Werner Herzogs Film »Bad Lieutenant«

Der Bad Cop, der ein Good Cop ist

Werner Herzogs Remake des gleichnamigen Kultfilms von Abel Ferrara, »Bad Lieutenant«, überrascht mit einem Happy End und einem genialen Nicholas Cage in der Titelrolle.

Werner Herzog ist ein umtriebiger Mann. In 50 Jahren hat er 60 Filme gemacht. Auch das eine oder andere Buch hat er veröffentlicht, was ihn auf die Idee brachte, er werde eher als Autor denn als Regisseur in Erinnerung bleiben. Einmal ist er zu Fuß von München nach Paris gelaufen, überzeugt, der damals schwer kranken Filmkritikerin Lotte Eisner dadurch das Leben zu retten.
Derzeit arbeitet er an fünf Projekten gleichzeitig, und bei der 60. Berlinale war er der Jury-Präsident. Ganz nebenbei hat er eine Filmschule der besonderen Art gegründet, die Rogue Film School, in der Schüler wenig über das tatsächliche Filmemachen und gar nichts über Theorie lernen sollen – Filmwissenschaftler werden von ihm verachtet. Stattdessen will er seine Zöglinge in die Kunst des Schlösserknackens einweihen oder ihnen das richtige Verhalten beibringen, wenn beim Dreh mal auf sie geschossen werden sollte.
Herzog hat Filminstitute immer gemieden. Lediglich die Münchner Filmhochschule will er einmal aufgesucht haben, allerdings nur, so behauptet er, um dort eine Kamera zu besorgen, mit denen er dann seinen ersten Film drehte. Er habe eben für dieses Geräe eine bessere Verwendung gehabt als die von der Akademie korrumpierten Studenten, erklärt er in Interviews dazu. Herzogs Biografie scheint von Sturheit, Wahnsinn und Größenwahn affiziert, was sich sehr schön in seinem Film über die Arbeit mit Klaus Kinski, »Mein liebster Feind«, betrachten lässt, in dem Kinski als doch recht vernünftiger, beinahe biederer Mensch erscheint – verglichen mit der manischen Aura des zu allem bereiten Visionärs, als der sich Herzog geriert.
Auch sein neuer Film »Bad Lieutenant« steckt voller Herzog-typischer Eigenheiten. Bemerkenswert ist die Dreistigkeit, mit der Herzog sich Grundidee und sogar Titel von Abel Ferraras »Bad Lieutenant« angeeignet hat, aber desinteressiert bemerkt, er kenne den als Kultfilm gehandelten Streifen von 1992 nicht einmal. Damit zog er sich nicht nur Ferraras Zorn zu, auch das Film-Establishment empörte sich und sah einen der ihren eklatant erniedrigt und beraubt.
Als verrückte Idee wurde Herzogs Entscheidung aufgefasst, für die Hauptrolle Nicholas Cage auszusuchen, der zuletzt meist durch mediokre Streifen aufgefallen ist und den viele auch privat auf dem absteigenden Ast wähnen.
In »Bad Lieutenant« geht es um Verbrechen, Wahnsinn, ein Leben in Extremen. »So verdorben und gemein wie nur irgend möglich« wollte Herzog seinen Cop anlegen. Der am Film noir orientierte Plot schildert die Machenschaften des Polizisten Terence McDonagh: New Orleans ertrinkt nach dem Wirbelsturm Katrina in Schlammmassen. McDonagh rettet einem Häftling, der im Knast zu ertrinken droht, das Leben, nicht ohne ihn vorher zu beschimpfen und zu erniedrigen, denn der klassische, nette Lebensretter ist dieser Cop, der für seinen Einsatz zum Leutnant befördert wird, ganz und gar nicht. Weil er sich bei der Befreiungsaktion eine schwere Rückenverletzung zugezogen hat, beginnt er, Schmerzmittel in sich hineinzupumpen, und landet in der Drogenabhängigkeit. Ganz klassisch folgt die Beschaffungskriminalität: McDonagh deckt seinen Bedarf in der Asservatenkammer der Polizei. Oder er lauert irgendwelchen Leuten vor der Disco auf, zückt Dienstwaffe und -marke und zwingt sie, ihm den Stoff zu geben. Oder er lässt das Zeug bei seinen Einsätzen in Dealerwohnungen einfach mitgehen.
McDonagh zieht das Unglück, den Schmutz und die Verderbnis magisch an. Bald fordert der Buchmacher ultimativ Wettschulden ein; seine Geliebte Frankie, eine Prostituierte, wird von einem Freier erpresst; und schließlich wird er wegen seiner unkonventionellen Verhörmethoden suspendiert.
Dabei hat er eigentlich einen fünffachen Mord im Drogenmilieu aufzuklären. Doch gerade, als sich die Schlinge um seinen Kopf zuzuziehen scheint und seine Versuche, das Unheil abzuwenden, ihn auf immer kriminellere Abwege bringen, lösen sich seine Probleme.
Aus einer ziemlich kruden Story hat Herzog nicht nur einen für ihn typischen Film gemacht, »Bad Lieutenant« ist auch eine äußerst kurzweilige und zudem ziemlich schwarze Komödie. Herzog erklärt dies so: »Natürlich hat man das Gefühl, in einer Zeit der Krise zu leben. Für den Film noir ist das immer ein fruchtbarer Boden.« Dass sein »Bad Lieutenant« so gut funktioniert, liegt nicht zuletzt an Nicholas Cage, auf den die Kamera fast ständig fokussiert. Cage spielt den am Ende gar nicht mal so schlechten Lieutenant, der mit seiner viel zu großen Waffe fast schon spielerisch hantiert. Dabei strahlt er in der verderbten und sinnentleerten Welt eine Art einsame und freundliche Menschenliebe aus. Die »Seligkeit des Bösen« nennt Herzog den infantilen Machismo seines Cops.
Mit dieser Haltung unterscheidet sich Herzogs Cop von Ferraras Leutnant, der am Ende in Verzweiflung und Selbstmitleid versinkt. Vor allem unterscheidet sich der Cop von den Figuren, die bislang das Kino des Werner Herzog bevölkerten: Buckelig und mit schmerzverzerrter Miene hinkt der von Rückenschmerzen geplagte McDonagh durch die Gegend und erinnert damit an den von Kinski dargestellten Aguirre. Der allerdings endet in Einsamkeit und Wahnsinn. McDonagh hingegen ist am Ende seines Trips durch eine aus den Fugen geratene Welt weder alleine noch wahnsinnig, sondern sitzt entspannt lachend vor einem großen Aquarium und schaut den Haifischen zu. Nicht, dass er den turbulenten Geschehnissen im Nachhinein einen Sinn zusprechen könnte. Eher wirkt er, als ob er sich nun mit dem paradoxen Lebenskonzept der »Eroberung des Nutzlosen« arrangiert (so lautet der Titel des Buches von Werner Herzog, in dem er die Dreharbeiten zu »Fitzcarraldo« schildert).
Über sein filmisches Werk sagt Herzog heute: »Ich war immer Mainstream und denke, dass der Rest der Filme, die ich um mich herum sehe, marginal und bizarr ist. Das sind Sonderlinge.« Der das sagt, hat einen Dampfer über einen Berg im Dschungel ziehen lassen. Ein veritables Schurkenstück, über das Herzog seinen Schülern in der Rogue Film School sicherlich viel erzählen kann.

»Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen« (USA 2009). Regie: Werner Herzog. Darsteller: Nicholas Cage, Eva Mendes, Val Kilmer. Start: 25. Februar