Die Geschichte des Gefängnisses Klapperfeld

Geschichte hinter Gittern

Mit ihrer Aufarbeitung der Geschichte des Gefängnisses Klapperfeld hat eine Frankfurter Initiative eine Stätte der Erinnerung geschaffen. Diese könnte jedoch bald abgerissen werden.

Die Initiative »Faites votre jeu« hatte im August 2008 das ehemalige Jugendzentrum Bockenheim in Frankfurt am Main besetzt. Mit einem selbstverwalteten Kulturzentrum wollte sie aktiv gegen die repressiven Umstrukturierungen der Stadt vorgehen. Lange blieben die Besetzer jedoch nicht in den Räumlichkeiten des Jugendzentrums, ihnen drohte die Räumung. Mit der Stadt Frankfurt einigte sich die Initiative darauf, in das alte Polizeigefängnis Klapperfeld an der Konstablerwache umzuziehen. Die Entscheidung für den Umzug war innerhalb der Gruppe sehr umstritten. Schließlich symbolisiert das Klapperfeld wie kaum ein anderes Gebäude in der Stadt die Repressions- und Gewaltgeschichte Frankfurts.

Während des Nationalsozialismus nutzte die Gestapo das Gefängnis, das im Jahr 1886 errichtet worden war. In den siebziger Jahren diente es als Gewahrsamsstelle für Demonstranten der außerparlamentarischen Proteste, später für die Aktivisten gegen die Startbahn West, dann, bis zu seiner Schließung, war das Klapperfeld ein Abschiebeknast. Für die Mitglieder von »Faites votre jeu« war es deshalb fraglich, ob sich ihre Arbeit an einem solchen Ort überhaupt fortsetzen lassen würde. Am Ende haben sie das Beste aus dieser Situation gemacht. Direkt nach dem Umzug gründete sich ein Arbeitskreis, der die Geschichte des Klapperfeld aufarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich machen sollte. In den Kellerräumen des Gefängnisses ist eine Dauerausstellung errichtet worden, die die Geschichte des Ortes dokumentiert, und die Homepage der Initiative (www.klapperfeld.de) präsentiert Interviews mit ehemaligen Inhaftierten und die Ergebnisse der Nachforschungen. Darüber hinaus verfolgt »Faites votre jeu« das Ziel, einen Raum für Selbstbestimmung zu schaffen: Regelmäßig finden politische Diskussionsrunden oder alternative Bar­abende statt. Das Klapperfeld ist damit zu einem der zentralen Orte der linksalternativen Frankfurter Szene geworden.
Damit könnte es jedoch schon bald vorbei sein. Wie aus dem Innenstadtkonzept der Stadt Frankfurt bekannt wurde, plant diese den Abriss des Klapperfelds. »Das ist eine bodenlose Frechheit«, sagt Maja Koster, Pressesprecherin von »Faites votre jeu«. »Zuerst bietet die Stadt uns das Klapperfeld als Ersatz an, wir renovieren das Gebäude und thematisieren die Geschichte – und dann erfahren wir aus der Presse von den Abrissplänen.«

Tatsächlich hatte Planungsdezernent Edwin Schwarz (CDU) im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau erklärt, dass das Grundstück für den Bau eines Büro- und Geschäftsgebäudes vorgesehen sei. Das Baudezernat der Stadt hatte dessen Äußerungen allerdings nicht zur Kenntnis genommen und erklärte auf Anfrage hin, dass in der Sache Klapperfeld noch nichts entschieden sei und man das Innenstadtkonzept als langfristigen Plan lesen müsse. Dem stimmt Stefan Majer (Grüne), Mitglied des Ausschusses für Planen und Bauen, zwar grundsätzlich zu. Der Vertrag zwischen »Faites votre jeu« und der Stadt Frankfurt gelte weiterhin. Er wisse jedoch nicht, welche Baupläne die schwarz-gelbe Landesregierung für das Frankfurter Gerichtsviertel, in dem sich das Klapperfeld befindet, erwäge. Über einen möglichen Umzug der Justizeinrichtungen, mit dem auch der Abriss des Gebäudekomplexes einhergehen könnte, wird seit Jahren spekuliert.
Vielleicht möchte die schwarz-grüne Koalition in Frankfurt in ihrer Legislaturperiode aber auch nur den Konflikt um das Klapperfeld vermeiden. Der Stadtverordnete Patrick Schenk hatte Ende März seinen Austritt aus der CDU-Fraktion verkündet. Regieren kann die schwarz-grüne Koalition derzeit nur mit einer Tolerierung der FDP. Im Hinblick auf die Kommunalwahlen 2011 könnte ein Streit um das Klapperfeld die Koalition weiter spalten, denn die Medienberichte über die Aktivitäten der Initiative im Klapperfeld sind überwiegend wohlwollend. Bis in bürgerliche Kreise hinein wird die Professionalität und die Geschichtsaufarbeitung von »Faites votre jeu« gelobt. Auch Schulklassen gehören zu den häufigen Besuchern der Dauerausstellung.

»Wir haben hier ein Stück erfahrbare Geschichte zum Leben erweckt. Jeder Mensch, der im Klapperfeld gewesen ist, spürt die Atmosphäre dieses Ortes, und es wird verständlich, unter welchen Bedingungen die Inhaftierten in den Zellen leben mussten«, sagt Maja Koster. Vielleicht handelt es sich bei der Erwähnung von »Faites votre jeu« im aktuellen Bericht des hessischen Verfassungsschutzes um einen Versuch, das Engagement der Initiative zu delegitimieren. Das Klapperfeld sei »zu einer wichtigen Anlaufstelle für Autonome« geworden, heißt es dort.
Der Abriss des Klapperfelds wäre nur ein weiteres Beispiel für geschichtspolitische Verdrängung in der Stadt Frankfurt. Dieses Jahr wurde erstmalig offiziell bei einem ökumenischen »Friedensgottesdienst« der Frankfurter Bombenopfer des Zweiten Weltkriegs gedacht. Derzeit wird im Stadtteil Westend der Universitätscampus weiter ausgebaut. Der Campus steht auf dem früheren Grundstück der IG-Farben, einem Unternehmen, das im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter beschäftigte und firmeneigene Konzentrationslager unterhielt. Die Universitätsleitung und die Stadt Frankfurt sprechen unisono vom »schönsten Campus Europas«.

»Faites votre jeu« geht es mittlerweile nicht mehr nur um Räumlichkeiten für ihre Initiative. Die Geschichtspolitik und der Kampf für selbstverwaltete Freiräume in der Stadt sind zu den zen­tralen Anliegen der Gruppe geworden. Den Vorschlägen des Baudezernenten Edwin Schwarz, man könne der Gruppe auch andere Räume als Alternative anbieten, erteilen sie deshalb eine klare Absage. Eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Klapperfelds sei nur im Klapperfeld selbst möglich.
»Faites votre jeu« bereitet sich schon auf den Konflikt mit der Stadt vor. »Wir vernetzen uns derzeit mit den Aktivisten von Mediaspree und dem Hamburger Gängeviertel. Gentrifizierungsprozesse gibt es mittlerweile ja fast in jeder deutschen Großstadt«, so Maja Koster. Sollte es doch zu einer Räumung des Klapperfelds kommen, hätte die Stadt Frankfurt zumindest eine historische Besonderheit aufzuweisen. Schließlich sind Gefängnisse dafür konzipiert, dass niemand aus ihnen herauskommt.