Neues aus der Atompolitik. Laufzeitverlängerung und Brennelementesteuer

Die Laufzeit hat einen Preis

Nach ihrer Sparklausur hat die Bundesregierung angekündigt, eine Brennelementesteuer einzuführen. Es wird ernst mit der geplanten Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken, und die Energie­konzerne können sich schon mal ausrechnen, wie hoch ihr jährlicher Gewinn ausfällt.

Wie in vielen anderen Aufgabenbereichen erscheint die schwarz-gelbe Koalition auch auf dem Gebiet der Atompolitik widersprüchlich und vor allem von wirtschaftlichen Lobbygruppen getrieben. Bereits dem Koalitionsvertrag ist keine große Freude über die vereinbarte Laufzeitverlängerung für AKW zu entnehmen. FDP und CDU/CSU seien »bereit, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards zu verlängern«. Angekündigt wird eine »möglichst schnell zu erzielende Vereinbarung mit den Betreibern«, in der die genauen Regeln für die geplante Laufzeitverlängerung festgesetzt werden. Bei diesem Stand blieb es, trotz einiger Beratungen mit den Spitzen der Atomkonzerne, bis zur Sparklausur der Bundesregierung am 7. Juni.

Mit Blick auf die schwierige Haushaltskonsolidierung nach diversen Hilfszahlungen an Banken und Steuervergünstigungen für Gutverdienende, verlangt die Bundesregierung nun eine Vorrauszahlung für die geplante Laufzeitverlängerung. Im Rahmen des Sparpakets möchte sie ab 2011 bis zum Jahr 2014 von den Atomkonzernen 9,2 Millarden Euro mittels einer Brennelementesteuer kassieren. Die Energiewirtschaft müsste demnach jährlich 2,3 Milliarden Euro entrichten. Getreu dem einfachen FDP-Motto »mehr Netto vom Brutto« ist es jedoch nicht ausgemacht, dass dieser Betrag tatsächlich in der Staatskasse ankommt. Schließlich dürften die Gewinne um diese Summe schrumpfen und dementsprechend auch die Einnahmen aus der Körperschaftssteuer.
Da die Bundesregierung schwerlich als atomkritisch bezeichnet werden kann, stellt sich die Frage, warum von ihr die Forderung nach einer Atomsteuer erhoben wird. Offenbar versucht sich die Koalition mit der Ankündigung einer solchen Steuer in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen. Da sie ja bereits im Wahlkampf und im Koalitionsvertrag angekündigt hatte, die Laufzeit der AKW zu verlängern, gibt es für die Atomkonzerne allerdings kaum Veranlassung, der Bundesregierung bei der Realisierung ihres Wahlversprechens entgegenzukommen.
Zum Gespräch über die Details der geplanten Steuer trafen sich am Mittwoch voriger Woche die Vorstände der Atomkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall Europe mit Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt. Die Vertreter der Atomindustrie hatten nach der öffentlichen Ankündigung einer Brennelementesteuer um diesen Termin gebeten. Es ging darum, ihrem Unmut im Gespräch mit der Kanzlerin Ausdruck zu verleihen, schließlich hatten sie sich vom Politikwechsel mehr Profit für ihre Energiekonzerne versprochen. Nach der Unterredung zeigten sich die Chefs unzufrieden und kündigten an, dass sie die juristischen Möglichkeiten einer Klage gegen die Erhebung der Brennelementesteuer überprüfen würden. Die Betreiber der Atomkraftwerke sind nur unter der Voraussetzung, dass die Laufzeitverlängerung eine beschlossene Sache ist, bereit, die Steuer zu zahlen. Darüber hinaus gebe es immer noch offene Fragen hinsichtlich der Sicherheitsanforderungen, betonten die Sprecher der Atomindustrie.
Diese offenen Fragen ergeben sich im Zusammenhang mit der fälschlich als »Atomkonsens« bezeichneten Vereinbarung der rot-grünen Bundesregierung mit den Atomkonzernen vom 14. Juni 2000. Darin verpflichtet sich die Bundesregierung dazu, weder die Sicherheitsstandards noch das diesen zugrunde liegende Sicherheitsdenken zu ändern, obwohl es gerade bei einer Hochrisikotechnologie selbstverständlich sein sollte, sie auf dem aktuellen Stand von Sicherheit und Technik zu betreiben. Weitere Jahrzehnte auf die Verbesserung der Sicherheit der AKW zu verzichten, ist außerordentlich riskant, denn mit zunehmenden Alter werden die Reaktoren störanfälliger. Darüber hinaus wurde den Atomkonzernen politisches Wohlwollen zugesichert: »Bei Einhaltung der atomrechtlichen Anforderungen gewährleistet die Bundesregierung den ungestörten Betrieb der Anlagen.«
Der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein grüner Umweltminister Jürgen Trittin kamen den Interessen der Atomwirtschaft weit entgegen, auch im Hinblick auf die finanziellen Rahmenbedingungen. Sie verpflichteten zukünftige Bundesregierungen, auf Initiativen zu verzichten, »mit der die Nutzung der Kernenergie durch einseitige Maßnahmen diskriminiert wird«. Ausdrücklich heißt es dann: »Dies gilt auch für das Steuerrecht.«

