Gary Moore ist gestorben. Ein Nachruf

Frühe Höhenflüge

Von Uli Krug

Gary Moore wurde 1952 in Belfast/Nordirland geboren. 1973 trat er der Gruppe Thin Lizzy bei, stieg vier Monate später wieder aus, um vier Jahre später wieder einzusteigen. Moore, der zuletzt als Solokünstler arbeitete, starb am Wochenende im Alter von 58 Jahren.

Die Iren, der Blues und der Tod: In Spanien haben am Wochenende diese drei Zutaten einer europäischen Rock-Tragödie zusammenge­funden. Gary Moore, von vielen als Gott des voll aufgedrehten Gitarrenverstärkers verehrt und ein Virtuose auf den Saiten, die die Welt bedeuten, starb einsam in einem Hotelzimmer in Spanien. Eine Szene, die wie kaum eine zweite zu den klassischen Plots der Rockmusik gehört. Deshalb wohl betonten gleich zwei alte Kollegen Moores aus seligen Thin-Lizzy-Tagen, Brian Downey und Eric Bell, dass Gary »eigentlich immer ein gesunder Kerl« gewesen sei, also mit Alk und Drogen wenig am Hut gehabt hätte.
Wie dem auch immer sei, eins ist sicher: Die musikalischen Verdienste Moores überstrahlen seine Missetaten, die aber zugleich seine größten Erfolge waren und diverse »Best Of«-Alben füllen. Material aus den achtziger Jahren dominiert da, aus der Periode also, als Gary Moore seine durch langjährige Thin-Lizzy-Mitgliedschaft errungene Popularität mit gemäßigtem Standard-Metal festigte. Noch erfolgreicher wurde er dann am Ende des Jahrzehnts mit Retorten-Blues, der sich gut als Hintergrundmusik für Dienstfahrten und Barbecues eignete – ein Rezept, auf das Gary Moore bis zum Ende immer wieder zurückkommen sollte.
Seine Höhenflüge hatte Gary Moore jedoch in den Siebzigern. Natürlich sind da die Thin-­Lizzy-Heuler »Do Anything You Want To Do« oder »Waiting For An Alibi« zu erwähnen, vor ­allem aber glänzte Gary Moore in einem Genre, das es so eigentlich gar nicht mehr gibt: dem Jazz-Rock, einem faszinierenden Hybrid aus nervösen Rhythmen und instrumentaler Virtuo­sität. »Killer«, ein Stück, das Moore 1979 mit Drummer Cozy Powell einspielte, zeugt davon, und natürlich in noch stärkerem Maße die herausragenden drei Alben, die der Gitarrist mit Colosseum II einspielte: »Strange New Flesh«, »Electric Savage« (beide 1976) und »War Dance« (1977) sind die vergessenen Perlen, die bezeugen, wie Gary Moore klingen konnte, wenn er sich nicht in die Zwänge der üblichen Popformate begab: nämlich atemberaubend und seit Sonntag leider endgültig unwiederbringlich.