schwer enttäuscht darüber, dass hoch bezahlte Vorstandschefs innerhalb von sechs Monaten frühere Kostenkalkulationen völlig über den Haufen werfen.
Was die CSU mit solchen irgendwie auch rührenden Aussagen vor allem eingebüßt hat, ist Nimbus, ist der Glaube an die ihr sogar vom politischen Gegner nie abgesprochene Fähigkeit, die Dinge im Griff zu haben bzw. sie wenigstens professionell unter den Teppich zu kehren. Was damit auf einer höheren Ebene in Frage steht, ist der Primat der Politik, verkörpert von der letzten Volkspartei jenseits der Zone.
In der vorigen Woche wartete man in Kreuth ängstlich auf die Veröffentlichung einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks am Mittwoch. Nicht nur anonyme Hinterbänkler munkelten von einem Schwinden in der Wählergunst, was Ergebnisse unter 40-Prozent zur Folge haben könnte. Dass bei Umfragen schließlich trotz des ruinösen Geschäfts und des Verdachts der Finanzierung u.a. von Haiders BZÖ noch immer 41 Prozent zusammenkamen, ist für niemanden ein Trost – außer für Horst Seehofer. Denn er, der genau weiß, dass die eigenen Funktionäre ihn mehrheitlich ablehnen, konnte das Ergebnis gerade noch so als Ausgangsbasis für einen Neubeginn verkaufen. Ganz so, wie Georg Seeßlen über Seehofer schrieb, dass wohl kein vernünftiger Mensch von ihm einen Gebrauchtwagen kaufen würde. »Aber es würde Spaß machen, ihm dabei zuzuschauen, wie er einen Schrotthaufen für einen Neuwagen anpreist.«

Seehofer weiß, dass er eine Figur des Übergangs ist, die aufräumen muss in einer vom Vorvorgänger Edmund Stoiber neoliberalisierten und demoralisierten Partei. Er hofft auf die Jugend, nicht weil die besser wäre, sondern weil sie einfach näher dran ist an einer sich zumindest in der nach wie vor boomenden Region München dramatisch verändernden Gesellschaft.
Die Agglomeration Erding bei München etwa, eine einzige sich krakenartig ausbreitende Bau­sünde, gilt als eine der »zukunftsträchtigsten Regionen Deutschlands« (Zeit), nicht zuletzt wegen des Zuzugs qualifizierter Personen aus dem Norden und dem Osten Deutschlands. Es sind Menschen, die Geld verdienen und sich ein Haus bauen wollen, konservative Leute, bürgerliche Wähler – aber eben nicht wie einst fast ausschließlich CSU-Junkies. Soweit sie politisch interessiert sind, schauen sie zur FDP, zu den freien Wählern oder zur ÖDP, auch zu den Grünen.
Seehofer versuchte mit seinen politischen Kapriolen der vergangenen Monate auch herauszufinden, was diese Leute eigentlich von einer »modernen konservativen Partei« erwarten. Das herauszufinden und es allen potenziellen Wählern recht zu machen, ist gar nicht so einfach. Bei Themen wie Bildung und Kinderbetreuung liegt die Union in ganz Deutschland meist daneben. Und wie soll man nochmal mit dem Islam umgehen? Das neue Bürgertum weiß das selbst noch nicht so genau.

Seehofer dürfte wissen, dass er nicht der geeignete Mann ist, dieses Bürgertum tatsächlich zu repräsentieren. Das könnte derzeit nur einer: der, den seine Freunde, von denen er immer mehr hat, »KT« nennen. Doch Karl-Theodor zu Guttenberg hat von Strauß gelernt, der die bayerische Landespolitik immer zutiefst verachtete. Die Bundeswehr müsste wohl noch viele Tanklaster in Afghanistan bombardieren, bevor der Baron sich entschließen würde, das aufregende Berlin gegen den Provinzpalast der Münchner Staatskanzlei einzutauschen – einmal abgesehen davon, dass die Verfassung des Freistaats Jungmänner unter 40 nicht zum Amt des Ministerpräsidenten zulässt.
Edmund Stoibers rabiate Reform- und Sparpolitik hat den alten Klientelclub CSU zerstört. Alle Parteifunktionäre, die nicht so helle waren, sich rechtzeitig nach Brüssel abzumelden, weil sie die Zeichen der Zeit nicht verstanden, muss Seehofer jetzt loswerden; und dann zusehen, dass er die Volkspartei CSU neu gründet. Wer auf eine Erholung der CSU wettet – und bis zur nächsten Landtagswahl 2013 ist noch viel Zeit –, bekommt jedenfalls bestimmt gute Quoten. Und Seehofer ist ein Spieler.