Über Diversity Management in deutschen Unternehmen

Bitte recht verschieden

Deutsche Unternehmen entdecken Diversity. An den Strukturen gesellschaftlicher Diskriminierung ändert sich dadurch nichts.

Diversity Management ist eigentlich nichts Neues, aber in Deutschland noch nicht besonders etabliert. Mit dem »Deutschen Diversity-Preis«, der erstmals im Herbst dieses Jahres verliehen wird, sollen nun auch hierzulande Unternehmen ausgezeichnet werden, die Diversity Management betreiben. Ausgeschrieben wurde der Preis von Henkel, McKinsey und der Wirtschaftswoche. Prämiert werden sollen damit Unternehmen, die sich besonders um eine »Arbeitskultur der Vielfalt« bemühen. Dabei wird die Diskussion in Deutschland nicht nur ein paar Jahrzehnte verspätet geführt, der Diversity-Ansatz wird in ihr auch noch besonders reaktionär interpretiert.

Der Begriff der Diversity wird sowohl von politischen Bewegungen als auch in der Betriebswirtschaft genutzt, aber selten klar definiert. Er stammt aus den USA und ist vor dem Hintergrund der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und der Frauenbewegung in den sechziger Jahren entstanden. Mittels des »Affirmative Action«-Plans der US-Regierung sollte der Diskriminierung beim Zugang zu Bildung und Arbeit entgegengewirkt werden. Inzwischen wird dieser Ansatz aber vor allem im Bereich des »Human Resource Management« verwendet. Der Fokus hat sich also von der politischen Initiative gegen Diskriminierung zur wirtschaftlichen Abschöpfung von Humankapital verschoben. Die Stifter des Preises wissen jedenfalls, wie sie Diversity nicht verstehen wollen: »Das Thema ist bislang zu oft mit rein sozialen Aspekten verknüpft und stellt nicht die erheblichen Vorteile einer echten Leistungskultur in den Vordergrund«, heißt es auf ihrer Homepage.
Dass Henkel und McKinsey nach dem ökonomischen Nutzen fragen, ist nicht verwunderlich. Es stellt sich lediglich die Frage, ob der Diversity-Ansatz daneben auch emanzipatorischen Gehalt hat. Dafür ist es wichtig zu verstehen, in welchem Zusammenhang der Begriff verwendet wird. In den USA werden gender, race und class als soziale Konstruktionen innerhalb von Herrschaftsverhältnissen verstanden. Wenn dagegen in Deutschland von »Rasse« oder »Geschlecht« die Rede ist, bezeichnet man damit angeblich unveränderbare Merkmale der Individuen. Die Preisstifter halten sich gar nicht erst lange mit Definitionen auf: »Diversity bezeichnet nach unserem Verständnis zunehmend vielfältige Belegschaften in Unternehmen sowie sozialen und öffentlichen Organisationen«, erklären sie in der Ausschreibung des Diversity-Preises. Wie das konkret aussieht, wird mit Bildern solcher »vielfältigen« Personen veranschaulicht. »Hier werden Menschen, die in der Gesellschaft unterschiedlich diskriminiert werden, zu Vorzeigeobjekten für Diversity«, urteilt Evelyn Hayn vom Arbeitskreis Feministische Sprachpraxis an der Humboldt-Universität Berlin nach einem Blick auf die Homepage. Weiter heißt es in der Ausschreibung: »Vielfalt kann sich sowohl durch sichtbare Merkmale (zum Beispiel Geschlecht, Hautfarbe) als auch durch nicht-sichtbare Merkmale (zum Beispiel Ausbildungshintergrund, Religion) ergeben.« Hayn kritisiert: »Da wird von Kategorien gesprochen, nicht von Machtverhältnissen. Das verdeckt, dass bestimmte Personengruppen ungleiche Zugangsbedingungen in der Gesellschaft haben.«

