Der »Trauermarsch« der Neonazis in Dresden

Europas Rechte trauern in Dresden

Jedes Jahr versammeln sich am 13. Februar in Dresden Tausende Neonazis zum Gedenken an die »deutschen Opfer des alliierten Bombenterrors«. Es ist der größte Neonaziaufmarsch in ganz Europa.

Als sich 1996 das erste Mal eine kleine Gruppe von wenigen Neonazis von der Masse absonderte, die in Dresden am 13. Februar an dem Gedenkspektakel teilnahm, fiel das keinem weiter auf. In der Menge von mehreren tausend, die der Opfer der Zerstörung der Stadt im Jahr 1945 gedachten, waren sie ein verschwindend geringer Teil. 14 Jahre später sind sie unübersehbar. Der jährliche Aufmarsch vom 13. Februar in Dresden ist zur festen Größe im neonazistischen Terminkalender geworden. An diesem Tag strömen junge und alte Neonazis aus ganz Deutschland und aus dem Ausland nach Dresden. Der rechtsextreme Verein Junge Landsmannschaft Ostdeutschland e.V. (JLO), der den »Trauerzug« anmeldet, braucht mittlerweile nicht mehr groß zu mobilisieren: Die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wuchs in den vergangenen Jahren bis zu 7 000.
Mobilisiert wird in allen NPD-Kreisverbänden und im Umfeld der Freien Kräfte. Reisegruppen, die per Bus oder Zug Dresden erreichen wollen, sind schon längst zusammengestellt. Auch aus ganz Europa sind kleinere und größere Abordnungen von neonazistischen Gruppierungen zu erwarten. Die tschechischen Neonazis wollen mehrere hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufbieten. Auch aus Polen, Spanien, Frankreich und Großbritannien werden viele anreisen. In vielen Beiträgen auf einschlägigen Homepages ist das Ziel der diesjährigen Mobilisierung nachzulesen: In Dresden wollen Neonazis 10 000 Demonstranten auf die Straße bringen. Der Staat wird sie wohl nicht daran hindern, zumindest nicht offiziell. Vergangene Woche erklärte das Verwaltungsgericht in Dresden das Verbot der Demonstration für rechtswidrig. Die Be­schränkung auf eine stationäre Versammlung verstoße gegen die Versammlungsfreiheit, teilte ein Gerichtssprecher am Freitag mit.

Der 13. Februar ist seit Jahren der größte Aufmarsch von Neonazis in ganz Europa. In der deutschen, und vor allem in der sächsischen rechtsextremen Szene ist die Deutungshoheit über diesen Termin allerdings intern hoch umstritten. Der Landesvorsitzender der NPD und Fraktionsführer im Sächsischen Landtag, Holger Apfel, erhofft sich durch einen erfolgreichen und von der NPD dominierten Marsch mehr Einfluss im innerparteilichen Kampf um den Bundesvorsitz. Dabei setzt er auf eine intensive Einbindung von Kadern der Freien Kräfte. Doch diese lassen sich nur ungern parteipolitisch umgarnen. Aus deren Spektrum stammt beispielsweise das Aktionsbündnis gegen das Vergessen (AgdV), das in den vergangenen Jahren am Abend des 13. Februar einen Fackelmarsch organisierte, um der deutschen Bombenopfer »authentisch« und »in Würde« zu gedenken. Das AgdV sah sich dabei in Opposition zur NPD, die immer einen Großaufmarsch am jeweils folgenden Wochenende forcierte.
Um der deutschen Opfer auch dieses Jahr »authentisch« zu gedenken, organisiert die AgdV eine sogenannte Aktionswoche mit Diskussionsveranstaltungen, Agit-Prop- und Schnipselaktionen. Die andere Fraktion der Freien Kräfte besteht aus Mitarbeitern von Holger Apfel im Sächsischen Landtag, die wichtige Aufgaben für den anstehenden Marsch übernommen haben. So organisieren Maik Scheffler (NPD-Stadtrat aus Delitzsch, Nordsachsen), Marcus Großmann (ehemaliger NPD-Landesorganisationsleiter in Sachsen-Anhalt) und Tommy Naumann (JN-Vorsitzender in Sachsen) maßgeblich den Ordnerdienst am 13. Februar. Sie sollen unter anderem dafür sorgen, dass militante Autonome Nationalisten nicht durch Angriffe auf die Polizei oder linke Demonstranten das Bild des »disziplinierten Trauermarsches« stören.
Scheffler, Großmann und Naumann sind Mitglieder des Freien Netzes (FN), eines Zusammenschlusses verschiedener neonazistischer Gruppierungen aus Westsachsen, Ostthüringen und dem südlichen Sachsen-Anhalt. Für den Ordnerdienst wurden fast ausschließlich Aktivisten des Freien Netzes rekrutiert. Dass dieser Job nicht leicht wird, versprechen immer wieder anonyme »Revoluti­onäre«, die im Internet schon länger damit drohen, aus der Demonstration auszubrechen und gewaltsam gegen antifaschistische Demonstranten vorzugehen, sollte der Trauermarsch verhindert werden. In der Tat sehen die Neonazis dieses Jahr erstmals einem massiven Protest entgegen. Während noch offen ist, wie viele Nazis nach Dresden kommen werden, läuft die antifaschistische Mobilisierung auf Hochtouren. Spätestens seit den Durchsuchungen in Berlin und Dresden ist davon auszugehen, dass dieses Jahr viel mehr Menschen an den antifaschistischen Blockade-Aktionen teilnehmen werden als in den vergangenen Jahren. Die Behörden in Dresden stehen vor neuen Herausforderungen und bieten über 8 000 Polizisten auf.