Mag Akohol- und Rauchverbote nicht

Askese für den Standort

Der Genuss von Tabak und Alkohol in der Öffentlichkeit wird immer weiter eingeschränkt. Die Verbote sollen den sozialen Nutzen des Einzelnen optimieren.

Früher waren Rauchverbote ein Willkürinstrument von Despoten und darauf ausgerichtet, jeglichen Hedonismus bei den Untertanen zu unterbinden. In Deutschland war es dann die NS-Medizin, die dem Kampf gegen das Rauchen eine vermeintlich rationale Grundlage gab und gesundheitliche Aspekte in den Vordergrund stellte. Für die Mediziner in Nazi-Deutschland, die federführend in der Krebsforschung waren und bereits früh die Folgen des Passivrauchens erkannten, war der Tabakkonsum keine Privatsache, sondern ein »Volksfeind«, der den »Volkskörper« verunreinige und schwäche. Dementsprechend verordnete das NS-Regime Rauchverbote in öffentlichen Räumen sowie höhere Tabaksteuern und reglementierte die Tabakwerbung. Diese Antiraucherkampagne ging nicht zufällig einher mit Maßnahmen in der Arbeitsmedizin und bei den Gesundheitsstandards in den Betrieben. Die deutsche »Volksgemeinschaft« sollte schließlich körperlich rein und funktionstüchtig sein.

Heutigen Verfechtern von Rauchverboten eine faschistische Gesinnung zu attestieren, wie es einst Philipp Morris mit seinem Vergleich von Judenghettos und Nichtraucherzonen tat, ist haltlos. Gegner des Tabakkonsums haben sicherlich Recht, wenn sie Rauchen für etwas Schädliches und zugleich Überflüssiges halten. Selbst die meisten Raucher dürften dieser Einschätzung zustimmen – Tabak ist nun mal primär ein Suchtstoff. Und in Anbetracht der Folgen von Passivrauchen – das genaue Ausmaß ist jedoch heftig umstritten – ist Nichtraucherschutz ein berechtigtes Anliegen. Allein schon der vom Rauch ausgehende Gestank gäbe Anlass genug.
Ob jedoch das nun in Bayern per Plebiszit erwirkte strengste Rauchverbot Deutschlands und die Forderungen von Politkern aller Couleur, eine ähnliche Regelung auf die gesamte Republik anzuwenden, dem Schutz von Nichtrauchern dient, darf bezweifelt werden. Der ordnungspolitische Eifer von Nichtraucheraktivisten wie von der Öko-Partei ÖDP, der darauf zielt, den blauen Dunst auch aus dem letzten öffentlichen Winkel zu verbannen, gleicht vielmehr einer Generalabrechnung mit den ungeliebten Rauchern. Schon jetzt ist das Rauchen nur in Ausnahmefällen in öffentlichen Räumen gestattet – etwa in Bierzelten, Ein-Raum-Kneipen und Nebenzimmern –, so dass in Deutschland »immerhin fast 90 Prozent der Betriebe bereits rauchfrei sind«, wie Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands, in der Presse erklärte. Dass Nichtraucher nicht geschützt seien, kann also kaum behauptet werden. Die meisten Raucher pusten sich den Qualm nur noch gegenseitig ins Gesicht.

Der Spiegel sieht nun »radikale Biedermänner« am Werk und wertet das bayrische Rauchverbot als Facette eines »Megatrends«. Denn »Rauchbekämpfer, Alkoholgegner und Fleischhasser« befänden sich auf einem Kreuzzug für eine »Gesundheits- und Klimaschutz-korrekte Gesellschaft«. Die Einschätzung des Autors – man merkt es dem polemischen Duktus an – scheint von Ressentiments gegen linke Ökos beflügelt zu sein, doch ganz abwegig ist sie nicht. Bereits vor fünf Jahren wurde in der Jungle World die Kampagne gegen das Rauchen als »das wichtigste Symbol für den Trend zum neopuritanischen Kontrollstaat« bewertet, dessen Zweck unter anderem darin bestehe, die Produktivität der Lohnabhängigen zu steigern und die Gesundheitsausgaben zu senken. Ernährung und Bewegung seien »harte Standortfaktoren«, sagte schon Grünen-Frontfrau Renate Künast, die sich gegen die verschiedenen Formen des Müßiggangs stark macht.
Auch der »Guttempler-Orden«, eine internationale Organisation, die sich auch in Deutschland für eine Gesellschaft ohne Alkohol einsetzt, argumentiert ähnlich und verweist auf den Produktivitätsverlust durch Alkohol. Alkoholkonsumierende Menschen seien häufiger krank und sorgten für betriebswirtschaftliche Verluste, etwa durch verminderte Leistungsfähigkeit und erhöhte Ausschussproduktion. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts, auf die sich die Guttempler berufen, »betragen die alkoholbedingten Kosten jährlich 20 Milliarden Euro für Kranken- und Rentenversicherer«. Die »sozialen Kosten« beziffert die Organisation insgesamt auf 125 Milliarden Euro jährlich. Um die »Solidargemeinschaft« von diesem Ballast zu befreien, sei eine strikte Reduzierung des Alkoholkonsums notwendig, was unter anderem durch öffentliche Alkoholverbote zu realisieren sei, eine Ansicht, die auch von Krankenkassen geteilt wird. Die gegenwärtige Entwicklung dürften die Guttempler deshalb mit Genugtuung beobachten.

Zwar dürften die Befürchtungen des Nürnberger CSU-Politikers Sebastian Brehm übertrieben sein, dass »irgendwann auch noch das Biertrinken im Bierzelt verboten wird«, doch ein Trend zur Verbannung gesellschaftlicher Genussgifte ist klar erkennbar. Betroffen davon sind nicht nur Jugendliche, denen das berüchtigte »Koma-Saufen« ausgetrieben werden soll. Während in Baden-Württemberg seit März ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot gilt, versucht man in anderen Städten und Ländern die »Trinkerszene« gänzlich aus der Öffentlichkeit zu vertreiben, sei es durch das Vorgehen von Polizei und Sicherheitsfirmen gegen Trinker auf der Straße oder durch die Verlagerung des Alkoholkonsums in spezielle »Trinkhallen«, wie sie gerade in Hamburg diskutiert werden.
Die Verbände der Alkoholindustrie, die Umsatzeinbrüche befürchten, kritisieren – wie etwa der Deutsche Brauer-Bund – die mediale Panikmache gegen den Alkoholkonsum und beteuern: »Deutschland hat kein Alkoholproblem«. Zudem verweisen die Verbände gerne auf ihre wirtschaftliche Kapazität, die dem Fiskus immerhin drei Milliarden Euro an Steuern bringen würde. Gerade in der Krise und unter dem vermeintlichen Sparzwang im Gesundheitswesen scheinen die Argumente der leistungsorientierten Abstinenzler und der klammen Krankenkassen mehr zu wiegen.