Der Uno-Bericht zur deutschen Sozialpolitik

Härter geht immer

Die Uno hat in einem Bericht die deutsche Sozialpolitik harsch kritisiert – und wütende Reaktionen erhalten.

Die Uno kann froh sein, dass sie nicht wie manche NGO allein vom deutschen Steuergeld lebt. Sonst könnte sie jetzt wohl dichtmachen – die Zuschüsse wären ziemlich sicher futsch. Denn vori­ge Woche hatte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte seinen fünfjährlichen Bericht über Deutschland präsentiert. Und der Export-Vizeweltmeister mit den Rekord-Steuereinnahmen kam darin nicht gut weg.
Dabei hatten die UN-Gutachter nur Altbekanntes zusammengefasst. Sie seien »tief besorgt«, weil Deutschlands Exportsubventionen Elend in Entwicklungsländern verursachen. Deutsche Konzerne paktieren mit Diktatoren. Migranten werden in Deutschland im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Asylbewerber erhalten keine ausreichenden Gesundheits- und Sozialleistungen, sie dürfen nicht arbeiten und müssen in Heimen leben. Frauen verdienen für die gleiche Arbeit noch immer viel weniger als Männer. Ein-Euro-Jobs sind eine Zumutung. Hartz IV macht arm, und darunter leiden immer mehr Kinder. 25 solcher Punkte trugen die UN-Experten zusammen. All dies ist seit langem zur Genüge belegt. Gleichwohl mussten sich die UN-Vertreter, kaum dass ihr Bericht öffentlich geworden war, runterputzen lassen wie minder talentierte Doktoranden, denen ein Tribunal von Statistik-Professoren wegen schlampiger Berechnungen die Promotion verweigert. Dass das Arbeitsministerium ihnen »Unwissenschaftlichkeit« vorwarf – geschenkt. Doch auch der Spiegel, die FAZ, die Welt, die Stiftung Marktwirtschaft und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zerpflückten die UN-Befunde voller Eifer.
»UN-Sinn aus New York«, spottete die FAZ am Sonntag, obwohl der Ausschuss in Genf ansässig ist. »Volksverdummung« und »grober Unfug«, giftete die Stiftung Marktwirtschaft. Die Behauptung, Hartz IV gewähre »keinen angemessenen Lebensstandard«, zeuge »von völliger Unkenntnis des deutschen Sozialstaats«, behauptete Stiftungspräsident Michael Eilfort. Und hielt genial dagegen: Den »Uno-Ideologen« sei wohl nicht klar, dass Arbeitslose aus Ländern wie »Russland, Nigeria oder Indien« gern mit ihren deutschen Schicksalsgenossen tauschen würden. Spiegel Online fiel nichts besseres ein, als darauf hinzuweisen, dass die UN-Vorwürfe »Parallelen zu einem Bericht von Attac« aufwiesen. Und die hätten ihre Behauptung, dass viele Schüler aus armen Familien ohne Frühstück zur Schule gehen, auf die Aussagen einzelner Lehrer gestützt. »Statistiker raufen sich da die Haare«, ächzte Spiegel Online – ganz so, als ob der Befund einer wachsenden Zahl armer Kinder nicht längst durch offi­zielle Zahlen untermauert wäre.
Die Welt rätselte, »zu welchem Ergebnis die UN wohl in wirklichen sozialen Krisenregionen gekommen wäre« – ein überaus sympathischer Vergleichsmaßstab für den Lebensstandard Erwerbsloser in einer führenden Industrienation. Und der Chef des DIW forderte glattweg, dass die UN »externe Qualitätskontrollen« durchführen lassen müsse, bevor sie künftig Berichte in die Welt setze. Nun ist die Erlaubnis eines DIW für Berichte der UN ungefähr so wichtig wie die kritischen Aktionäre für die Deutsche Bank. Doch getroffene Hunde bellen, und wenn der Marktwirtschafts-Lobby ihre Beißreflexe so durchgehen, dann hat sich Deutschland das miese Zeugnis wohl redlich verdient.