Krimi wie im Kino. Zum Fall Daryush Shokof

Krimi wie im Kino

Daryush Shokof ist zurück in Berlin und behauptet, entführt worden zu sein. Nun versucht der iranische Künstler, die Hintergründe seines zwölftägigen Verschwindens zu beleuchten.

Daryush Shokof wirkt erschöpft, aber gesund, als er in Begleitung von zwei Bodyguards den Kinosaal des »Arsenal« am Potsdamer Platz betritt. Der Filmregisseur und Maler zeigt sich weiterhin entschlossen. »Ich werde mich dem Mullah-Regime nicht beugen«, sagte er mit klarer Stimme bei einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche. Seit vielen Jahren kritisiert der in Berlin lebende Shokof die Regierung seines Herkunftslandes. Mit seinem neuesten Film »Iran Zendan« (»Gefängnis Iran«) will der Regisseur auf die Menschenrechtsverletzungen in iranischen Gefängnissen aufmerksam machen. Kurz nach der Kino-Premiere im Mai verschwand Shokof und galt bis zum 5. Juni als vermisst.

Die Hintergründe von Skokofs Abwesenheit sind unklar. Der 55jährige Regisseur selbst spricht von einer Entführung durch den iranischen Geheimdienst: »Ich gehe davon aus, dass sie mich aus Deutschland herausbringen oder töten wollten.« Von den Behörden und einem Großteil der Medien wird seine Erklärung jedoch nicht ernst genommen. Seinen Kritikern entgegnet Shokof schroff: »Es gibt keine Beweise, dass es sich nicht um eine Entführung gehandelt hätte.«
Den Kopf auf seinen Unterarm gestützt, hört der 1979 aus dem Iran Geflohene seinen Unterstützern auf dem Podium zu, die über die Verfolgung von Oppositionellen durch den iranischen Geheimdienst referieren. Erst als Shokof das Wort erteilt wird, scheint der ganz in Schwarz gekleidete Kritiker des iranischen Regimes hellwach zu sein. Mit amerikanischem Akzent verliest er eine detaillierte Darstellung seiner Entführung. Demnach sei er in Köln von vier Männern in einem schwarzen Audi gekidnappt worden. Nach einer Autofahrt habe sich Shokof in einer Wohnung wiedergefunden, die er während seines Verschwindens nicht verlassen habe. Die Entführer hätten Shokof nicht misshandelt, ihm aber mit Drogen versetzte Getränke gegeben. Bei seiner Freilassung sei der Filmregisseur geknebelt im Auto transportiert und anschließend außerhalb des Kölner Stadtzentrums in den Rhein geworfen worden. Einer der Männer habe Shokof an das Flussufer geführt und ihn mit der Drohung verabschiedet: »Wenn Du den Film zeigst, bist du tot.« Obwohl Shokof nach eigener Aussage noch immer unter Drogeneinfluss stand, sei er an Land geschwommen, zu einem Gebäude gelaufen und erst dort zusammengebrochen. Als Grund für seine Freilassung vermutet der Regisseur: »Sie haben mich noch nicht getötet, weil ich der Einzige bin, der die Filmaufführung stoppen könnte.« Die Staatsanwaltschaft Köln hat inzwischen sämtliche Ermittlungen im Fall Shokof übernommen und prüft nach einer Anzeige des Exil-Iraners den Tatbestand der »geheimdienstlichen Entführung«.
Bereits wenige Tage nachdem der Künstler für Freunde und Bekannte nicht mehr erreichbar war, schlossen diese auf eine »politische Natur« seines Verschwindens und gründeten ein »Schutzkomitee«. Die Dissidenten, Künstler und Menschenrechtsaktivsten wandten sich an die Öffentlichkeit. Die Freilassung Shokofs werten sie als Ergebnis ihrer Arbeit. Zum ersten Mal hätten die Entführer von Exil-Iranern nachgegeben.

Shokof und seine Unterstützer wollen den Film nun nicht wie geplant in Kinos zeigen, sondern im Internet zur Verfügung stellen. Der Regisseur sieht die Kinobranche »fest in den Händen des iranischen Regimes« und erklärt mit einem sarkastischen, resignierten Lächeln: »Ich glaube an kein Festival auf dieser Welt mehr«. Die Einnahmen aus dem Film sollen an politische Gefangene und die Opposition im Iran gehen.
Trotz der Ereignisse der vergangenen Wochen wirkt Shokof gefasst und scheint offensichtlich keine Angst vor einer erneuten Entführung oder einem Attentat zu haben. Zugleich ist der Künstler wütend, dass Medien und Behörden seiner Darstellung nicht glauben. Entrüstet erläutert er: »Ich sitze nun hier mit einem Leben, das nie wieder das gleiche sein wird.« Letztlich ist es für die Situation der Iraner unerheblich, ob Shokof tatsächlich entführt worden ist oder nur eine gelungene künstlerische Performance darbietet. In einem übertragenen Sinne ist seine Geschichte ohnehin wahr. Denn täglich werden im Iran und im Ausland Regimekritiker verfolgt, entführt, gefoltert und ermordet. Daran erinnerte nicht zuletzt in diesem Monat der Jahrestag der Proteste im Iran gegen die manipulierten Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr.