Über die widersprüchliche Frauenpolitik der Uno

Die Frauenrechte und die Sharia

UN Women ist die neue Behörde der Vereinten Nationen, die sich mit Frauenpolitik und Geschlechtergerechtigkeit befasst. Noch bevor sie ihre Arbeit aufnimmt, steht die Organisation vor grundsätzlichen Pro­blemen, etwa mit Ländern, in denen Frauen unterdrückt und sexuelle Minderheiten verfolgt werden.

Zum 1. Januar 2011 wird die »United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women«, kurz UN Women, ihre Arbeit aufnehmen. Die neu gegründete Organisation geht aus vier verschiedenen UN-Gremien hervor, die bisher in paralleler und sich teilweise überlappender Arbeit für die Frauenpolitik der Vereinten Nationen zuständig waren. Mit jährlich 500 Millionen US-Dollar soll UN Women mehr als doppelt so viel Geld zur Verfügung stehen wie den vier Vorgängerorganisationen zusammen. Als sogenannte Untergeneralsekretärin wird die ehemalige chilenische Ministerpräsidentin Michelle Bachelet der Organisation vorstehen, die sich schon im Kampf gegen die Diktatur von Augusto Pinochet in den siebziger Jahren verdient gemacht hat. Bachelet gilt als integer und durchsetzungsstark, beides Eigenschaften, die sie in ihrem neuen Job dringend brauchen wird.

Die Frauenpolitik der Vereinten Nationen zeichnet sich, wie so viele Politikfelder der UN, durch eine Geschichte von Idealismus, Illusionen und ausufernder Bürokratie aus. In ihr zeigt sich ein grundlegender Widerspruch der UN: die Verpflichtung auf universelle Menschenrechte auf der einen Seite und eine Anzahl von interessegeleiteten Staaten auf der anderen. In der Frauenpolitik hat dies zur Folge, dass oft unversöhnliche Welten und Wertvorstellungen aufeinandertreffen.
Debatten über gender mainstreaming oder über die Feinheiten geschlechterneutraler Sprache werden gemeinsam mit Staaten geführt, die intern absolute Geschlechtersegregation betreiben und die patriarchalischen Machtverhältnisse mit archaischen Strafen absichern. Progressive Ansätze, die Heteronormativität der UN-Frauenpolitik aufzubrechen und queertheoretisch inspirierte Konzepte zu fördern, stehen einer überwiegend frauenfeindlichen und homophoben Weltgemeinschaft gegenüber. Erst vergangene Woche hat eine afrikanische und islamische Mehrheit im Menschenrechtskomitee der Generalversammlung die explizite Verurteilung von Mord wegen der sexuellen Orientierung des Opfers aus der entsprechenden Resolution gestrichen.
Damit ist nur angedeutet, vor welchen Herausforderungen die Frauenpolitik der Vereinten Nationen steht. In Staaten, die mit UN Women kooperieren werden, kann diese Organisation wichtige Arbeit leisten. Solche Nationen sind aber in der Minderheit. Für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen on the ground, also innerhalb ihrer nationalstaatlich verfassten Lebensrealität, kann aber ein internationaler rechtlicher Rahmen geschaffen werden. Auf diesem Gebiet könnte UN Women an Erfolge der vergangenen 100 Jahren anknüpfen.

Dabei spielte bereits im Völkerbund, der 1920 gegründeten Vorgängerorganisation der Uno, der Einsatz nationaler und internationaler Frauenrechtsorganisationen eine wichtige Rolle, gelang es ihnen doch erstmals, traditionelle frauenpolitische Themen wie Familien- und Heiratsrecht zu internationalisieren. Auf der Grundlage der dort gewonnenen Erfahrungen konnte die intensive politische Arbeit vieler feministischer Gruppen in der Gründungszeit der Vereinten Nationen ihren ersten großen Erfolg feiern: die Aufnahme des Grundprinzips der Gleichberechtigung von Männern und Frauen in die UN-Charta. Ein weiterer Erfolg aktiver Frauenpolitik war 1946 die Gründung der Commission on the Status of Women (CSW). Mit diesem eigenständigen Unterorgan des Wirtschafts- und Sozialrates konnte den Bestrebungen entgegengewirkt werden, Frauenpolitik pauschal unter Menschenrechtspolitik zu subsumieren und der Menschenrechtskommission zuzuordnen.
Der frauenpolitische Diskurs der UN ist seither von der Einsicht geprägt, dass ohne eine separate Organisierung der Interessen von Frauen innerhalb der UN der Kampf für verbesserte Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen ständig eine untergeordnete Bedeutung haben würde. Die CSW ist bis heute die normative Instanz der UN-Frauenpolitik. Sie verfasst Erklärungen und Empfehlungen zu allen frauenpolitischen Themen und wurde zur Vorreiterin in der Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Gruppen.
Als eigentlicher Beginn der frauenpolitischen Bedeutung der UN gelten die siebziger Jahre. Die weitgehend abgeschlossene Dekolonisierung brachte damals eine verstärkte entwicklungs- und sozialpolitische Aktivität der UN mit sich. Das Jahr 1975 wurde zum »Jahr der Frau« ausgerufen und zur »Dekade der Frau« bis 1985 ausgeweitet, begleitet von einer Vielzahl von Gipfeln, Erklärungen und Aktionsplänen. Die Gründe dafür lagen nicht zuletzt in dem durch den Antikolonialismus hervorgerufenen antiimperialistischen Zeitgeist. In diesem Diskurs erschien die Unterdrückung von Frauen neben der Unterdrückung von »Völkern« als Teil eines ausbeuterischen Gesamtprojekts raffgieriger Imperialisten. Trauriger Tiefpunkt dieser Entwicklung war die Abschlusserklärung des Gipfels zum »Jahr der Frau« 1975 in Mexiko-Stadt. Dort wurde erstmalig in einem offiziellen UN-Dokument der Zionismus mit der Apartheid und dem Rassismus gleichgesetzt. Dies diente zwei Monate später der berühmt-berüchtigten Resolution 3379 der Generalversammlung zur Vorlage, in der es heißt: »Zionismus ist eine Form von Rassismus und rassischer Diskriminierung.«
Gleichzeitig stammt aus dieser Zeit das bis heute bedeutendste Rechtsinstrument für die Durchsetzung von Frauenrechten überhaupt, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) von 1979. Diese Konvention zählt zu den sechs großen interna­tionalen Menschenrechtsverträgen und gilt für die Staaten, die sie ratifiziert haben, als verbindliches Völkerrecht, im Gegensatz zu den sonstigen Resolutionen, Deklarationen und Empfehlungen, die die UN-Gremien täglich erarbeiten. Das Übereinkommen garantiert Frauen nicht nur weitgehende öffentliche und private Rechte, sondern fordert von den Ratifizierungsstaaten aktives politisches Engagement, um empowerment von Frauen in allen Bereichen zu fördern. Das große Problem des CEDAW bleibt aber, dass fast alle islamischen Staaten die Ratifizierung unter den generellen Vorbehalt der Sharia gestellt und andere, wie der Iran, gar nicht erst unterzeichnet haben.

Bei der Wiener Menschenrechtskonferenz von 1993 etablierte sich das Konzept des gender mainstreaming und damit eine Perspektive, die ein komplexeres Verständnis von geschlechtlich vermittelten Machtstrukturen im institutionalisierten politischen Handeln auf nationaler Ebene wie auch in der Uno selbst ermöglichte. Sowohl im Kanon des humanitären Völkerrechts (vormals Kriegsrecht) als auch im Statut des neuen Inter­nationalen Strafgerichtshofs wurde geschlechterspezifische Gewalt in bewaffneten Konflikten als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit anerkannt.
Problematisch bleibt, dass sich all diese Prozesse in einer Art internationaler Blase vollziehen. Dass sich die Differenzierung zwischen den Begriffen »Sex« und »Gender« in die meisten der UN-Sprachen gar nicht adäquat übersetzen lässt, ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten der kulturellen Vermittlung der Bedeutungszusammenhänge dieser Begriffe, lässt erahnen, welchen Hindernissen Frauenpolitik in den Vereinten Nationen gegenübersteht.
Trotz allem ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass nun die parallel zur normativen Arbeit der CSW verlaufende praktische Frauen- und Mädchenförderung aus ihrem Kompetenzwirrwarr und ihrer institutionellen Zersplitterung herausgeholt und in einer starken, einheitlichen Organisation zusammengefasst wird.
Die Hauptaufgabe von UN Women wird darin bestehen, Staaten bei ihrer Frauenpolitik zu unterstützen und zu beraten, frauenpolitische Fragen innerhalb der UN zu bearbeiten und der CSW zuzuarbeiten. Ein Blick auf die Struktur von UN Women ist dennoch recht ernüchternd. Der Exekutiv­ausschuss, der über grundlegende politische und finanzielle Fragen von UN Women entscheidet, setzt sich aus Staatsvertretern zusammen, die nach einem festgelegten Regionalschlüssel gewählt werden. Damit bilden ausgerechnet jene Regionen die Mehrheit, in denen die kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Bedingungen für Frauen am schlechtesten sind, wie zum Beispiel Kongo oder Libyen. Auch gibt es keine Form von Ausschlusskriterium für Länder, die Frauenrechte missachten. So kandidierte Saudi-Arabien als einer der größten Geldgeber der Organisation erfolgreich für einen Sitz im Exekutivausschuss, ein Land, das Frauen sogar das Autofahren verbietet. Auch der Iran hatte für das Leitungsgremium kandidiert, allerdings konnte eine Kampagne von westlichen Staaten und zivilgesellschaftlichen Gruppen im letzten Moment die Wahl des Mullah-Regimes verhindern, stattdessen wurde Osttimor gewählt. So erfreulich dies auch sein mag, zeigt es dennoch einmal mehr, wie politisiert solche UN-Gremien sind und wie saudisches Öl alle staatlichen Kritiker zum Verstummen bringen kann. Der Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation UN Watch, Hillel Neuer, bemerkte dazu: »Auf die anstößige Wahl des fundamentalistischen und misogynen Regimes in Riad folgte völlige Stille. Die Realpolitik des Öls darf nicht zur Legitimierung von Frauendiskriminierung führen.«
Kein UN-Programm kann etwas daran ändern, dass immer noch viele, vor allem islamische Gesellschaften die Diskriminierung von Frauen sowie die Verfolgung von Homosexuellen als Teil ihrer kulturellen Identität betrachten. Ob die UN-Frauenpolitik mit der Gründung von UN Women stärker und sichtbarer wird, bleibt fraglich. Sicher ist, dass Frau Bachelet einen der schwierigsten Jobs bei den Vereinten Nationen übernommen hat.