Von Kategorien wie »Geschlecht«, »Rasse«, »Nationalität«, »ethnische Herkunft«, »Behinderung« ist auch in der »Charta der Vielfalt« die Rede. Sie wurde 2006 von Daimler, BP, der Deutschen Bank und der Telekom initiiert, um den Diversity-Ansatz in Deutschland bekannt zu machen. Unterstützt wird die Kampagne von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung. Mittlerweile haben mehr als 1 000 Unternehmen die Charta unterzeichnet. In ihrer Publikation »Vielfalt als Chance« schildern einige davon aufschlussreich, wie sie Diversity verwirklichen wollen. Das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf etwa erklärt: »Für unsere ausländischen Gäste wurde im Internet ein spezieller Welcome Guide eingerichtet.« Außerdem gibt es einen Kooperationsvertrag mit einer benachbarten Kindertagesstätte. Und dort sind »auch die Kinder unserer ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herzlich willkommen«. Im Mercure Hotel Walsrode gilt das auch für die Großen: »Zu unseren Diversity-Aktivitäten gehört es, dass Migrantinnen und Migranten aus ihrer Heimat berichten, Dias zeigen oder ihre Jugend und Lebensverhältnisse beschreiben.« Denn: »Das führt zu einem hohen Verständnis untereinander.« Die Metro Group setzt »ethnische Kundenberaterinnen und -berater« ein, »die gezielt als Ansprechpartner für Kundinnen und Kunden mit dem gleichen sprachlichen und kulturellen Hintergrund zur Verfügung stehen«. Nicht alle Selbstdarstellungen argumentieren offen rassistisch. Aber sie zeigen, dass nicht einmal ein Minimum an Kompetenz vorausgesetzt wird, um »Diversity« zu praktizieren.
Henning von Bargen vom Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung hält Diversity Management dennoch grundsätzlich für ein taugliches Instrument, um Unternehmen zu verändern. »Dabei muss aber auf die Strukturen abgestellt werden, nicht nur auf die individuelle Ebene«, sagt er. »Wir brauchen harte Instrumente: eine Quote, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Transparenzregeln.« Davon allerdings halten die Initiatoren des Diversity-Preises nichts. Ihre Homepage verlinkt Berichte zum Thema. Von den acht Artikeln sprechen sich vier explizit gegen eine Frauenquote aus, alle erschienen in der Wirtschaftswoche. Auch in »Vielfalt als Chance« äußern sich die Unternehmen ähnlich. Henkel erklärt: »Es geht nicht um die Erfüllung bestimmter Quoten, da Stellenbesetzungen ausschließlich nach Kompetenz und Potential erfolgen.« Dieses Standardargument verkennt, dass genau das durch eine Quote überhaupt erst sichergestellt werden soll. Das Konzept der Quotierung geht davon aus, dass bestimmte Personen bestimmte Positionen nicht erreichen können, weil sie diskriminiert werden. Das heißt, sie haben bei gleicher oder höherer Kompetenz weniger Erfolg. Eine Quote kann dazu beitragen, dass bei der Besetzung von Stellen annähernd jene Repräsentation einer Gruppe erreicht wird, die bestehen würde, wenn ihre Mitglieder nicht diskriminiert würden. Eine Quote führt also nicht dazu, dass eine Frau eingestellt wird, weil, sondern obwohl sie eine Frau ist.

Damit könnten Quoten ein Instrument des Diversity Management sein. Dem stehen nicht betriebswirtschaftliche, sondern ideologische Gründe entgegen. Der Diversity-Ansatz, wie er von deutschen Unternehmen praktiziert wird, interessiert sich nicht für Diskriminierung, sondern für Verschiedenheit. Er will keine Zugangsmöglichkeiten für Mitglieder einer diskriminierten Gruppe schaffen, sondern sie dazu anhalten, Zuschreibungen zu erfüllen. Hierzulande ist daher das von Quotengegnern – und Quotengegnerinnen – oft entworfene Szenario wahrscheinlich: Die Informatikerin wird nicht wegen ihres Sachverstandes, sondern wegen ihrer »Teamfähigkeit« eingestellt. Die Romanistin mit türkischen Eltern soll sich nicht um ihr Fachgebiet kümmern, sondern um die türkischen Kunden. Der Diversity-Preis ist damit auch ein Preis für die Aufrechterhaltung diskriminierender Strukturen. Sie sollen die gewünschte »Vielfalt« produzieren, wie die Initiatoren betonen: »Diversity zu fördern und zu erhalten, liegt damit im wohlverstandenen Eigeninteresse aller Unternehmen.«