Heißgelaufen

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Der Mann reckt die Arme hoch, klatscht in die Hände, hopst auf und ab, steigt auf die Lautsprecherboxen, hampelt dort unbeholfen herum, steigt wieder herunter, wirft den Mikrofonständer um, hebt ihn wieder auf, schwenkt ihn über seinem Kopf und nimmt jede erdenkliche alberne Pose ein, die man von einem Rock-Deppen erwartet. Er spult das gesamte Repertoire altbackener Gesten ab und lässt keine Gelegenheit aus, sich lächerlich zu machen. Er verkneift sich – vom siegestrunkenen Hochrecken der Fäuste bis zur Animation zum Mitklatschen – nicht eine der ranzigen Gesten, mit denen gemeinhin im Publikum der Gröl- und Mitklatschzirkus ausgelöst werden soll, den man hierzulande »Stimmung« nennt. Der Mann, der Unverständliches ins Mikrofon jault, während seine Musikerkollegen einen wenig nuancierten Rumms- und Rumpelrock darbieten, verhält sich, als habe er ein paar Pillen zu viel erwischt. Das Treiben ist würdelos. Bei der Band handelt es sich um Gang of Four und bei dem sich jesusähnlich gebärdenden Rock-Hampelmann um Jon King, den Sänger der Gruppe, eines der beiden verbliebenen Gründungsmitglieder. Dazu muss man wissen: Gang of Four haben vor mehr als 30 Jahren Musikgeschichte geschrieben, indem sie in der Nachfolge des Punk das Popbusiness als abgefeimte Geschäftemacherei entmythisieren wollten. Mit Brecht, Gramsci und den Situationisten wollte man dem Publikum die Funktionsweisen des Kapitalismus erklären und ihm sein romantisches Geglotze austreiben. Vom Gitarristen Andy Gill stammt der schöne Satz: »Gang of Four waren gegen Wärme.« Als Jon King vergangene Woche auf der Bühne des Berliner Columbia-Clubs herumturnte, unterschied ihn aber nicht viel von Figuren wie Wolfgang Petry. Ein tausendfach kolportiertes Marx-Zitat, wonach sich Hegel zufolge »alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sozusagen zweimal ereignen«, kommt einem in den Sinn. Es hat immer geheißen, bei der Band Gang of Four handle es sich um marxistisch geschulte Leute.