Über die Razzien in salafistischen Vereinen

Razzia im Paradies

Das Bundesinnenministerium hat salafistische Vereine durchsuchen lassen – einen besonders radikalen jedoch verschont.

Eben noch hatte die islamistische Vereinigung »Einladung zum Paradies« (EZP) 100 000 Faltblätter in Mönchengladbach verteilt, mit denen zu einem »Aufklärungstag« eingeladen wurde. An diesem wollte die Organisation, wie es im Flyer hieß, der Bevölkerung ihre »Ängste und Vorbehalte« gegenüber dem Islam nehmen. Dann stand auch schon die Polizei auf der Matte. Auf Geheiß des Bundesinnenministeriums wurden kürzlich insgesamt 23 Vereins- und Privaträume sogenannter Salafisten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen durchsucht, mit dem Ziel, die EZP sowie das »Islamische Kulturzentrum Bremen«, die beide seit einiger Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet werden, mit Hilfe der Beweise aus den beschlagnahmten Unterlagen verbieten zu können.

Beim Salafismus handelt es sich die in Deutschland zahlenmäßig am schnellsten wachsende Strömung des Islam, die besonders rigide ist, weil deren Anhänger den Koran und die Sunna, also die Überlieferungen über das Leben des Propheten Mohammed, wörtlich auslegen und weltliche Verfassungen vollständig durch die Sharia ersetzen sowie einen islamischen Gottesstaat errichten wollen. Die Salafisten befürworten unter anderem eine strikte Geschlechtertrennung und haben für Frauen nur einen Platz am Herd vorgesehen. Homosexualität gilt ihnen als Todsünde.
Der hierzulande wohl bekannteste Salafist ist der zur EZP gehörende Pierre Vogel, ein zum Islam konvertierter früherer Profiboxer. Seine Auftritte, nicht zuletzt in öffentlich-rechtlichen Talkshows, haben ihm zu einiger Prominenz und zahlreichen neuen Anhängern verholfen. Vogel behauptet, sich von Gewalt und Terror zur Durchsetzung seiner Ziele stets distanziert zu haben. Dennoch schlug er unter anderem auf einer Kundgebung in Mönchengladbach die versuchsweise Einführung der Sharia für in Berlin-Neukölln lebende muslimische Jugendliche vor, einschließlich der Todesstrafe für »Ehrenmorde« und des Handabhackens für Diebstahl und Raub. In einer anderen Ansprache sagte er: »Wenn Allah befiehlt, dass ein verheirateter Ehebrecher und eine Ehebrecherin gesteinigt werden, was ist dann? Dann ist das richtig, dass derjenige, der diesen Befehl bekommen hat, wie der Prophet Mohammed, dass er es macht. Und wenn er es nicht macht, dann ist er Gott ungehorsam.« Bei einem Vortrag Vogels in Stuttgart im Juni 2009 wurde zudem das von der Bundesprüfstelle indizierte Buch »Frauen im Schutz des Islam« zum Verkauf angeboten, in dem unter anderem Tipps gegeben werden, wie muslimische Männer ihre Ehefrauen schlagen können, »ohne zu verletzen, Knochen zu brechen oder blaue oder schwarze Flecken auf dem Körper zu hinterlassen«.

Ursprünglich gehörte Pierre Vogel, der seit seiner Konversion auf den Namen »Abu Hamza« hört, dem noch radikaleren Bonner Verein »Die wahre Religion« an, bevor er sich Anfang 2008 mit dessen Begründer Ibrahim Abou-Nagie überwarf, der immer offener zum Terror aufrief, in Videos den »Märtyrertod« verherrlichte und selbst die Präsidenten islamischer Staaten, in denen nicht vollständig nach der Sharia gerichtet wird, als »Ungläubige« bezeichnete. Dass nun Vogels neuer Verein, die EZP, zum Ziel von Durchsuchungen wurde, während »Die wahre Religion« verschont blieb, begründete das Bundesinnenministerium damit, man wolle »nicht erst den Jihad in Form des bewaffneten Kampfes abwarten, um gegen verfassungsfeindliche Vereinigungen einzuschreiten«.
An den Weihnachtstagen wollte Pierre Vogel ­eigentlich mit vier weiteren salafistischen Predigern in der Berliner al-Nur-Moschee einen Vortrag halten. Doch der wurde nun abgesagt – offiziell wegen finanzieller Probleme der Moschee­betreiber. Und auch der »Aufklärungstag« der EZP muss wohl ausfallen. Denn der Geschäftsführer des Mönchengladbacher »La-Ola-Fußballcenters«, das für diesen Zweck angemietet worden war, fühlte sich von Vogels Verein hintergangen – weil der ein Fußballturnier angemeldet habe »und keine Propagandaveranstaltung«.