Die angebliche Affäre um Klaus Ernst

Bescheiden bleiben

Dass er einen alten Porsche fährt und 17 000 Euro im Monat verdient, wird Klaus Ernst sehr verübelt. Parteikollegen nutzen die Gelegenheit, um alte Rechnungen mit dem Vorsitzenden der »Linken« zu begleichen.

Geld macht nicht glücklich. Diese Erfahrung muss zurzeit Klaus Ernst, der Vorsitzende der Linkspartei, machen. Häme ergießt sich über den »Champagner-Sozialisten«, seit bekannt geworden ist, dass seine Bezüge nicht gerade dem Regelsatz des ALG II entsprechen und er außerdem noch einen alten Porsche fährt. Insbesondere jene, die vor »Sozialneid« warnen, wenn es um die Kritik an Manager-Gehältern geht, empören sich über den »Luxus-Linken«. Gegen »Hummer und Sichel« wetterte der Focus. »Wäre ich ein Hilfsbedürftiger, der nachts leere Plastikflaschen aufsammelt, dann wären Sie nicht mein Bruder«, echauffierte sich der Chefkolumnist Franz Josef Wagner in der Bild-Zeitung.
Flaschen muss Ernst in der Tat nicht sammeln. Etwa 17 000 Euro erhält der bayerische Politiker im Monat: Als Bundestagsabgeordneter bezieht er eine Diät von 7 668 Euro, dazu kommt die steuerfreie Kostenpauschale von 3 969 Euro. Als »stimmberechtigtes Mitglied« des Fraktionsvorstandes zahlt ihm die Linksfraktion aus ihrer Kasse 1 913 Euro. Obendrauf gibt es nochmal 3 500 Euro für seine Tätigkeit als Parteivorsitzender.

Ist Klaus Ernst deshalb ein schnöder Raffke? Diesen Vorwurf will er nicht auf sich sitzen lassen. »Ein Raffke will mehr als vorher«, verteidigt sich der 55jährige. Er hingegen habe sich nur »nicht deutlich verschlechtern wollen«. Schließlich habe er als Bundestagsfraktionsvize und Bevollmächtigter der IG Metall in Schweinfurt »wesentlich mehr verdient als heute«. Doch vor allem die Alimentierung durch die Partei sorgt auch in den eigenen Reihen für Unverständnis. »Wir bekommen ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn der Verdacht auf Selbstbedienungsmentalität entsteht«, warnte der sächsische Landesvorsitzende Rico Gebhardt. Es gebe »ein tiefes Befremden« in den ostdeutschen Landesverbänden, gab André Brie zu Protokoll. »Wer sich für sozial Benachteiligte einsetzt, sollte auch persönlich Bescheidenheit üben«, forderte der frühere Wahlkampfmanager. Nicht zu Unrecht hält Ernst das für Unsinn: »Auch wenn man selbst nicht am Hungertuch nagt, kann man dagegen kämpfen, dass andere am Hungertuch nagen müssen.«
Klaus Ernst, gegen den außerdem zurzeit die Staatsanwaltschaft wegen mehrerer, möglicherweise zu Unrecht bei der Bundestagsverwaltung abgerechneter Flugreisen ermittelt, ist eine Reiz­figur. Mit seinem selbstherrlichen und autoritären Politikstil hat er sich viele Feinde gemacht. Nicht nur ostdeutsche Parteifreunde versuchen nun, offene Rechnungen zu begleichen.

Dass auch Lothar Bisky zu seiner Zeit als Vorsitzender nicht auf das Geld der Partei hatte verzichten wollen, obwohl er als Fraktionsvorsitzender der Vereinten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken im Europa-Parlament nicht am Hungertuch nagen musste, stört indes niemanden. Oskar Lafontaine und die zweite Vorsitzende Gesine Lötzsch haben hingegen auf die Vergütung aus der Parteikasse verzichtet, jedoch nicht ganz uneigennützig: Lafontaine hätte von ­einer solchen Bezahlung nicht profitiert, weil sie mit seiner stattlichen Pension verrechnet worden wäre. Lötzsch wollte die Ansprüche aus ihrem ruhenden Dienstverhältnis an der Humboldt-Universität nicht gefährden.
Eine Diskussion darüber, ob Funktionäre und Abgeordnete nicht mehr als ein Facharbeiter verdienen sollten – wie sie in den Anfangsjahren der Grünen stattfand –, gab es in der Linkspartei ohnehin noch nie. Um solche linken Flausen wird es selbstverständlich auch nicht gehen, wenn der Parteivorstand im September mit den Landesverbänden »die Verständigung suchen und die gefassten Beschlüsse zur Hauptamtlichkeit erläutern« will. Denn so weit reicht die Vorstellung von Verteilungsgerechtigkeit selbst bei Ernsts Kritikern nicht. Der Tarifvertrag, den die Linkspartei mit Verdi abgeschlossen hat, sieht übrigens in der untersten Entgeltgruppe ein Gehalt von 2 350 Euro vor. Brutto, versteht sich.