Allerdings sind die Grundlagen für die politische Bindung an den Vertrag mit den aktuellen For­derungen der Atomkonzerne nach Laufzeitverlängerungen entfallen. Denn es war ja der Kern der Vereinbarung, dass die Laufzeit der Atomkraftwerke in Deutschland begrenzt wird. Selbst Michael Kauch, Umweltexperte der FDP, kann den Atomkonzernen argumentativ nicht mehr folgen. »Es ist schon bemerkenswert, dass sich die Stromkonzerne nun plötzlich wieder auf eine Vereinbarung berufen, die sie im Nachhinein bekämpft haben«, sagte er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Mit dem Kampf um längere Laufzeiten hätten die Konzerne die Vereinbarung schon lange gekündigt.
Umstritten zwischen Bundesregierung und Atomkonzernen ist auch die Verwendung der Einnahmen aus der geplanten Brennelementesteuer. Die Energiekonzerne wollen sie in einen Fonds einzahlen, aus dem künftig Programme der Energieforschung finanziert werden sollen. Dies hätte zur Folge, dass sie bei der Verwendung der Mittel mitreden könnten und ein großer Teil dieser Mittel vermutlich in ihre eigenen Forschungsabteilungen zurückfließen, oder an Wissenschaftler vergeben würden, die den Atomkonzernen gewogen sind. Als Steuer gingen die Einnahmen demgegenüber in den allgemeinen Staatshaushalt. Die konkrete Entscheidung über das Ausmaß der Laufzeitverlängerung soll im Rahmen eines nationalen Energiekonzepts getroffen werden, das die Bundesregierung Ende August vorlegen will. Nach der bisher gültigen Vereinbarung zwischen rot-grüner Bundesregierung und Atomwirtschaft sollte der letzte Meiler etwa 2022 vom Netz gehen. Die Atomkonzerne verlangen nach Informationen des Hamburger Abendblatts Verlängerungen der Laufzeiten im »satten zweistelligen« Bereich. Dass dies durchaus vorstellbar ist, zeigt der Blick auf die Szenarien des geplanten Energiekonzeptes. Die vorgesehen Varianten für eine mögliche Laufzeitverlängerung der AKW liegen zwischen vier und 28 Jahren. Da jedes Jahr Laufzeitverlängerung die Gewinne der Atomkonzerne um sechs bis neun Milliarden Euro erhöht, könnten den Energiekonzernen bis zu 245 Milliarden Euro zusätzlich zukommen. An diesem Betrag lässt sich abschätzen, wie hart die Auseinandersetzungen in den kommenden Monaten verlaufen werden.
Die geplante Großdemonstration der Anti-Atom-Bewegung, die am 18. September in Berlin stattfinden soll, fällt in die heiße Phase der atompolitischen Entscheidungen. Der Widerstand gegen Castor-Transporter im November dürfte erheblichen Zulauf bekommen, denn dann bietet sich die Chance, die Kritik an dem Atomkapital und seinem Staat auf der Straße zum Ausdruck zu bringen.