Die Sicherheitskonferenz in München

Alle wollen den Krieg verhüten

Am Wochenende findet die Münchener Sicherheitskonferenz statt. Obwohl sie als privat organisierte Veranstaltung dargestellt wird, lässt sich die Bundesregierung das Treffen einiges kosten. Und auch die Friedensbewegung betreibt für ihren Protest einigen Aufwand.

Am kommenden Wochenende wiederholt sich in München zum 47. Mal ein Ritual der internationalen Politik: Der ehemalige Staatssekretär und Botschafter Wolfgang Ischinger empfängt illustre Gäste aus aller Welt im Hotel »Bayerischer Hof« auf der »Münchener Sicherheitskonferenz«, von der eingeschworenen Gemeinde der Freunde und Feinde kurz »Siko« genannt. Das diesjährige Treffen trägt den Titel »Sicherheitspolitik vor neuen Herausforderungen: Von der Finanzkrise zum Cyberwar«. Erwartet werden Teilnehmer wie der afghanische Präsident Hamid Karzai, die US-Außenministerin Hillary Clinton, Bundeskanzlerin Angela Merkel, UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und zahlreiche weitere Regierungschefs und Minister. Doch die Sicherheitskonferenz wäre nichts ohne die Friedensbewegung. Auch auf sie ist Verlass: Das »Aktionsbündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz« steht bereit zum alljährlichen Protest gegen »Mörder«, »Imperialisten« und »Kriegstreiber«.

Obwohl die Tagung keinen regierungsoffiziellen Charakter hat und im Wesentlichen ein Debattierforum ohne jegliche Entscheidungsbefugnis ist, hat sie sich im Laufe ihres Bestehens zu einem der wichtigsten Treffen von Militärpolitikern, Diplomaten und Rüstungslobbyisten entwickelt. Gegründet wurde sie 1962 vom ehemaligen Wehrmachtsoffizier und Stauffenberg-Mitverschwörer Ewald-Heinrich von Kleist-Schmenzin unter dem Namen »Wehrkundetagung«. 1999 übernahm Horst Teltschik, CDU-Politiker, ehemaliger stellvertretender Leiter des Kanzleramtsbüros und enger Berater von Helmut Kohl, das Kommando und betrieb die Entwicklung der Konferenz zum »Davos der Sicherheitspolitik«. In seine Amtszeit fielen einige der glanzvollsten Momente der Sicherheitskonferenz, so der Streit über den Irak-Krieg zwischen Joseph Fischer und Donald Rumsfeld im Februar 2003. Teltschik machte sich besonders beliebt, als er auf die Frage, ob ihn die Gegendemonstranten störten, in einem Interview antwortete: »Es ist die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf und dass man politisch Verantwortliche in einer Demokratie schützen muss. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren.« In die Diskussion geriet er auch, als er 2003 Präsident von Boeing Deutschland wurde und so eine Doppelfunktion als Repräsentant eines Unternehmens mit Rüstungsproduktion und Schirmherr einer Konferenz für Militärpolitik innehatte. Dennoch blieb er bis 2008 Leiter der Sicherheitskonferenz.
Teltschiks Nachfolger Ischinger gibt sich im Umgang mit den leidigen Demonstranten überaus konziliant. Er sei »zum Gespräch mit jeder Gruppe bereit«, sagte er der Welt. Die Kritik der Gegenseite, es handele sich bei der Konferenz um »eine Propaganda-Veranstaltung für die Kriegseinsätze der Nato«, wies er von sich: »Ich wehre mich gegen Vorwürfe, hier dem Krieg und nicht seiner Verhütung meine Arbeit zu widmen.« Dass die Sicherheitskonferenz keine pazifistische Veranstaltung ist, sondern vielmehr ein Treffen, auf dem die derzeitigen sicherheitspolitischen Probleme der Nato und ihrer Verbündeten und damit selbstverständlich Fragen einer effizienteren Kriegsführung erörtert werden, ist dennoch offensichtlich. Auf dem Themenplan stehen dieses Jahr unter anderem die wegen der Wirtschaftskrise nötigen Sparmaßnahmen im militärischen Bereich, die Bedrohung durch einen möglichen »Cyberwar« und die Folgen eines Abzuges der Nato-Truppen aus Afghanistan.

