Die Debatte um den Zölibat

Alten Resten keine Chance

Mehr als 150 Theologen haben einen Aufruf zur Abschaffung des Zölibats unterschrieben. Es geht ihnen nicht um Kritik, sondern um Konformismus.

Wenn es in der Gegenwart überhaupt etwas gibt, das im Namen von politischem Takt und Feingefühl zu verteidigen wäre, dann sind es die sogenannten verkrusteten Strukturen. Wo immer dazu aufgefordert wird, sie aufzubrechen, dürfen mit Fug und Recht niedere Beweggründe vermutet werden.
In Zeiten, in denen dank des unerwarteten arabischen Klimawandels auch in Europa wieder einmal eine so richtig weltrevolutionäre Stimmung aufkommt, werden selbst Katholiken aufmüpfig. Auch unter diesen gibt es nämlich viele, die sich als »Reformer« verstehen. Mehr als 150 von ihnen – in der Mehrzahl ökumenische Theologen, im Grunde also verkappte Protestanten – haben nun einen Aufruf unterschrieben, in dem die Abschaffung des Zölibats, die Zulassung von Frauen zum Priesteramt sowie mehr Basisdemokratie gefordert werden. Auch in diesem Papier, das den angemessen öden Titel »Kirche 2011« trägt, fehlt nicht die Rede von den »verkrusteten« respektive »verknöcherten Strukturen«.
Aber wozu ist die katholische Kirche eigentlich da, wenn nicht für die geduldige Pflege von »Verkrustungen«, wie diverse Päpste sie glaubhaft verkörpert haben? Besteht nicht ihre einzige Resthumanität darin, eine der wenigen Institutionen zu sein, deren Vertreter nicht allesamt daherreden wie Guido Westerwelle oder Anne Will? Die Reformatoren dagegen kommen frisch aus dem Rhetorikkurs. Die Religionspädagogin Judith Könnemann, die zu den Verfassern des Aufrufs gehört, schwärmt in der Taz vom gelungenen »Timing« und ist sich nicht zu schade, ihrem Elaborat weltpolitisches Flair zu verleihen: »Wir sehen ja gerade auch im Nahen Osten: Irgendwann ist die Zeit reif.« Reif nämlich, um nicht länger Menschen auszuschließen, die »gegenseitige Sorge in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder als wiederverheiratete Geschiedene verantwortlich leben«, wie es in dem Aufruf heißt.
Konformistische Schwule, unbedarfte Frauen und Alleinerziehende, die nichts dazugelernt haben, sollen also eingeladen sein, unter dem Motto »Wir sind Kirche« bei der Selbstverblödung der Menschheit gleichberechtigt mitzumischen. Schließlich gibt es auch Frauen, die ihre »Verantwortung« gern beim Schießen auf Menschenattrappen bei der Bundeswehr oder beim Zeichnen von Kreisen während dröger Vorstandssitzungen ausleben wollen. Man sollte es ihnen tatsächlich nicht verbieten, schließlich ist jeder selbst verantwortlich für die eigenen Missetaten. Vom Wesen des Katholizismus aber verstehen die Unterzeichner eines gerade publizierten »Gegenmemorandums« mehr als ihre reformorientierten Kollegen. Sie ahnen zumindest, dass Feminismus und Katholizismus nicht zusammengehen, während es jenen nur um eines geht: bei der Modernisierung der Herrschaft um keinen Preis den Anschluss zu verpassen.