Die Teilnehmer der Konferenz gelten als Privatgäste des Schirmherrn Ischinger, die sich lediglich zum Meinungsaustausch einfinden, keine gemeinsamen Stellungnahmen verfassen und keine Entscheidungen treffen. Allein die Gästeliste zeigt jedoch, dass es sich um mehr als ein Kaffeekränzchen im Hinterzimmer mit zwangloser Plauderei über das Kriegshandwerk handelt. Das sieht offensichtlich auch die Bundesregierung so. Auf Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion der Linkspartei, Ulla Jelpke, teilte sie mit, dass das Treffen mit insgesamt 743 000 Euro aus Steuergeldern unterstützt wird. Davon fallen 393 000 Euro für Personalkosten an, schließlich befinden sich 330 Bundeswehrsoldaten wie bereits in den vergangenen Jahren in einem besonderen Inlandseinsatz, in dem sie sich als Pressebetreuer, Chauffeure und Dolmetscher nützlich machen. Das Bundespresseamt steuert 350 000 Euro bei, die als »Projektförderung« deklariert sind. Als Begründung für die großzügige Unterstützung gab die Bundesregierung an, dass das Stattfinden des Treffens in ihrem Interesse sei, da es sich um eine der »bedeutendsten internationalen Sicherheitskonferenzen« handele. Die Veranstaltung ermögliche »einen offenen Austausch zu sicherheitspolitischen Themen, der es der Bundesregierung erlaubt, einem über die gängigen Foren hinausgehenden Kreis von Entscheidungsträgern anderer Staaten und Regionen ihre Position zu ausgewählten Einzelthemen darzustellen«. So steht die Bundesregierung nun in einer Reihe mit anderen Großsponsoren der Sicherheitskonferenz wie BMW und EADS, Europas zweitgrößtem Rüstungskonzern.
Die Überschneidung von wirtschaftlichen, politischen und militärischen Interessen, die sich auf der Sicherheitskonferenz beobachten lässt, versetzt die Friedensbewegung selbstverständlich in allergrößte Aufregung. So heißt es im Aufruf des Aktionsbündnisses, man wolle die eigene Sicherheit nicht Politikern und Militärstrategen überlassen, »an deren Händen Blut klebt«. Eine Welterklärung wird ebenfalls mitgeliefert: »Es geht ihnen vor allem darum, die Wirtschafts- und Vorherrschaftsinteressen der USA und der EU-Staaten zu sichern. Mit Waffenexporten leisten sie Beihilfe zum weltweiten Morden. Opfer dieser Kriege sind immer die Menschen, die Natur und ebenso die Kultur des Miteinanders auf dieser einen Erde.« Einige wichtige Gegenden dieser »einen Erde« ignorieren die Friedenskämpfer aber: Ihr Weltbild zeigt sich unberührt vom wirtschaftlichen und militärischen Aufstieg Chinas oder Indiens und von den Konsequenzen, die er für die globalen Machtverhältnisse hat. Dafür gilt die Aufmerksamkeit der Friedensbewegten einem Staat im Besonderen: dem Iran. So zeigt sich das Aktionsbündnis sehr besorgt wegen der »Sanktionen und Kriegsdrohungen« gegen das Land, die »mit fatalen Folgen für eine friedliche Konfliktlösung« verbunden seien.

Mit der Wahl von Eugen Drewermann als Hauptredner für die Großkundgebung auf dem Münchener Marienplatz am kommenden Samstag liegt das Aktionsbündnis also vollkommen richtig. Der ehemalige katholische Priester, Theologe und Kirchenkritiker ist für den großen Auftritt als Friedensfürst hervorragend qualifiziert. Seine Sicht der Dinge, wenn es um Krieg und Frieden geht, hat er unter anderem in einem Interview im Jahr 2002 ausführlich dargelegt: »Terrorismus ist in der Asymmetrie der Kriegsführung die Waffe der Unterlegenen. Diese Lunte auszutreten, liegt einzig und allein in der Vollmacht der Vereinigten Staaten, sie hätten die dringlichste Pflicht, auch den sechs Millionen jüdischen Mitbürgern in den USA klar zu machen, dass es für einen freien israelischen Staat gar nichts Besseres gibt, als dass es endlich zum Frieden in der Region kommt.« Und solange Juden, ob amerikanische oder israelische – offensichtlich nimmt es Drewermann da nicht so genau  –-, nicht friedenswillig sind, kann man schließlich auch dem Iran keine Vorwürfe machen.